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Hansi Flick wird langsam zum richtigen Katalanen.

© Imago/NurPhoto

Barcelonas Trainer im Clásico gesperrt: Die bemerkenswerte Transformation des Hansi Flick

Aus dem trockenen Teutonen bricht es in dieser Saison beim FC Barcelona immer wieder heraus. Auch, weil es noch nicht optimal läuft. Und ausgerechnet jetzt wartet Real Madrid.

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Die ganze Woche lang hatte man sich beim FC Barcelona noch Hoffnung gemacht. Doch am Freitagabend kam die endgültige Bestätigung vom spanischen Sportgericht: Die Rote Karte, die Hansi Flick am vergangenen Sonntag gesehen hatte, hat auch nach Einspruch weiterhin Bestand. Wenn seine Mannschaft am Sonntag beim ersten Clásico der Saison im Bernabéu gegen Real Madrid aufläuft (16.15 Uhr/Dazn), wird der Deutsche auf der Tribüne sitzen müssen.

Hintergrund dafür ist eine Szene, die viele als sinnbildlich für Flicks Entwicklung im zweiten Jahr bei Barcelona sehen. In einer emotionalen Schlussphase beim katalanischen Derby gegen den FC Girona geriet Flick in eine verbale Auseinandersetzung mit dem Schiedsrichter und sah dafür zweimal innerhalb weniger Sekunden die Gelbe Karte.

Als Ronald Araujo ein paar Sekunden später das Siegtor gelang, rannte der Trainer jubelnd zurück aufs Feld und schlug sich zweimal mit der linken Hand auf den rechten Arm.

Das Timing der Sperre hätte natürlich kaum schlechter sein können. Denn vor dem Traditionsduell am Sonntag steht Barça ohnehin unter Druck. Der Oktober verlief bisher durchwachsen, mit Niederlagen gegen Paris Saint-Germain und Sevilla und dem eher schmeichelhaften Sieg gegen Girona.

Im Titelrennen liegen die Katalanen nun zwei Punkte hinter Madrid. Im Bernabeu muss ein Erfolg her. Doch der Mann, der seine bisher vier Clásicos als Barça-Trainer alle gewonnen hat, darf diesmal nur zuschauen.

In Barcelona nimmt ihm das trotzdem keiner übel. Vielmehr wird Flicks Ausbruch gefeiert, und zwar als Zeichen, dass er in seine Wahlheimat nun endgültig angekommen ist. So machte sich Barcas Vizepräsident Rafa Yuste über die obszöne Jubel-Geste lustig, die in Katalonien „Butifarra“ nach der regionalen Wurstspezialität genannt wird. „Das ist ein typisches katalanisches Gericht. Es zeigt, dass Flick gut integriert ist“, scherzte er.

Er ist nicht der Einzige, der beim deutschen Trainer eine bemerkenswerte Transformation wahrnimmt. In seinem ersten Jahr in Spanien galt Flick als trockener Teutone, der sich kaum erregen ließ und mit Zurückhaltung, Spaß und Demut eine neue Fußballkultur kennenlernte. In dieser Saison erlaubt er sich als amtierender Meister und Pokalsieger mehr Emotionalität. Spanien, so der allgemeine Konsens, hat Flick verändert.

Dieses Jahr lässt sich Flick nichts mehr gefallen. Wo es vorher Gelassenheit, Mäßigung und Selbstkorrektur gab, sieht man nun Spontaneität und ein viszerales Verhalten.

Die Sportzeitung „Marca“ über Hansi Flick

„Der neue Hansi Flick“, titelte etwa die Sportzeitung „Marca“ am Anfang der Woche. „Dieses Jahr lässt sich Flick nichts mehr gefallen. Wo es vorher Gelassenheit, Mäßigung und Selbstkorrektur gab, sieht man nun Spontaneität und ein viszerales Verhalten“, schrieb die Zeitung.

Auch die Barça-nahe Zeitung „Sport“ sieht das ähnlich. „Hansi Flick sprengt gerade den Rahmen seiner Persönlichkeit und wirkt immer mehr infiziert von der mediterranen Luft, die er nun jeden Tag atmet“, hieß es dort. „Das zeigt sich in der Leidenschaft, mit denen er die Spiele verfolgt.“

In der Vorsaison gewann Flick alle vier Duelle mit Real

Nun könnte man meinen, dass es schon immer diese Seite vom Barca-Trainer gab. Sein menschlicher, fast väterlicher Umgang mit den Spielern galt schon immer als Flicks große Stärke und sowohl als Bundestrainer als auch beim FC Bayern konnte er sich auf Pressekonferenzen durchaus empfindlich zeigen. Nun, wo er mit einer Verletzungswelle und ein paar Niederlagen zu kämpfen hat, sieht man das auch erstmals in Barcelona.

Dass bei ihm alle Dämme brechen wie am vergangenen Sonntag, ist jedoch auch für den 60-Jährigen selbst etwas Neues. Auf einer Pressekonferenz diese Woche zeigte er Reue und versprach, sein Verhalten zu ändern. Eine Erklärung lieferte er auch gleich mit:. „Dieser Klub hat mich komplett verändert“, sagte er und meinte damit die Liebe, die er zum FC Barcelona entwickelt hat.

Beim bisher emotionalsten Spiel der Saison muss er nun hoffen, dass ihm sein Ausbruch nicht zum Verhängnis wird. Vor dem ersten Clásico der Saison ist die Stimmung zwischen den beiden Rivalen ohnehin schon angeheizt, in der Woche fiel vor allem Barcelonas Lamine Yamal mit provokantem Trashtalk auf. Nach vier Niederlagen in Folge werden die Madrider von Xabi Alonso wohl besonders motiviert sein.

Da passt es vielleicht, dass Flick nun von seinem Assistenten Marcus Sorg an der Seitenlinie vertreten wird. Denn ein bisschen teutonische Trockenheit wäre im Hexenkessel des Estadio Santiago Bernabeu vielleicht gar nicht so verkehrt.

Die Emotionalität des Neu-Spaniers Flick wird trotzdem fehlen. „Hansi wird immer vermisst, wenn er nicht da ist“, sagte Sorg am Samstag. „Er ist der wichtigste Teil der Mannschaft.“

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