Kultur: Frischer Wind
Das Buch „Architektur in Brandenburg“ von Ulrike Laible wird heute im HBPG vorgestellt
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Licht, Luft und Sonne für alle. So hieß die Devise für den Wohnungsbau nach dem Ersten Weltkrieg auch in Potsdam und im Brandenburgischen. Die Beseitigung des Wohnungsmangels war eine der wichtigsten Herausforderungen für die junge Weimarer Republik. Hatte man im Kaiserreich den Wohnungsbau weitgehend privaten Spekulanten überlassen, sah die junge Republik die Wohnraumversorgung als staatliche Aufgabe an: „Jedem Bürger sind nach seinen Bedürfnissen entsprechende Wohnungs- und Wirtschaftsverhältnisse zu sichern.“ Es wurde eine direkte öffentliche Wohnungsbauförderung aufgebaut. Die Architektenschaft sowie Kommunen und Genossenschaften haben sich daran gemacht, vor allem preiswerte soziale Wohnungen zu schaffen. Auch in Potsdam. Es entstanden neue Wohnsiedlungen. So war die Gewoba ab Ende der zwanziger Jahre Bauherrin für die Häuser an der Großen Sandscholle in Babelsberg (Paul-Neumann-Straße u.a.), das Stadtbauamt war für die Bebauung der „Stadtheide“ verantwortlich und der Verein „Vaterland“ für die Wohnhäuser Am Schragen – alle beeinflusst vom Neuen Bauen oder der Gartenstadtidee. Man ließ sich aber auch, wie in der „Stadtheide“, von den Bauten des 18. Jahrhunderts anregen.
Eine spannende Expedition zu Bauten der Weimarer Republik, auch zu den damals neu geschaffenen Wohnsiedlungen, kann man mit dem Buch „Architektur der Weimarer Republik“ unternehmen. Ulrike Laible, die als Herausgeberin fungiert, hat vier weitere Autoren gewinnen können, die sich mit ihr in Potsdam und im Land Brandenburg umsahen, um das Bauen zwischen 1918 bis Anfang der dreißiger Jahre vorzustellen, zu reflektieren und die Leser auf eine spannende Wanderung mitzunehmen.
Klar, der berühmte Einstein-Turm Erich Mendelsohns im Wissenschaftspark „Albert Einstein“ auf dem Potsdamer Telegrafenberg aus dem Jahre 1920 ist ein Muss bei solch einer Architekturreise. Er bildet den Auftakt. Die expressionistische Bauweise des Observatoriums mit Anklängen an den Jugendstil war damals etwas ganz Besonderes. Der Architekt selbst schrieb: „Ich übertrage zum ersten Mal Funktion und Dynamik als Gegensatzpaar auf das Gebiet der Architektur. Ich schulde diese wissenschaftliche Überlegung meiner häufigen Anwesenheit bei Diskussionen zwischen Einstein und seinen Mitarbeitern.“ Expressionistisch baute auch Reinhold Mohr das Regattahaus auf dem Gelände des Luftschiffhafens am Templiner See. Der Musikpavillon ist dagegen transparenter, filigraner – ebenfalls ein wunderbares Beispiel klassischer Moderne. Ulrike Laible weist, wie andere Autoren vor ihr, darauf hin, dass der Musikpavillon sowie das Regattahaus von zunehmendem Verfall geprägt sind. Eine Sanierung und Restaurierung sollte die Stadtverwaltung der Landeshauptstadt nicht mehr auf die „lange Bank schieben“. Reinhold Mohr hatte auch einen Anteil an der malerisch angeordneten Villa des jüdischen Bankdirektors Herbert Gutmann, das „in feudalster Lage, in Potsdam, direkt am See liegt “, wie eine Zeitung im Jahre 1927 schrieb. Das Blatt kommt zu der Erkenntnis, dass das Haus auf Schritt und Tritt Überraschungen bietet, nämlich durch die unwahrscheinliche Vielfalt seiner Räume“. Reinhold Mohr, der von 1911 bis 1954 in Potsdam als Architekt tätig war, hat für die Villa Gutmann die Privatturnhalle in expressionistischer Manier entworfen. Ihre mit Spitzbögen aufragende Architektur erinnert an gotische Sakralräume.
Ludwig Mies van der Rohe machte sich, als er von 1924 bis 1926 die Villa des Berliner Börsendirektors der Dresdner Bank, Georg Mosler, in der heutigen Babelsberger Karl-Marx-Straße 29 schuf, mit seinen Bauten nach und nach in der Fachwelt bekannt. An dieser Villa vermisst man jedoch weitgehend die moderne Formensprache. Traditionelles hat hier Priorität. Das war eben der Wunsch des Bauherren. Neben Mies van der Rohe wirkten in Potsdam Architekten, die sich international einen Namen machten, so Peter Behrens, Hans Scharoun oder Jean Krämer. Sie schufen vor allem Wohnhäuser für gutsituierte Zeitgenossen, die sich vor allem in Berlin als Bankdirektoren oder als renommierte Schauspieler und Regisseure bei der Ufa in Babelsberg ihr Geld verdienten. Auch auf dem großen Babelsberger Filmgelände wurde emsig gebaut: ein Großatelier von Carl Stahl-Urach sowie das Tonfilmatelier (wegen des Grundrisses auch Tonkreuz genannt) von Otto Kohtz – zwei Bauten, die vor allem von funktionalistischer Strenge getragen sind.
Ulrike Laibles Buch zeigt nicht alle Bauten, die damals entstanden sind, sondern nur eine Auswahl. Doch man kann einen eindrucksvollen Einblick von der Vielfalt des Bauens während der Weimarer Republik gewinnen. Natürlich nicht nur in Potsdam. Die Autoren, so will es die 150-seitige Publikation vor allem, unternehmen Ausflüge zu architektonischen Schätzen im ganzen Land Brandenburg. Da geht es in die Umgebung von Potsdam: nach Caputh zum Einstein-Haus von Konrad Wachsmann oder zum Haus Bahner, das Walter Gropius im Bauhaus-Stil in Kleinmachnow baute. Auch wird das monumentale Schiffshebewerk des Oder-Havel-Kanals in Niederfinow nicht ausgelassen, auch nicht das expressiv gestaltete Rathaus der Berliner Randgemeinde Neuenhagen oder das Stadttheater von Luckenwalde, das mit der Volkshochschule eine bauliche Verbindung eingeht. Die Neue Sachlichkeit wurde für das Ensemble als Stil bevorzugt.
Eines der interessantesten Bauwerke während der Weimarer Republik entstand in Frankfurt an der Oder, vor allem auch in sozialer Hinsicht: das Musikheim. Der Architekt hieß Otto Bartning. Er wurde vor allem für den Neubau von Kirchen bekannt. Das Musikheim, ebenfalls von der Neuen Sachlichkeit beeinflusst, war für die musische Bildung junger Leute in Frankfurt und darüber hinaus ein wichtiger Anziehungspunkt.
Neben der bis zum 7. August laufenden Ausstellung im Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte über die Architektur in Brandenburg während der Weimarer Republik will das Buch - ein Projekt der Brandenburgischen Architektenkammer – den Interessierten zu den baulichen Höhepunkten einer Zeit begleiten, die zunächst frischen Wind und neuen Schwung brachte, auch in die Baukunst. Klaus Büstrin
Ulrike Laible (Hrsg.): Architektur in Brandenburg. Bauten der Weimarer Republik, Braun Publishing, Berlin 2011. Buchpräsentation am heutigen Mittwoch um 19 Uhr im Kutschstall
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