Landeshauptstadt: Vergessener Stadtteil?
Thomas Uhlig vom Verein Rosenweiss e.V. fehlt in Potsdam-West die Kultur, andere Aktive im Kiez finden dagegen, dass es früher noch schlimmer war
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Das bauliche Elend ist weithin sichtbar. Seit Jahren schon ist das ehemalige Kino „Charlott“ im Zentrum von Potsdam West am Bahnhof Charlottenhof eine abrissreife Hülle ohne Leben, die Fassade in ihrer Unfarbe hässlich. „Ich finde das nicht nachvollziehbar“, sagt Thomas Uhlig. Mit dem Verein Rosenweiss e.V. will er in dem Stadtteil aktiv werden. So erarbeitete er unter anderem ein Konzept für die Nutzung des ebenfalls vom Verfall bedrohten Bürgerbahnhofs am Park Sanssouci (PNN berichteten). Doch viele der Ideen scheiterten am Geld, ärgert er sich. Denn während die Stadt Millionen für den Ausbau des Kulturstandorts Schiffbauergasse ausgebe, werde hier Stadtteilkultur vernachlässigt, kritisiert Uhlig und nennt Potsdam-West einen „vergessenen Stadtteil“. Dabei bildet das Areal zwischen Kiewitt und Forststraße – zusammen mit der Innenstadt – nach Angaben des Rathauses den einwohnerstärksten Sozialraum Potsdams. Doch Freizeitangebote, bemängelt Uhlig, gebe es wenige: „Mütter fahren mit ihren Kindern zur Freundschaftsinsel.“
Uhligs Kritik will sich niemand im Stadtteil so offen anschließen, ansässige Initiativen und Entscheidungsträger sehen die Entwicklung der vergangenen Jahre positiv. Auch wenn die Stadt „relativ wenig in diesem Gebiet investiert hat“, habe sich ein „reiches und vielfältiges Leben“ entwickelt, meint beispielsweise Manfred Menning, Vorsitzender des Vereins Brandenburger Vorstadt. Mit der Ansiedlung zweier Billig-Discounter und dem Rewe- Markt in der Haeckelstraße hätten sich die Einkaufsmöglichkeiten „wesentlich verbessert“, so der 59-Jährige. Seit der Gründung 1996 hat der Verein bereits acht Mal das Stadtteilfest mit dem Namen „Affe, Schaf und Känguru“ veranstaltet. Zwei Wünsche hat der Vereinsvorsitzende jedoch noch: „Ein kleinteiliges Stadtteilzentrum und ein Bürgerhaus.“
Solch ein Haus möchte der Rückenwind – Arbeits- und Sozialprojekte Brandenburg (ASPB) e. V. schon seit Jahren errichten. Allein, die dafür benötigten rund eine Million Euro seien für einen Verein nicht zu stemmen, wie Angelika Wittkowsky vom Rückenwind e.V. betont. Möglich sei dabei der Weg, den bis jetzt als Möbelbörse und Fahrradwerkstatt genutzten Gebäudewürfel in der Haeckelstraße zu einem Bürgerzentrum umzubauen. „Visionen und Gedanken haben wir viele“, sagt Wittkowsky. Zuversicht klingt anders.
Tatsächlich gibt es im gesamten Stadtteil lediglich sieben soziokulturelle Angebote, die die Stadt finanziell unterstützt. Darunter unter anderem den Seniorentreff Schillerplatz und das Sommertheater „Q-Hof“ des Poetenpacks in der Lennéstraße. Allerdings liegt keines der städtisch geförderten Angebote westlich der Kastanienallee. Dass die Plattenbauten in der Storm- und Haeckelstraße, das Wohnviertel auf dem Kiewitt und die Brandenburger Vorstadt von der Stadt überhaupt als einheitlicher Sozialraum gesehen werden, versteht Thomas Uhlig nicht. Es handele sich um „ganz andere Zielgruppen“, kritisiert der 30-Jährige.
Klara Geywitz vom SPD-Ortsverein Potsdam-West sieht dies nicht so negativ, zumindest im Vergleich zu früheren Zeiten. „Das Gebiet um die Haeckelstraße ist nach der Wende bei der Förderung gegenüber dem Schlaatz oder der Waldstadt immer ein wenig runtergefallen“, findet die Stadtverordnete und Landtagsabgeordnete, die selbst in der Nähe der Kastanienallee wohnt. Zumindest die Versorgungslage habe sich wegen der Tankstelle an der Zeppelinstraße und der neuen Discounter stark verbessert. „Der Stadtteil ist nicht desintegriert, wenn man ihn als Ganzes betrachtet“, sagt auch Menning vom Verein Brandenburger Vorstadt. Die Vielfalt zwischen Plattenbauten und alten Häusern sei „ein Riesenvorteil“.
Gerade im Gebiet um die Geschwister-Scholl-Straße sieht Geywitz viel Bewegung. „Die hohe Fluktuation der Läden hat abgenommen“, findet die Politikerin und verweist auf erfolgreiche Kneipen wie die „Waschbar“ oder die Disco „ArtSpeicher“ am Persius Speicher in der Zeppelinstraße. Eines der neuen Angebote ist das Black-Flowers-Café an der Ecke Zeppelin-/Geschwister-Scholl-Straße. Hier sollte eigentlich ein Multikulti-Zentrum entstehen. „Ich spüre viel Wohlwollen. Doch leider können wir bis 2008 nur das Café und kaum Programm anbieten, weil das Geld fehlt und Fördermittel abgelehnt wurden“, sagt Inhaberin Alida Babel.
Eines der wenigen Angebote für Jugendliche in Potsdam-West ist der Jugendclub 91 in der Kastanienallee. 50 bis 60 Jugendliche kommen laut Jeannine Schröder regelmäßig in den Club in Trägerschaft des Stadtsportbundes. Es sei ein „niedrigschwelliges Angebot“ betont die Sozialpädagogin. Im September 2006 kamen die „Einsteinkids“ dazu: 25 Kinder besuchen den Forscher-Club in den Räumen der Zeppelin-Grundschule in der Haeckelstraße, so die Petra Giese, die Koordinatorin des Projektes in Trägerschaft des EJF Lazarus. Das für „Lückekinder“ gedachte Angebot habe aber durchaus noch freie Kapazitäten. „Außerdem hat Potsdam-West mit dem Luftschiffhafen ein großes Sportangebot, mit Sanssouci und dem Uferweg an der Havel gibt es viel Natur in der Nähe“, lobt auch Klara Geywitz die Entwicklung. Ebenso verweist sie auf die hohe Bedeutung der Erlöserkirche und ihres Chores. „Dies sind solche Punkte, an denen sich die Bürger hier treffen und die den Stadtteil lebenswerter als noch vor Jahren machen.“
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