
© Andreas Klaer
Potsdam diskutiert Tourismusabgabe: „Sorgfalt statt Zeitdruck“
Am heutigen Mittwoch diskutiert der Finanzausschuss die Tourismusabgabe: Die SPD nimmt für eine rechtssichere Satzung auch eine Verzögerung in Kauf
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Kommt die Tourismusabgabe – oder doch noch der Parkeintritt für Sanssouci? Am heutigen Mittwoch berät erstmals der Finanzausschuss der Stadtverordnetenversammlung über die geplante Tourismusabgabe. Konkret geht es um zwei Anträge der Verwaltung: Einer regelt die Erhebung der neuen Abgabe von Potsdamer Unternehmen. Sie soll etwa zwei Millionen Euro pro Jahr in die Stadtkasse spülen. Der zweite Antrag beauftragt den Oberbürgermeister, eine Vereinbarung mit der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten zu treffen, die eine Beteiligung der Stadt an den Kosten für die Parkpflege in Höhe von einer Million Euro im Jahr vorsieht. Einigen sich die Stadtverordneten nicht bis Ende Juli, will die Schlösserstiftung 2014 einen Parkeintritt einführen.
WORUM GEHT ES?
Die Schlösser und Gärten gelten als größte touristische Attraktion der Landeshauptstadt – das Geld für die notwendige Parkpflege fehlt der Schlösserstiftung aber. Grundgedanke der Tourismusabgabe ist es, diejenigen an den Parkpflege-Kosten zu beteiligen, die in der Stadt vom Tourismus profitieren. Mit der Beteiligung an den Kosten soll ein Pflichteintritt für den Park Sanssouci verhindert werden. Nach einem Beschluss des Stiftungsrats aus Vertretern des Bundes und der Länder Berlin und Brandenburg soll bis zum Jahr 2028 der Anteil der sogenannten hervorragenden Flächen – besonders aufwendig gestaltete Parkteile – mehr als verdoppelt werden. Jährlich sind 4,7 Millionen Euro nötig, um Personal, Sachmittel und Investitionen zu finanzieren. Die Einnahmen aus der Tourismusabgabe allein reichen dafür nicht aus.
WER SOLL DIE ABGABE ZAHLEN?
Die Tourismusabgabe betrifft rund 15 000 Potsdamer Unternehmen und Institutionen. Sie sollen künftig je nach Umsatz, Lage und Branche zahlen. Eingeteilt wurden die touristisch relevanten Firmen mithilfe des Buchs „Klassifizierung der Wirtschaftszweige“, das das Statistische Bundesamt herausgegeben hat. Den Hebesatz für die Abgabe hat die Stadt auf 4,8 Prozent festgelegt. Multipliziert mit den je nach Branche und Lage festgelegten unterschiedlichen Sätzen und dem Jahresumsatz des Unternehmens ergibt sich der jährliche Beitrag. So werden Stadtführern am Schloss Sanssouci 100 Prozent des Umsatzes für die Berechnung herangezogen, bei Restaurants in der Innenstadt sind es beispielsweise 70 Prozent, bei Friseurbetrieben nur noch 0,5 Prozent. Jahresbeiträge, die niedriger als zehn Euro liegen, werden nicht erhoben.
WAS HAT ES MIT DEN ZONEN AUF SICH?
Bei der Höhe der Tourismusabgabe spielt die Lage der Unternehmen eine wichtige Rolle. Je näher ein Betrieb an den touristischen Hotspots liegt, umso mehr soll er zahlen. Entscheidend ist dabei nicht der Firmensitz oder der Wohnsitz des Unternehmers, sondern die tatsächliche Betriebsstätte. Die geplante Aufteilung der Zonen sorgte indes bereits für Verwunderung: Dabei sind beispielsweise die Weisse Flotte, die im vergangenen Jahr gut 300 000 Passagiere beförderte, das Krongut und die Schiffbauergasse nicht in der Zone mit der höchsten touristischen Frequentierung eingeordnet. Nach Angaben der Stadtverwaltung sind die ersten beiden nicht in Zone 1, weil sie nicht ganzjährig im Betrieb seien. Die Schiffbauergasse sei wegen ihrer großen Entfernung zu Sanssouci nicht in Zone 1.
WOFÜR SOLL DAS EINGENOMMENE GELD AUSGEGEBEN WERDEN?
Nur die Hälfte der angepeilten Einnahmen in Höhe von zwei Millionen Euro, also jährlich eine Million Euro, soll an die Schlösserstiftung fließen. Das ist allerdings nicht in der jetzt vorgelegten Satzung festgehalten, die Verwaltung lässt über diese Zahlung in einem zweiten Schritt extra abstimmen: Die Stadtverordneten könnten also der Tourismusabgabe zustimmen und trotzdem die Zahlung von Geld an die Stiftung ablehnen. Dem Satzungsentwurf zufolge will die Stadt mit den Tourismusabgabe-Einnahmen einen Teil ihrer Ausgaben für den Betrieb von „zu Tourismuszwecken bereitgestellten Einrichtungen und Anlagen“ sowie Veranstaltungen decken. Unter diese Ausgaben, die die Stadt mit jährlich 10,68 Millionen Euro beziffert, fallen laut Verwaltung unter anderem Zuschüsse für das Hans Otto Theater, den Nikolaisaal, das Potsdam Museum, die Biosphäre, das Waschhaus oder den Volkspark sowie Ausgaben für Wirtschaftsförderung.
