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Kultur: Irgendwann fordert der Tod zum Tanz auf

Atelierhaus Panzerhalle zeigt Kunst zum Thema Tod

Atelierhaus Panzerhalle zeigt Kunst zum Thema Tod Ein schönes Video. Blauer Himmel, Meeresrauschen, gelber Sandstrand. Badende laufen mit Quietschentchen und Strohmatte unterm Arm am Ufer entlang, kühlen ihre warmen Körper in dem schäumenden Nass. Urlaubsbilder aus Fuerteventura. Verführerisch, wenn nur nicht die schwarze Unterzeile über den Bildschirm liefe. Wie Aktienkurse im Fernsehen spielt der iranische Künstler Sharam Entekhabi in Endlosschleife Daten von Menschen ein, die tot am Mittelmeer gestrandet sind. Verstorbene auf der Flucht in den reichen Westen, Gekenterte, Ertrunkene. Sie hatten weniger Glück als die auf der Insel Sonne tankenden Urlauber. „Memento mori“, Gedenke der Toten, ist eine Ausstellung des Atelierhaus Panzerhalle in Groß Glienicke überschrieben, die ins Bewusstsein rückt, was oft so fern scheint. Die im Rahmen des Kulturland-Jahres „Christentum in Brandenburg“ veranstaltete Schau wird morgen eröffnet. Ausstellungsorte sind neben der großen Kasernenhalle auch die Dorfkirchen Alt-Kladow und Groß Glienicke. Die zehn mit Malerei, Skulptur, Videoinstallation und Fotografie präsentierten Künstler sind überregional wie international bekannt, sie kommen aus Belgien, Deutschland, Israel, der Türkei und dem Iran. Der holländische Künstler Rik van Iersel ist darunter, die Türkisch-Deutsche Nezaket Ekici und Johannes Heisig, der ehemalige Rektor der Hochschule für Bildende Künste Dresden. Ihre kulturellen Hintergründe machen die Schau zu einer spannenden Mischung – auch wenn gelegentlich der Tod etwas aus dem Blickfeld gerät. Das künstlerische Sujet ihrer sehr erzählerischen Arbeiten reicht vom „Totentanz“ bis zum „Schleierkampf“. Trauer und individuelle Sicht auf den Tod spielen eine Rolle und auch unnatürlicher Tod durch Krieg, Armut oder Ungerechtigkeit. Der Künstler Helge Leiberg, der sich durch seine Performances mit Christa Wolf zu „Medea“ einen Namen gemacht hat, widmet sich in seiner Serie „Totentanz“ der inzwischen fast aus Kirchen und Klöstern verschwundenen mittelalterlichen Vorstellung vom Tod: Er soll die Lebenden zum Tanz aufgefordert haben. Bei Leiberg sieht das sehr lebendig aus. Seine großformatigen, im Raum hängenden Rollgemälde zeigen eine weiße, in raschen, groben Pinselstrichen gezeichnete filigrane Nackte, die sich mit einem schwarzen, skelettartigen Tod vergnügt. Sie berühren sich nicht und scheinen doch magisch voneinander angezogen. Überlange Arme und Beine wirbeln durch die Luft. Da lässt man sich wohl leicht verführen. Besonders die Bilder mit den auf leuchtendes Rot aufgetragenen Figuren ziehen den Blick auf sich. Als skeletthafte, jenseitige Gestalten, die die Grenze zu den Lebenden zumindest im Auge haben, tauchen die Toten in der Malerei von Rik van Iersel auf. In kleinen Gruppen schreiten sie bedrohlich auf den Betrachter zu, bildgroß, orange, hellblau oder rot, mit ausgehöhlten Augen. Schön, fast romantisch hingegen scheint die schwarzweiße Darstellung des eng auf einer Bank sitzenden, verschwommenen Skelett-Paares. Unaufgeregt, scheinbar in entspannter Gemeinsamkeit sitzt es da. In den Arbeiten von Nezaket Ekici geht es weniger um Tod als um Identität. In ihrer unter die Haut gehenden Videoinstallation „Schleierkampf“ zeigt sie eine Frau im dunklen Tschador. Sie will ihn lüften, immer wieder hebt sie den Schleier vor dem Gesicht nach oben, unruhig, schnell. Das Tuch schlägt wie ein lautes Segel im Wind hilflos auf und ab. Die Dorfkirchen sind mit allem anderen als „braver“ Kunst bedacht worden. Der international ausstellende belgische Bildhauer Jean-Pierre Lipit zum Beispiel hat seinen dürren „Monsieur Hyck“ in das winzige Gotteshaus von Alt-Kladow geholt. Der skelettartige, grob gearbeitete Holzjunge lümmelt sich auf einer Kirchenbank, den Arm hat er leger über die Lehne gelegt, ein Fuß steht auf dem Sitz. Er provoziert, mag so gar nicht in den Raum passen. An der Wand hängt ein Skelett aus Holz. Weiter vorne zwei einfarbige Druckgrafiken. Sie zeigen einen Kirchenmann und ein weltliches Oberhaupt in prächtiger Kleidung – und ihr durchschimmerndes Skelett, in das sie sich einmal verwandeln. Die Lebenden werden die Toten sein, eine sehr prägnante Art, Vergänglichkeit darzustellen. Lipits Knochenmenschen würden an keinem Ort besser wirken als in solch einer schlichten Kirche. Eine spannende Ausstellung, die man alles andere als schwermütig verlässt. Man ist vielmehr erleichtert, der Einladung des Todes bisher entgangen zu sein.Marion Hartig Vernissage Freitag 19.30 Uhr, geöffnet Sa, So 14 bis 19 Uhr

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