Von Kay Grimmer, Conrad Wilitzki und Henri Kramer: Sexistisch
Eine Gruppe junger Frauen veranstaltet das „Smash Sexism“-Festival – das erste seiner Art in Potsdam
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Wer als Mann vor den Pissoirs der Toiletten vom Potsdamer UCI-Kino steht, blickt auf ein wohlgeformtes Frauenhinterteil. „Lust aus was Knackiges?“, fragt die bunte Werbeschrift für einen Pizza- Lieferservice.
Einer Gruppe junger Potsdamer Frauen stößt solche Reklame übel auf – so stark, dass sie am kommenden Wochenende das erste Festival im Land Brandenburg veranstalten, das sich in jedem Punkt seines Konzepts gegen Sexismus ausspricht. „Smash Sexism“ findet dabei am Samstag ab 12 Uhr in und vor den Häusern der Zeppelinstraße 25 und 26 statt – also jenen Bauten, die leicht an ihren großflächigen Graffitiwänden erkennbar sind. Mit dem Fest bekommt das Thema Antisexismus eine zweite Plattform in Potsdam. Bisher hatte es einzig regelmäßige Frauen- Abende im Szene-Cafe „Olga“ in der Charlottenstraße gegeben.
Die Motivation der Veranstalterinnen – ein paar sind vom „Olga“-Team, alle kommen aus der alternativen Szene, keine mag öffentlich ihren Namen lesen – ist dabei vielfältig. Auf Anfrage erklären sie: „Frauen haben heute noch Nachteile und müssen um bessere Jobs und Anerkennung kämpfen, um wirklich gleichberechtigt am Leben teilhaben zu können.“ Dazu seien Frauen von den herrschenden gesellschaftlichen Strukturen in mehrfacher Hinsicht unter Druck gesetzt – einmal in der Mutterrolle, dazu als arbeitende Frau, aber auch als weibliches Symbol für Sexualität und Sinnlichkeit. „Und dann sollen Frauen doch quasi bitte auch jederzeit bereit sein für Sex“, schreiben die Organisatorinnen. Auch gegenüber ihrer eigenen Klientel geben sie sich kritisch: Auch die links-alternative Szene müsse für das Thema mehr sensibilisiert werden.
Denn für die „Smash Sexism“-Organisatorinnen geht es um mehr. Denn wenn sie es könnten, würden sie typische Männer- und Frauen-Rollenbilder gern abschaffen. „Auch Männer, die weinen oder lieber zum Ballett als zum Fußball wollen, müssen mit sozialen Nachteilen rechnen.“ Gleichzeitig wollen sich die Veranstalterinnen für Menschen einsetzen, die sich keinem der „definierten“ Geschlechter zuordnen können, für Schwule, für Lesben, für Transsexuelle.
Und noch etwas beklagen die Festival- Macherinnen: Sexualisierte Gewalt. Sie zumindest ist eine messbare Größe in Potsdam, der Amtsjargon nennt sie nüchtern „Straftaten gegen sexuelle Selbstbestimmung“. Ihre Tendenz ist laut Statistik rückläufig. 180 Anzeigen hat die Potsdamer Polizei im vergangenen Jahr aufgenommen, 2007 waren es noch 250. Die Delikte reichen von exhibitionistischen Aktionen bis hin zu sexuellem Missbrauchs und Vergewaltigung. Die Aufklärungsquote liegt offiziell bei 75 Prozent. Die Frauen vom „Smash Sexism“-Festival allerdings glauben, dass die Dunkelziffer viel höher liegt: „Sexuelle Gewalt ist ein alltägliches Phänomen, mit welchem fast jede Frau mindestens einmal im Leben konfrontiert ist.“
Es sind solche Themen, die am Samstag eine Rolle spielen. Workshops sind angesetzt, Info-Stände soll es geben und eine Ausstellung. Dazu gibt es Musik, eine „total bunte Mischung“ aus Frauenbands, Künstlerinnen und Acts, die „gegen den sexistischen Alltag rocken.“ Etwa gegen Reklame. Denn was, so fragen die Organisatorinnen, hat eine nackte Frau mit Werbung für Fliesen zu tun?
Im Internet:
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