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Potsdam-Mittelmark: Apfelschwemme aus Polen befürchtet

Durch russisches Embargo fallen hierzulande die Preise für Obst. Werderaner Bauern in Sorge

Von Eva Schmid

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Werder (Havel)/Potsdam - Das russische Importverbot für europäische Lebensmittel bekommen auch Obstbauern aus Werder zu spüren. Polen, Europas größter Apfelproduzent und wichtigster Obst- und Gemüselieferant Russlands, sucht nach neuen Absatzmärkten. Die üppigen Erträge der polnischen Plantagen könnten den deutschen Markt überschwemmen.

„Es wird zu einem sehr hohen Angebotsdruck kommen“, sagte Andreas Jende, Chef des Gartenbauverbandes Berlin-Brandenburg, den PNN. Auch Obstbauern aus dem Potsdamer Umland müssten sich in diesem Jahr auf drastische Einbrüche bei den Erlösen gefasst machen. Zum Teil könnten die Preise so weit sinken, dass die Verluste für manche Betriebe nicht mehr zu kompensieren seien, sagte Jende. „In manchen Verarbeitungsbetrieben ist der Preis für ein Kilo Äpfel von 28 Cent auf 12 Cent gesunken.“

Nicht nur bei den Äpfeln befürchtet Jende ein Überangebot, auch Gemüse wie Rote Beete, Zwiebeln und Kohl könnten vermehrt aus dem östlichen Nachbarland geliefert werden. „In Polen hat man sich auf die Russen ausgerichtet und baut Gemüse an, das zu Borschtsch verarbeitet wird“, so Jende. Der russische Boykott trifft auch Spanien und die Niederlande, die ähnlich wie Polen große Mengen ihrer Ernte nach Russland exportieren. „Bei den Pfirsichen und Nektarinen zeigt sich bereits, dass der Absatz sich staut.“ Jende hofft auf eine baldige Lösung der politischen Krise und einer damit verbundenen Aufhebung des Embargos.

Als Reaktion auf die Sanktionen der EU und der USA hat Russland ein Einfuhrverbot für westliche Agrar-Erzeugnisse verhängt. Darunter fallen neben Obst und Gemüse auch Fleisch-, Fisch- und Molkerei-Produkte. Bis dato gingen rund zehn Prozent aller Agrarexporte aus der Union nach Russland. Die EU will jetzt die vom Boykott betroffenen Landwirte wie berichtet mit 125 Millionen Euro unterstützen.

In Werder steht man kurz vor der Apfelernte, mit der Krise in der Ukraine verschärft sich die Konkurrenz – die Werderaner Obstbauern beobachten mit Spannung die weiteren Entwicklungen. „So eine Situation hatten wir noch nie“, sagte der Geschäftsführer des Werderschen Obst- und Gartenbauvereins, Stefan Lindicke. Man müsse abwarten, in welchen Größenordnungen die polnischen Landwirte ihre Waren nach Deutschland liefern würden. „Wir wollen uns nicht verrückt machen lassen – am Ende haben es die Kunden in der Hand, ob sie Obst und Gemüse aus Deutschland kaufen wollen“, so Lindicke. Während die größeren Betriebe, die ihr Obst über einen zentralen Vermarktungsbetrieb in die Supermarktketten liefern, unter starken Preisdruck geraten würden, könnten die kleineren Familienbetriebe verschont bleiben. „Ihr Vorteil ist die Direktvermarkter“, so Lindicke. Zudem hätten sie ihre Stammkunden, die auf regionales Obst setzen. Den Supermarktketten sei es hingegen egal, woher das Obst komme. Lindicke schätzt, dass sich der Preis für ein Kilo Äpfel auf dem Wochenmarkt zwischen 1,50 Euro und 1,70 Euro einpegeln könnte.

Das Jahr könnte für viele Obstbauern besonders schwierig werden, weil man in den letzten Jahren verwöhnt gewesen sei. Laut Lindicke konnten zuvor durch geringe Erntemengen höhere Preise erzielt werden. „Einen Puffer konnten wir uns aber nicht anlegen“, sagte Thomas Giese von der Havelfrucht GmbH. Er gehört zu den Großbetrieben in Werder, die das Obst an den Handel verkauft. „Es bestehen schon Ängste, dass die Preise in den Keller gehen – aber soll ich jetzt meinen Kopf in den Sand stecken?“ Noch seien keine Äpfel geerntet worden, man müsse abwarten, wie es weitergeht, so Giese. Verärgert ist er dennoch, weil die Politik so oft auf dem Rücken der kleinen Branchen Konflikte austrage. Der Chef von Havelfrucht, der auf 180 Hektar Äpfel, Kirschen und Sanddorn anbaut, macht sich auf enorme Preiseinbrüche gefasst.

Auch Lutz Kleinert vom Obstgut Marquardt rechnet als Direkterzeuger mit Einschnitten. „Die werden uns zwar nicht sofort treffen, dennoch bekommen wir sie zu spüren.“ Der Berliner Großmarkt ist ganz in der Nähe vom Nachbarland Polen: „Bisher haben wir von dem Berliner Großstadtgebiet profitiert.“ In Marquardt würden regelmäßig viele Berliner zur Selbstpflücke kommen. „Doch wenn die Preise im Handel purzeln, müssen wir jetzt mit Fingerspitzengefühl unsere Preise gestalten“, so Kleinert. „Der Boykott schlägt sich, wenn auch nur indirekt, auch bei uns nieder.“

In Polen reagiert man auf das russische Embargo mit kreativem Protest: Mit dem Slogan „Iss Äpfel gegen Putin!“ rufen via Twitter seit Wochen prominente Polen zum demonstrativen Verzehr heimischer Äpfel auf. Auch der österreichische Landwirtschaftminister hat seine Landsleute zum Verzehr von Äpfeln aufgerufen, um die Einbußen für österreichische Obstbauern abzumildern.

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