Es ist das erste Mal, dass sich Israelis und Palästinenser im zeitgenössischen Tanz auf der Bühne vereinen. Ein äußerst fragiles Projekt – seit Beginn der Proben. Und jetzt verletzte sich kurz vor dem Abflug zur Deutschlandpremiere auch noch einer der vier Darsteller so schwer, dass er ins Krankenhaus musste. Doch Arkadi Zaides kann wieder durchatmen. In letzter Minute fand der Choreograf aus Tel Aviv in Berlin einen Tänzer, mit dem er bereits früher zusammengearbeitet hat und der kurzerhand beim Gastspiel von „Quiet“ am Sonntag in der fabrik einspringt.
„Es erforderte viel Wachsamkeit und Sensibilität, dass sich beide Seiten in der Inszenierung wiederfanden“, sagt der Choreograf im Rückblick auf das inzwischen in Israel gefeierte Stück. Er musste nicht nur gegen innere, sondern auch äußere Spannungen angehen. So war eine Aufführung in Palästina bislang nicht möglich. Man müsse auch genau definieren, um welche Palästinenser es sich bei den Mitwirkenden handelt, betont Arkadi Zaides. Er arbeite mit zwei Arabern, die in den Grenzen von Israel leben. „Eine Kooperation mit Palästinensern aus Gaza oder der Westbank wäre nicht möglich gewesen.“ Tänzer für sein ambitioniertes Projekt konnte Arkadi Zaides auf Palästinenser-Seite nicht finden. „In der muslimischen Religion steht diese Kunst erst ganz am Anfang.“ Also engagierte er zwei Schauspieler. Und die werden in der Inszenierung auch arabisch sprechen, während die Israelis „nur“ tanzen. „Wir wollten, dass die Araber zu hören sind, gerade weil sie in Israel eine Minorität darstellen.“
Wie die Hochs und Tiefs in der Politik werden sich auch die vier Männer in ihren emotionalen Landschaften wellenförmig durch die Choreografie bewegen, die Hochs und Tiefs ihrer eigenen Geschichte spiegeln. „Wobei die Welle zugleich ein Symbol der Verbindung ist: für das Meer und die Küste als einen gemeinsamen Ort, den sich mehrere Länder teilen.“
Wie in all seinen gesellschaftlich und politisch untersetzten Projekten hat Arkadi Zaides keine Bewegungen vorgegeben. Durch Improvisation wurde das Eigene der Darsteller mobilisiert: die Körper antworten emotional auf die komplizierte Situation, in der sie leben. Dabei wirkten Dokumentarfotos, die zeigen, welche tiefen Gefühle Körper in sich tragen können, wie ein „Türöffner“, erzählt Zaides über seine Arbeitsweise. Er selbst hat sein Bewegungsvokabular bei verschiedenen Companien geschult, vor allem bei der renommierten Batsheva Dance Company, in der er den Gaga-Stil kennenlernte, der auch die kleinsten Teile des Körper wach ruft.
Mit elf Jahren kam er mit seinen Eltern nach Israel, die in der diktatorisch regierten Heimat Weißrussland keine Chance für sich sahen. Die Ursprünge ihres Judentums hatten sie wie die meisten Familien „vergessen“ und sich zum Atheismus bekannt. Der erste Eindruck, den Arkadi Zaides von Israel hatte, war das helle Licht. „Es ist für mich bis heute metaphorisch.“
Doch erst jetzt, nach „Quiet“, hatte er das Gefühl, zu diesem Land wirklich dazuzugehören. „Es war eine extreme Berührung.“ Und nun wird dieses Stück das erste Mal auch außerhalb Israels zu sehen sein: bei den Tanztagen. Heidi Jäger
Sonntag und Montag, jeweils 20 Uhr.
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