Kultur: Spielfreude und Herzblut
Neues Kammerorchester feiert heute 10-Jähriges
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Die Reise durch Europa geht zu Ende. Nach Frankreich, Russland, Ungarn, Tschechien, England und Norwegen wird heute Spanien angesteuert. Die Fahrt dorthin ist eine relativ kurze. Sie endet nämlich in Potsdams Erlöserkirche in der Brandenburger Vorstadt. Dort kann man musikalisch das Land näher unter die Lupe nehmen und sich an ihm erfreuen. Als eine der bekanntesten Gestalten, die man mit Spanien verbindet, haben Dirigent Ud Joffe und das Neue Kammerorchester Potsdam den „Ritter von der traurigen Gestalt“ Don Quixote gebeten, sich als „Begleiter“ zur Verfügung zu stellen. Und so darf man einen humoristischen Ritt quer durch den Roman von Cervantes erleben, der mit Musik verschiedener spanischer Komponisten gewürzt wird. Dabei erwartet den Zuhörer natürlich auch die köstliche Episode, in der der Ritter aussichtslos gegen die so mächtigen Windmühlen kämpft.
Gegen finanzielle Windmühlen musste auch so manches Mal das Neue Kammerorchester, das ein Ensemble von „Musik an der Erlöserkirche“ e.V. ist, ankämpfen. Denn abgesehen von sporadischen Projektförderungen seitens der Kommune ist der Klangkörper von festen öffentlichen Fördermitteln bisher ausgeschlossen. Und doch haben Ud Joffe und der Trägerverein unter dem Vorsitz des hoch engagierten Christian Seidel immer wieder die Musiker, die in anderen Orchestern in Berlin und anderswo zumeist freiberuflich tätig sind, ermutigt, trotz geringer Honorare weiterzumachen. Letztendlich zählen die Qualität sowie der Erfolg. Und beides kann man in eindrucksvoller Weise wahrnehmen, seit nunmehr zehn Jahren. Der heutige Spanien-Abend, der neben den musikalischen und literarischen Don-Quixote-Episoden (Erzähler: Hans-Jochen Röhrig) auch Kompositionen von Joaquin Rodrigo mit Liat Cohen, Gitarre, bereithält, ist also auch ein Geburtstags-Konzert.
In bewegenden Umbruchszeiten wurde das Neue Kammerorchester Potsdam gegründet. Die zehn Jahre aber hatten auch eine Spannung inne, die man nicht so schnell vergisst. Die bei Stadt- und Landespolitikern ungeliebte Brandenburgische Philharmonie Potsdam wurde abgewickelt. Neu zu gründende Klangkörper mit bedeutend weniger Personal kamen ins Gespräch. Ein Kammerorchester, das nicht so kostenaufwendig ist wie die Philharmonie, sollte künftig in der Landeshauptstadt für den instrumentalen Teil von Musik „verantwortlich“ sein. Außerdem sollte es sich im neuen Nikolaisaal etablieren.
Mehrere Initiativen von Musikern bewarben sich als Hausorchester des Nikolaisaals in freier Trägerschaft. Schließlich war ihm ja eine ständige Förderung seitens der Kommune in Aussicht gestellt. Auch Ud Joffe wollte gemeinsam mit ehemaligen Mitgliedern der Brandenburgischen Philharmonie den nicht sehr fetten Finanz-Kuchen genießen. Doch Sieger in diesem manchmal unerfreulichen „Kampf“ wurde die Kammerakademie Potsdam, die sich größtenteils aus Mitgliedern des Berliner Oriol-Ensembles und des Potsdamer Persius-Ensembles zusammensetzte.
Das Neue Kammerorchester wurde jedoch trotz mancher Geldsorgen zu einem wichtigen Klangkörper in der Landeshauptstadt. Gleich von seinem ersten Konzert am 20. März 2001 an wusste die „ lebendige und akzentbetonte Musizierhaltung zu gefallen“, wie ein Musikkritiker dieser Zeitung schrieb. Davon ist das Ensemble bei keinem seiner Auftritte abgewichen. Mit seinen fünf eigenen abwechslungsreichen Konzerten, die auch im Abonnement erhältlich sind und mit der verlässlichen Partnerschaft als Mitwirkender in Oratorien- und Kantatenaufführungen hat das Orchester einen großen Freundeskreis gewinnen können. In der Erlöserkirche, in der Friedenskirche, im Nikolaisaal oder bei den Musikfestspielen Potsdam Sanssouci konnte man sich von der Spielfreude und dem persönlichen Herzblut der Musiker und des Dirigenten Ud Joffe überzeugen.
Nicht nur in Potsdam wird das Neue Kammerorchester geschätzt, sondern auch in Berlin, Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern. International bekannte Solisten lassen sich gern vom Kammerorchester einladen, wissend, dass man mit dessen Konzerten nicht reich werden kann. Doch reiche menschliche und musikalische Begegnungen und Erfahrungen sind jederzeit mitzunehmen. Die schätzt auch das Publikum an dieser freien Orchesterinitiative seit nunmehr zehn Jahren.
Konzert des Neuen Kammerorchesters Potsdam heute um 19.30 Uhr in der Erlöserkirche. Leitung: Ud Joffe.
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