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Kassenärztliche Vereinigung unter Verdacht: Speers Miete beschäftigt die Strafjustiz

Die Kassenärztliche-Vereinigung Brandenburg gerät ins Visier der Staatsanwaltschaft. Die prüft den Verdacht auf Untreue. Auch Mieterbund und Korruptionsbekämpfer sind empört, weil Ex-Minister Speer eine extrem niedrige Miete zahlt.

Stand:

Jägervorstadt - Brandenburgs Kassenärztlicher Vereinigung (KVBB) droht wegen der unüblich günstigen Wohnungsmiete für Ex-Minister Rainer Speer (SPD) ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts auf Untreue. Die in Brandenburg für Korruptionsdelikte zuständige Staatsanwaltschaft in Neuruppin hat „das Verfahren zur Prüfung an die Potsdamer Staatsanwaltschaft abgegeben“, sagte Oberstaatsanwalt Frank Winter am Dienstag auf PNN-Anfrage. Speer selbst muss aber mit keinem Strafverfahren rechnen. Die Ermittler haben wegen einer Anzeige einen möglichen Korruptionsverdacht gegen den damals einflussreichen Minister geprüft – aber nicht bestätigt. Der Anzeige lag ein im Auftrag der KVBB erstelltes Wertgutachten für die Immobilie bei. Darin wurde die Quadratmetermiete von 2,51 Euro für die Speer-Familie genannt.

Korruptions verjährt,  aber Staatsanwaltschaft will Untreue prüfen

Eine niedrige Miete könne zwar auch ein Vorteil im Sinne des Tatbestandes sein, sagte Winter. Doch im konkreten Fall sei die fünfjährige Verfolgungsverjährung bei Korruptionsdelikten verstrichen. Speer hatte im September 2010 wegen einer Unterhaltsaffäre seinen Rücktritt erklärt. Zudem gebe es keine Anhaltspunkte, so Winter, für eine „Unrechtsvereinbarung“, also eine Verbindung zwischen der Miete und seiner damaligen Tätigkeit als Amtsträger. Dennoch ist für die Neuruppiner Behörde die Strafanzeige gravierend. „Es ist zu prüfen, ob Untreue vorliegt, begangen durch Mitarbeiter der Kassenärztlichen Vereinigung“, so der Oberstaatsanwalt.

Die Kassenärztliche präsentiert inzwischen die dritte Version einer Erklärung

Die KVBB reagierte am Dienstag in einer Erklärung mit einer neuen Version zu den Mietkonditionen für die Wohnung in einer 1991 von ihr erworbenen Immobilie in der Jägervorstadt. Demnach soll es für den in der DDR 1989 abgeschlossenen Vertrag 2002 eine Anpassung gegeben haben, zudem sei die Miete dynamisiert worden. Bei einer Vergrößerung der Wohnung sei ein Zusatzvertrag abgeschlossen worden, für den aktuell 6,13 Euro pro Quadratmeter im Monat an Kaltmiete gezahlt würden.

3,75 Euro Quadratmeter Miete für DDR-Altvertrag - weniger als im sanierten Plattenbau

Die Kaltmiete für den DDR-Mietvertrag betrage 3,75 Euro pro Quadratmeter im Monat. Die Kaltmiete für die gesamte Wohnung belaufe sich also auf 4,53 Euro. Das wäre nach dem Potsdamer Mietspiegel etwa das Niveau für unsanierte Plattenbauwohnungen am Schlaatz oder in Drewitz. Eine Erklärung, warum der von der KVBB beauftragte Gutachter unter ausdrücklichem Verweis auf KVBB-Angaben eine Quadratmetermiete von 2,51 Euro für seine Berechnung des Wertes der Immobilie ansetzte, gab die Kassenärzte-Vereinigung aber nicht. Zudem haben nach PNN-Informationen Mitarbeiter der KVBB mindestens einem Kaufinteressenten die Quadratmetermiete von 2,51 Euro genannt.

KVBB bescheinigt ihrem eigenen Gutachten Fehler

Bemerkenswert an der Erklärung der KVBB ist zudem, dass sie dem Sachverständigen „schwere redaktionelle Fehler“ bescheinigt – obwohl sie mit seinem Gutachten bei dem inzwischen erfolgten Verkauf der Immobilie einen Preis über dem errechneten Verkehrswert von 4,4 Millionen Euro erzielte. Für die Wohnung ging der Gutachter von mindestens acht Euro pro Quadratmeter als realistische Miete aus, möglich wären aber auch 11,50 Euro.

Auch Brandenburgs Gesundheitsministerium, das die Rechtsaufsicht über die KVBB führt, wird den Fall untersuchen. Ein Sprecher sagte, im Rahmen der regelmäßigen Prüfung der KVBB „werden wir uns diesen Vorgang anschauen“.

Handelte die KVBB unwirtschaftlich? Das meinen Mieterbund und  Transparency International

Zwar verwahrt sich die KVBB gegen den Vorwurf, „zu Lasten der Mitglieder unwirtschaftlich“ gehandelt zu haben. Doch genau dieser Verdacht drängt sich auf, etwa beim Mieterbund Brandenburg. Dessen Vorsitzender Rainer Radloff sagte, zwar gebe es noch einen Bestand an DDR-Altverträgen, die auf niedrigem Niveau gestartet seien. Allerdings hätten Vermieter über 25 Jahre durchaus die Möglichkeit gehabt, die Mieten auf den ortsüblichen Mietzins anzuheben. Dies sei bei der KVBB offenbar nicht geschehen, „aus welchen Gründen auch immer“, sagte Radloff. Bis zur Einführung der Mietpreisbremse vor einem Jahr hätten Potsdamer Vermieter alle drei Jahre um 20 Prozent erhöhen können.

Auch die Antikorruptionsorganisation Transparency International (TI) findet den Fall bemerkenswert. „Man muss sich fragen, warum ein früherer Minister hier offenbar begünstigt wurde und ob es Gegenleistungen gab“, so Wolfgang Wodarg, im TI-Vorstand für Gesundheitswesen zuständig. Als Körperschaft öffentlichen Rechts sei die KVBB verpflichtet, wirtschaftlich zu handeln, die Pflichtbeiträge ihrer Mitglieder seien aus Krankenkassenbeiträgen finanziert. Daher sei die KVBB zur Transparenz verpflichtet und müsse eine marktübliche Miete verlangen.

Günstige Miete wegen des DDR-Vertrags? Jurist hält das für unglaubwürdig

Ein Jurist, der selbst Vermieter ist, sagte den PNN: „Die Behauptung, die günstige Miete sei eine Folge eines DDR-Vertrages, ist vollkommen unglaubwürdig.“ Rechtlich hätte die KVBB schon 1999 einen Preis verlangen können, den Speer heute noch für seinen DDR-Altvertrag zahle. „Viele Potsdamer wohnen länger als seit 1990 in ihrer Wohnung. Da sollen sich die mal melden, die heute für 3,75 Euro in einem top sanierten, repräsentativen Altbau in bester Lage das Penthouse bewohnen“, sagte der Jurist. Wenn die KVBB eine extrem weit unter dem Marktüblichen liegende Miete hinnehme und für eine Zusatzfläche „noch einen Spaßpreis vereinbart“ hat, dann sei wohl der Mieter ausschlaggebend.

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