Kultur: Pralle Referenz an neue Zeit
Fachtagung zu Ludwig Persius mit internationaler Besetzung
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Fachtagung zu Ludwig Persius mit internationaler Besetzung Zwischen Klein Glienicke auf Berliner Seite und dem Park Babelsberg scheinen Welten zu liegen. Hier englischer Tudor-Stil, neugotisch, dort ein Landhaus nach italienischer Art, klassizistisch – das Schloss Glienicke. Und doch gehört die ganze Anlage diesseits und jenseits der Havel zusammen. Lenné und Fürst Pückler-Muskau besorgten die offenen Flächen, Schinkel, vor allem dann Persius kümmerten sich um die Architektur. Und merkwürdig genug: Ausgerechnet die ach so rückwärts gerichtete Romantik verhalf dem Fortschritt zum notwendigen Durchbruch. Schrittmacher war Friedrich Wilhelm IV., welcher 1842 Friedrich Ludwig Persius zum „Architekten des Königs" bestallte. Dessen Lebenswerk widmeten die Potsdamer URANIA und die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg am Wochenende eine so interessante wie ausführliche Fachtagung mit internationaler Besetzung. Architekten und Denkmalpfleger, Vertreter der unterschiedlichsten Hochschulen und Universitäten Deutschlands sowie ein interessiertes URANIA-Publikum füllten die kleine Orangerie am Schloss Glienicke bis zum letzten Platz. Ein Ort, an dem sich auch eines der Themen dieses Treffens gut studieren ließe, Erhalt „vaterländischer Denkmäler“ oder zweckdienlicher Umbau: Ludwig Persius (1803-1845) errichtete sie 1839 nach Plänen seines Lehrers Karl Friedrich Schinkel, 1981 „rekonstruierte“ man den Zweckbau. Zum Tagungsprogramm gehörte eine Fülle von Vorträgen, ergänzt durch Exkursionen zum Schloss Babelsberg (wo derzeit die große Persius-Ausstellung zu sehen ist) und zu anderen Stätten seines Wirkens. Dem Freitagvormittag gehörte der Themenkomplex „Ludwig Persius im Kontext seiner Zeitgenossen", welchen die Berlinerin Eva Börsch-Supan mit dem provokanten Hinweis auf Persius'' „anspruchs-lose Meisterschaft“ eröffnete. Allerdings sagt man Friedrich Wilhelm IV. und seinem Star-Architekten „kongeniales Zusammen-wirken“ nach, August Stüler hingegen gilt eher als Erfüllungsgehilfe des „Romantikers auf dem Thron“. Das nun sei, wie es wolle, keine andere Kunst ist ja so eng mit der Macht verknüpft wie die des Bauens. Frankreichs „schweigende Architektur“und Italien hat Ludwig Persius selbst gesehen, bevor er 1845 unverhofft verstarb. England freilich nicht. Er musste also, um das für Prinz Wilhelm (I.) bestimmte „Babelschlösschen“ zu vollenden, auf Skizzen Schinkels und solche seines reisefreudigen Königs zurückgreifen. Zugleich war er, wie ein Vortrag von Andreas Meinecke (Kleinmachnow) am Beispiel der Klosterruine Chorin zeigte, des Königs erster Denkmalpfleger, bestellt, die „vaterländischen Denkmäler“ zu erhalten, was im Fall der Belziger Burg Eisenhardt zu mancherlei Zwist zwischen König und Baubehörden führte. Wie Persius den „Fortschritt“ zu ästhetisieren gedachte, schilderte ein sensationeller Vortrag des Aacheners Jan Pieper am Beispiel der königlichen Dampfmaschinenhäuser, besonders jenes an der Glienicker Lake gelegene. Jetzt versteht man, warum es die Herrschaft und ihre Architekten so ins kunsthistorisch eher dürftige England zog: Der industrielle Fortschritt, die rasante Entwicklung von Maschine und Fabrik schlug auch Romantiker stark in Bande. Versteckte man die ersten Aggregate noch in der Architektur (Pfaueninsel), so zeigt das Maschinenhaus an der Glienicker Lake, in Verbindung mit Babelsbergs Tudor-Schloss, die pralle Referenz an die neue Zeit, freilich mit einem romantischen Seufzer. Das 40-PS Gerät wurde von Schinkel gleichsam im Salon placiert, das Schwungrad rollte über zwei Etagen, und den Fliehkraftregler montierte Persius, ähnlich der „Moschee“ („wenn das nicht sakral ist“) als zentralen Blickfang für die herrschaftlichen Besucher, die sich am entstehenden Lichtspielen und der scheinbar gefesselten Naturkraft erfreuen sollten. Sausende Pleuel, Rotation, serielle Bewegung – schon damals faszinierte die Technik. Freilich ist der Entwurf wie „Metropolis“ angelegt: Unten die Maschine, oben Kavalier- und ein englisches Teezimmer mit Ausblick ins Land, und dem Spruch: „Respektieren Sie meine Ruhe“. Einerseits ephemerisch genutztes Spielzeug des Adels, andererseits eine „Inszenierung der Notwendigkeit" - auch Preußen kam, mit 20-jähriger Verspätung, an der von England und Frankreich her aufschäumenden industriellen Revolution nicht vorbei. Axel Föhl, Deutschlands erster Industrie-Denkmalpfleger, berichtete, wie zügig man dort schon Ende des 18. Jahrhunderts den Baustoff Holz substituierte: Fabriken, ein Schiffskanal über einer Wiese, die erste Brücke (1779), schließlich sogar die erste gusseiserne Kirche der Welt. Alles bereitete die „Ästhetik des Maschinenzeitalters“ vor. Der „Architekt des Königs“, Italien träumend und „englisch“ bauend, war ihr Wegbereiter, doch eigentlich der Monarch selbst. So bindet die Havel, was zusammengehört: Englands industrielle Fortschritts-Idee – und die Herkunft des Bauens aus dem Geiste des „Klassikers“ Schinkel. Gerold Paul
Gerold Paul
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