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Kultur: Die Farbe Rot

XV. Rohkunstbau zeigt in der Villa Kellermann Werke zum Thema Brüderlichkeit

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In der Französischen Revolution wurden Brüderlichkeit, Freiheit und Gleichheit als staatstragende Prinzipien verkündet. Und von Brüderlichkeit ist in diesem Jahr die Rede, bei der XV. Rohkunstbau-Schau. Zu sehen sind die künstlerischen Auseinandersetzungen ab 17. Juli in der Villa Kellermann am Heiligen See.

Am anderen Ufer des Sees, im Marmorpalais, residierte Ende des 18. Jahrhunderts der preußische König Friedrich Wilhelm II., schon von Geburt her ein Gegner der Französischen Revolution. In der Villa Kellermann haben nach 1945, also nach dem verheerenden Weltkriegen, die ersten Kulturbundmitglieder wieder an die Ideen der Französischen Revolution anknüpfen wollen. Im Auf und Ab der Geschichte konnten die Utopien und Träume jedoch nicht verwirklicht werden. Es ist die Farbe Rot, das Symbol für Liebe, Hass und Gewalt, mit der sich die Künstler auf Spurensuche begeben, befragen unsere Zeit nach Brüderlichkeit. Zehn spannende Beiträge zeitgenössischer Kunst aus Deutschland, Russland, der Schweiz, Israel, Spanien und Großbritannien sind in dem Gebäude zu erleben: Collagen, Zeichnungen, Videobeiträge und Fotografien. Als Kurator fungierte Marc Gisbourne.

Auch dieses Mal geht es bei der Schau um die „Ortsbezogenheit“ der Arbeiten, wie der künstlerische Leiter Arvid Boellert gestern bei der Presse-Vorbesichtigung sagte. Den „morbiden, ruinösen Charme“ der um 1913 für den kaiserlichen Zeremonienmeister Hardt erbauten Villa hätten sich, so Boellert, einige der Künstler zunutze gemacht.

Zum Auftakt der Ausstellung untersucht die Berlinerin Bettina Pousttchi mit einer Kamera die Farbe Rot, die sich ständig verändert, auch in der Form. Man schaut wie in ein Mikroskop und erkennt schließlich einen Blutstropfen. Die ebenfalls in Berlin lebende Cornelia Renz erzählt in einem an Comicsbildern erinnernden Triptychon tiefgründig und in aggressiven Szenen von dem „Fest der Vernunft“, das die französischen Revolutionäre 1789 verordneten und bei dem sie jeglichen Religionen den Garaus machen wollten. In die bundesrepublikanische Realität der siebziger Jahre begibt sich die Berlinerin Brigitte Waldach: Aus dem Off hört man eine Stimme mit Passagen aus dem Briefwechsel der RAF-Terroristin Gudrun Ensslin mit ihrer Schwester flüstern. Die Künstlerin schrieb mit roter Farbe Zitate von Ensslin an die weißen Wände. Während der Besichtigung sagte sie, ihr Thema sei Schwesterlichkeit. „Es geht dabei nicht um eine ideologische Stellungnahme.“

Aber nicht nur um politische Inhalte, die teilweise die Welt verändern wollten, geht es in dieser Ausstellung, sondern auch um private Geschichten. So bei dem Israeliten Guy Ben-Ner in seiner Video-Installation „Stealing Beauty“: Seine Familie nimmt ungebeten in einem Ikea-Kaufhaus Wohnung. Diese Warenhaus-Gemütlichkeit für Jedermann hat auch eine andere Seite, nämlich die ablehnende und ungemütliche Haltung von Mitmenschen bei solch einem Unternehmen. Jonathan Monk aus Großbritannien versieht seine Arbeiten mit einer Prise Humor, selbstverständlich mit britischem. Auch die in der Villa Kellermann: Zwei Standuhren schauen sich an und ticken beinahe gleich, doch nur beinahe. Der Künstler will ein „eindringliches Sinnbild für unser Miteinander, unser Verständnis eben auch für Brüderlichkeit und Solidarität“ zeigen. (Katalog). Man kann über diesen einfachen und wunderbaren Einfall nur staunen.

Mit der diesjährigen Rohkunstbau-Schau wird die Trilogie „Drei Farben - Blau, Weiß, Rot“ vollendet. Diese lehnt sich an die gleichnamige Filmreihe des polnischen Regisseurs Krzysztof Kieslowski an. Rohkunstbau sei „zu einem festen Bestandteil der europäischen Kulturlandschaft geworden“, heißt es im Vorwort zum Ausstellungskatalog von José Manuel Barroso, Präsident der Europäischen Kommission und Schirmherr der internationalen Ausstellung.

Wegen Raumprobleme war lange Zeit unklar, ob die diesjährige Rohkunstbau veranstaltet werden kann. Ursprünglich sollte die Schau wie erstmals 2007 im Schloss Sacrow zu sehen sein. Das Schloss sei aber nach Auffassung der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg dafür nicht geeignet. Die in einem Rohbau in Groß Leuthen (Dahme-Spreewald) gestartete Ausstellungsreihe zeigt seit 1994 „ortsbezogene, zeitgenössische bildende Kunst“. Im nächsten Jahr, zum 20. Jahrestag des Mauerfalls, soll es um das „Projekt Atlantis“ gehen. Die Ausstellung werde in einem privaten Raum an der einstigen deutsch-deutschen Grenze zu Berlin gezeigt. Wo genau, wollte der künstlerische Leiter, Arvid Boellert, wegen der jüngsten Raum-Querelen noch nicht sagen.

XV. Rohkunstbau, 17. Juli bis 5. Oktober, Villa Kellermann, Mangerstraße 34-36, Do/Fr 14-19 Uhr, Sa/So 12-19 Uhr; Vernissage am 13. Juli um 15 Uhr; Lesung am 24. August um 19 Uhr: Jürgen Hentsch liest aus „Der Tunnel“ von Bernhard Kellermann

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