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Bei der Schlössernacht als VIP-Gast. Für dieses Geschenk der Stadtwerke an besondere Kunden interessierten sich Ermittler.

© dpa

Korruptionsverdacht bei den Stadtwerken Potsdam: Verschenkte Tickets haben ein Nachspiel

Die kommunalen Stadtwerke Potsdam haben im vergangenen Jahr VIP-Tickets für die Potsdamer Schlössernacht an besondere Geschäftspartner verschenkt. Nun ermittelt die Neuruppiner Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts auf Vorteilsgewährung. Der Anfangsverdacht habe sich bestätigt.

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Potsdam - Die limitierten Premiumtickets für die Potsdamer Schlössernacht sind begehrt: Offiziell kosten sie 198 Euro. Inhaber können die Großveranstaltung in einem VIP-Bereich am Neuen Palais erleben, samt Buffet und freier Getränkeauswahl.

Die kommunalen Potsdamer Stadtwerke – das zweitgrößte städtische Unternehmen mit einer Bilanzsumme von knapp 650 Millionen Euro – haben solche Tickets im vergangenen Jahr an besondere Kunden und Geschäftspartner verschenkt. Deshalb stecken sie nun in Schwierigkeiten: Die für Korruptionsdelikte in Brandenburg zuständige Schwerpunktstaatsanwaltschaft in Neuruppin ermittelt gegen Stadtwerke-Chef Wilfried Böhme und einen weiteren Mitarbeiter wegen des Verdachts der Vorteilsgewährung. „Der Anfangsverdacht hat sich bestätigt“, sagte der Leitende Oberstaatsanwalt Wilfried Lehmann am Donnerstag den PNN auf Nachfrage.

Ermittlungen könnten Kreise ziehen

Daher sind die Ermittlungen ausgeweitet worden. Laut Lehmann wertet eine Ermittlergruppe beim Landeskriminalamt (LKA) derzeit Unterlagen der Stadtwerke aus, darunter Gästelisten, aus denen hervorgeht, wem die Stadtwerke Premiumtickets für die Schlössernacht zukommen ließen. Die Stadtwerke sind zahlungskräftiger Sponsor der Veranstaltung und haben als Gegenleistung ein bezahltes Kartenkontingent bekommen.

Die Ermittler prüfen nun in jedem Einzelfall, ob ein sogenanntes Unrechtsansinnen vorliegt – also ob sich die Stadtwerke mit ihrem Premiumgeschenk für die Kunden selbst einen Vorteil versprachen. Umgedreht könnten wiederum Gäste der Stadtwerke, die die Tickets in Anspruch genommen haben, in den Verdacht der Vorteilsannahme geraten. Die Ermittlungen könnten also Kreise ziehen. An wen die Stadtwerke Premiumtickets verschenkt haben und wie viele insgesamt, wollte das Unternehmen auf PNN-Anfrage nicht mitteilen. Offen blieb damit auch, seit wann und nach welchen Kriterien die Tickets verteilt wurden – und ob in diesem Jahr weiter so verfahren wird.

Kassenärztliche Vereinigung erstattet Strafanzeige

Ins Rollen gebracht hat die Ermittlungen die Kassenärztliche Vereinigung Brandenburg (KVBB). Ein KVBB-Sprecher sagte, dass die KVBB im vergangenen Herbst eine entsprechende Strafanzeige erstattet habe. Nach PNN-Informationen hatte die Anti-Korruptionsabteilung der KVBB die Einladungen der Stadtwerke zur Schlössernacht an die Chefetage ihres Hauses zur Prüfung auf den Tisch bekommen. Denn schon damals hatte sich – auch im Zusammenhang mit der Schlössernacht – KVBB-Chef Hans-Joachim Helming vor dem Potsdamer Amtsgericht wegen Vorteilsannahme verantworten müssen: Er hatte sich auf Kosten einer Computerfirma zu einer Dampfer-Fahrt sowie dem Besuch der Schlössernacht im VIP-Bereich einladen lassen. Laut Staatsanwaltschaft wollte sich die Firma so die Zusammenarbeit mit der KVBB sichern. Aus Sicht des Ärztechefs handelte es sich um einen Pflichttermin, bei dem er die KVBB repräsentierte. Am Ende musste Helming nach einem Strafbefehl 24 750 Euro zahlen.

Geschäftsbeziehungen, für die sich eine Vorteilsgewährung lohnen könnte, gibt es auch zwischen Stadtwerken und der KVBB, die sich als öffentliche Körperschaft über Beiträge und Vergütungen der Krankenkassen finanziert. Der KVBB-Sprecher bestätigte, dass sein Haus den Strom über die Stadtwerke-Tochter Energie und Wasser Potsdam beziehe. Der Vertrag laufe bis Ende des Jahres. Derzeit baut die KVBB ein neues Haupthaus an der Pappelallee. An der Strom-Ausschreibung dafür werde gerade gearbeitet, so der Sprecher.

"Vorwürfe restlos aufklären"

Die Stadtwerke wollten sich wegen der laufenden Ermittlungen nicht äußern. Mitarbeiter des Unternehmens wurden per E-Mail zum Sachverhalt informiert. Darin heißt es, dass man die Ermittlungen unterstützen werde: „Wir sind sehr daran interessiert, dass die Vorwürfe restlos aufgeklärt werden.“ Bei der Schlössernacht hätten die Stadtwerke auf einem Empfang die „strategischen Zielstellungen des Unternehmensverbundes“ darstellen wollen, schreibt Stadtwerke-Chef Böhme. Und: „Beabsichtigt war gerade nicht, Einzelnen Vorteile zu gewähren.“

Nach PNN-Informationen haben im vergangenen Jahr auch Aufsichtsratsmitglieder der Stadtwerke – darunter Stadtverordnete – solche Karten bekommen. Die Antikorruptionsstelle der Stadt habe die Einladung in seinem Fall geprüft und die Teilnahme bewilligt, versicherte ein Mitglied des Kontrollgremiums den PNN. Ein anderer Aufsichtsrat sagte, er habe seine beiden Tickets zurückgegeben. Ein Dritter ging zwar mit Premiumticket zur Schlössernacht, ohne aber den Stadtwerke-Empfang zu besuchen. Alle haben aus den Medien von den jetzigen Ermittlungen wegen Vorteilsgewährung erfahren.

Ermittlungen bei Stadtwerken schon 2011

Schon 2011 war bei dem Unternehmen im Zuge der Stadtwerke-Affäre um intransparentes Geschäftsgebaren des damaligen Geschäftsführers Peter Paffhausen ermittelt worden. In der Folge waren die Regeln speziell für kommunale Unternehmen verschärft worden, in allen Firmen wurden Anti-Korruptionsbeauftragte eingesetzt. Laut ihrem eigenen Verhaltenskodex haben sich die Stadtwerke einen „sorgsamen Umgang beim Annehmen und Geben von Geschenken und Vorteilen“ auferlegt. Dort heißt es: „Wichtige Grundlage für das Vertrauen bildet das Trennen der privaten Interessen von einer Geschäftsbeziehung. Das könnte Handlungen implizieren, die als Korruption wie Vorteilsgewährung oder Bestechung gelten.“

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