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Den Kanzler im Blick. Eine Besucherin betracht eine Büste von Karl August von Hardenberg.

©  Andreas Klaer

Von Klaus Büstrin: Was ihm am Herzen lag

Ausstellung über Preußens Staatskanzler Karl August von Hardenberg im Kutschstall

Stand:

Das Herz erfuhr eine besondere Bestattung. Auf der Rückseite des Altartisches der Schinkel-Kirche in Neuhardenberg wird es aufbewahrt, das Herz des Staatskanzlers Karl August von Hardenberg (1750-1822). In eine Bleikristallschale wurde es vor 187 Jahren gelegt, später jedoch „umgetopft“ in ein Laborgefäß. Der Schriftsteller Durs Grünbein schrieb: „So erstaunlich sein Erhaltungszustand ist, es geht etwas unsagbar Tristes von diesem vertrockneten und seltsam aufgeblähten Herzen aus, ein primitiver Schauder, wie ihn Schrumpfköpfe erzeugen oder die Kopfhauttrophäen indianischer Skalpjäger“.

Das Herz des Kanzlers Hardenberg – seitdem es nicht mehr schlägt – ist also stumpf und nichtssagend. Aber für wen und für was hat es zu seinen Lebzeiten geschlagen, kann man in einer Ausstellung im Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte am Kutschstall in Erfahrung bringen. Dort wurde am gestrigen Donnerstag die Ausstellung „Revolution von oben! Preußens Staatskanzler Karl August von Hardenberg“ im Rahmen des diesjährigen Themas von Kulturland Brandenburg „Freiheit. Gleichheit. Brandenburg. Demokratie und Demokratiebewegungen“ eröffnet. Hardenbergs Herz, das ist gewiss, hing an Frauen – dreimal war er verheiratet und dreimal geschieden –, an einem Leben voller Reichtum und Glanz. Ob er Bücher und Kunst nur zur Repräsentation sammelte, muss offen bleiben. Und die Politik, die Diplomatie, die von ihm konzipierten Reformen in Preußen? Hat er sie mit dem Herzen in Gang gesetzt oder sie als eine notwendige Offensive angesehen, eine Revolution wie sie in Frankreich 1789 geschehen, rechtzeitig zu verhindern? Beides hat sicherlich seine Berechtigung.

Karl August von Hardenberg – vielen heute unbekannt – war ein bedeutender Staatsmann, ein facettenreich-faszinierender Zeitgenosse von Napoleon und Goethe, ein enger Vertrauter der Königin Luise und geschätzt als Politiker von seinem Dienstherrn, König Friedrich Wilhelm III. Er wurde neben dem Freiherrn von und zum Stein der andere große Reformer Preußens.

Die Kuratoren der Ausstellung im Kutschstall, Anne-Katrin Ziesak und Andreas Bernhardt, sind auf Lebens- und Wirkungsspuren des Staatskanzlers gegangen und zeichnen in 13 Kapiteln ein spannendes Porträt. Natürlich kommen sie ohne Texttafeln nicht aus, zumal der Besucher mit keinen Katalog nach Hause gehen kann. Aber man muss sich in der Schau keinen ellenlangen Texten hingeben. Kurz und sehr informativ wurden sie verfasst. 100 Exponate aus Museen, dem Geheimen Staatsarchiv und von der Familie Hardenberg machen die Ausstellung anschaulich: Originalgemälde von Johann Heinrich Schröder, Francois-Josephe Kinson und Johann Lorenz Kreul, Teile aus dem 1945 bei der Plünderung von Schloss Neuhardenberg verloren gegangenen Service Arabesque (1784) aus der französischen Porzellanmanufaktur Sevres oder der bronzene Tafelaufsatz mit Leuchtern (1815), die der französische Künstler Pierre-Philippe Thomiere im Auftrage der Stadt Paris anfertigte.

Karl August von Hardenberg wurde auf dem Gut Essenrode, zwischen Braunschweig und Gifhorn gelegen, geboren. Beamter sollte er werden und er wurde es. In seiner Heimat, im Hannoverschen, erwarb er sich bereits als junger Mann den Ruf eines Reformers. Die Abschaffung der Leibeigenschaft, die Deregulierung der Wirtschaft sowie die Schaffung einer schlankeren Exekutive war sein Ziel. 1792 wechselte er in die Markgrafschaft Ansbach-Bayreuth, um als „Vice-König“ die Verwaltung des an Preußen gefallenen Fürstentums zu reformieren. Sein politischer Gestaltungswillen kam in Berlin den Mächtigen zu Ohren. Man holte ihn in die Hauptstadt als Außenminister. Nach der preußischen Niederlage gegen Napoleon wurde er auf Veranlassung des französischen Kaisers jedoch aus seinem Amt entlassen. Während des Exils in Riga verfasste er 1807 die „Denkwürdigkeiten“. Dabei machte Hardenberg Vorschläge zur Neuorganisation des preußischen Staates mit Reformvorschlägen, die eine Monarchie mit Freiheitsrechten und demokratischen Elementen ermöglichen sollten. Eine „Revolution von oben“ sollte mit der Abschaffung ständischer Vorrechte, der Einführung der Gewerbefreiheit, der Aufhebung der Erbuntertänigkeit herbeigeführt werden. Außerdem hatte er die Idee einer „Nationalrepräsentanz“, eine Art Parlament. Die Rigaer Schrift mit den Schriftzügen Hardenbergs ist in der Ausstellung ausgelegt, auch die in Schönschrift abgeschriebene Ausfertigung für Friedrich Wilhelm III. Im „Denkraum“ sind wichtige Leitsätze aus den „Denkwürdigkeit“ auf die Wände projiziert.

1810 wurde er Staatskanzler. Ihm wurde alle Macht gegeben, nur der König konnte von seinem Vetorecht Gebrauch machen. Beim Wiener Kongress 1815 spielte er eine wichtige Rolle. Sein immerwährender Kampf, Preußen eine Verfassung zu geben, blieb ihm aber verwehrt.

Immer wieder wird Hardenberg mit Krankheiten belastet. Er stirbt 1822 in Genua. Sein Leichnam wird nach Neuhardenberg gebracht. Das Herz in der Kirche extra bestattet. In einer Bleikristallschale. In der Ausstellung hat sie einen Platz gefunden. Natürlich leer.

Die Ausstellung „Revolution von oben“ ist bis 4. November, dienstags bis freitags, 10 bis 17 Uhr, samstags und sonntags und an Feiertagen, 10 bis 18 Uhr, geöffnet

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