WAS SAGEN DIE GEGNER DER ABGABE?
Kritik an der Abgabe kommt vor allem von denen, die sie zahlen sollen. Der Hotel- und Gaststättenverband, der Händlerverband AG Innenstadt, die Industrie- und Handelskammer und die Handwerkskammer lehnen die Tourismusabgabe ab. Neben der finanziellen Belastung und dem bürokratischen Aufwand beklagen sie, die Abgabe sei ungerecht. Wer die Welterbeparks nutzen wolle, solle auch dafür zahlen – durch die von der Verwaltung geplante Abgabe würden dagegen hauptsächlich Potsdamer für die Parkpflege zu Kasse gezogen. Für den Fall, dass die Abgabe beschlossen wird, kündigten die Gegner bereits eine Sammelklage an. Unterstützung bekommen sie auch aus der Lokalpolitik: CDU, FDP, Bürgerbündnis und die Fraktion Die Andere lehnen die Pläne ab. Die Potsdamer Demokraten haben inzwischen einen Änderungsantrag eingebracht und fordern darin, juristisch zu prüfen, ob die Stadt überhaupt Geld an die Stiftung zahlen darf, ohne im Stiftungsrat mitreden zu können.
WELCHE CHANCEN HABEN DIE PLÄNE IM STADTPARLAMENT?
SPD und Linke haben am Dienstag erneut ihre grundsätzliche Zustimmung zu den Verwaltungsplänen signalisiert – beide Parteien wollen den freien Parkeintritt für alle. Die Fraktionen haben gemeinsam eine Mehrheit im Stadtparlament. Diskussionsstoff und Anpassungsbedarf gibt es aus Sicht der beiden Fraktionschefs Mike Schubert (SPD) und Hans-Jürgen Scharfenberg (Linke) trotzdem. Für die SPD steht und fällt die Zustimmung mit der Rechtssicherheit der Satzung: Man wolle keine Satzung, die jahrelange Klageverfahren nach sich ziehe, sagte Fraktionschef Schubert. Die Verwaltung müsse daher erklären, wie sie zu ihrer rechtlichen Einschätzung gekommen ist. Auch die von den Demokraten aufgeworfene Frage nach der Rechtmäßigkeit für die Zahlung an die Stiftung müsse geklärt werden. Schubert will dafür im Zweifel auch eine zeitliche Verzögerung in Kauf nehmen: „Lieber Sorgfalt als Zeitdruck.“ Diskussionsbedarf sieht er auch bei der Aufteilung der Zonen, der Zuordnung der Branchen und der Höhe der Bagatellgrenze für den Beitrag. Er sprach sich auch für mehr Transparenz bei der Verteilung der eingenommenen Gelder aus: Denkbar sei eine Mitsprachemöglichkeit für die großen Touristik-Unternehmen. Für Linke-Fraktionschef Scharfenberg ist die Satzung „in sich stimmig“, die Belastung der Unternehmen „erträglich“ – es geht ihm aber um mehr Planungssicherheit. Die Abgabe dürfe sich nicht zu „einer sich ausweitenden Dauereinrichtung“ mit steigender Belastung entwickeln, sagte er. Die Laufzeit müsse daher überdacht werden. Diskutiert werden müsse auch, welche Mitspracherechte die Stadt bei der Stiftung bekommt.
WAS IST DIE ALTERNATIVE ZUR ABGABE?
Der Parkeintritt ab 2014. Zu den Details ihrer Planung will sich die Schlösserstiftung vor der Abstimmung im Stadtparlament nicht äußern, wie ein Stiftungssprecher am Dienstag den PNN sagte. Bei dem 2011 vorgestellten Konzept zum Parkeintritt lag der Eintritt bei zwei Euro pro Parkbesucher, die Jahreskarte kostete 12 Euro. Anlieger, Kinder und Jugendliche sowie Studierende mit Semesterticket könnten die Parks weiter kostenfrei nutzen. Allerdings würde sich die Zahl der Parkeingänge reduzieren. Eine Regelung, die den Park für alle Potsdamer kostenfrei lassen würde, ist laut Stiftung nicht möglich, weil das gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstoßen würde. Allein für Sanssouci hat die Schlösserstiftung damals mit Einnahmen in Höhe von 4,89 Millionen Euro gerechnet. Über den 2006 eingeführten freiwilligen Parkeintritt nahm die Stiftung in den vergangenen drei Jahren jeweils rund 220 000 Euro ein.
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