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Englands Georgia Stanway (re.) hat noch nicht zu ihrer alten Stärke zurückgefunden.

© IMAGO/HMB-Media

„Billiges Eins-gegen Eins-Verhalten“: Titelverteidiger England ist noch nicht in EM-Form

Der Auftritt des Europameisters gegen Frankreich hinterlässt einige Fragezeichen. Um sich in der schwierigsten Gruppe durchzusetzen, müssen die Engländerinnen sich schnell steigern.

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Trainerin Sarina Wiegman sprach von einer großen Enttäuschung, der „Guardian“ von einem holprigen Start und auch „BBC Sport“ sparte nicht an Kritik an den englischen Fußballerinnen. Alle waren sich einig, dass die insgesamt schwache Leistung gegen Frankreich verdientermaßen in Zürich zu einer 1:2-Niederlage geführt hatte. Schon nach einem Spiel bei der EM steht Wiegmans Team damit unter Druck. Da die Niederlande zuvor 3:0 gegen Wales gewonnen hatten, braucht es am Mittwoch im Duell mit den Holländerinnen eigentlich einen Sieg.

Nach wie vor gilt England als Favorit, der Auftritt am Samstagabend hinterlässt jedoch einige Fragezeichen. Dass die Französinnen gewannen, ist nicht unbedingt eine Überraschung. Immerhin überzeugten sie zuletzt schon mit ihrer spielerischen Art und verfügen über einen der besten Kader des Turniers. Dass das englische Team aber phasenweise derart unterlegen war, war nicht zu erwarten gewesen.

Zwar mussten Wiegmann und ihre Spielerinnen einige Nebengeräusche vor dem Turnier wegmoderieren, nachdem es zu internen Diskussionen über den Kader gekommen war, dennoch strotzt das Team nur so vor fußballerischer Qualität.

Gegen Frankreich offenbarte sich aber, dass Sarina Wiegman möglicherweise zwei Spielerinnen zu früh zu viel zugemutet hat. Lauren James und Georgia Stanway reisten beide trotz gerade erst überstandener Verletzungen in die Schweiz und spielten gegen Frankreich zudem von Anfang an im zentralen Mittelfeld.

Während James in der guten Anfangsphase der Engländerinnen mit einem starken Dribbling das vermeintliche 1:0 durch Alessia Russo eingeleitet hatte, das nach Ansicht der Videobilder wegen einer Abseitsposition aberkannt worden war, zeigte Stanway ungewöhnlich viele Abspielfehler.

Auch ihre Physis war nicht auf dem von ihr bekannten hohen Level, sodass Frankreich im Mittelfeld ab der 20. Minute dominierte. „Wir haben zu viele kurze Pässe gespielt, wodurch Frankreich in gute Pressingsituationen kam. Sie haben darauf gelauert und wir müssen in solchen Situationen näher am Ball sein und schneller spielen“, sagte Wiegman.

Ein erster Abspielfehler durch Stanway führte in der 36. Minute zum 1:0 durch Frankreichs Marie-Antoinette Katoto, die nach einer Hereingabe von Delphine Cascarino nur noch den Fuß hinhalten musste.

Körperlich war es für England nicht einfach, da wir oftmals direkt in die Tiefe gespielt haben.

Laurent Bonadei, Trainer der französischen Nationalmannschaft

Es war eine der vielen Situationen, in denen Frankreichs Flügelstürmerinnen die Außenverteidigerinnen Lucy Bronze und Jessica Carter auf der anderen Seite völlig problemlos überliefen. „Körperlich war es für England nicht einfach, da wir oftmals direkt in die Tiefe gespielt haben“, sagte Laurent Bonadei, Trainer der französischen Nationalmannschaft. Englands Kapitänin fand noch deutlichere Worte und sprach von einem „billigen Eins-gegen-Eins-Verhalten“.

Bitter aus Sicht der Engländerinnen: Der zweite Gegentreffer fiel nur drei Minuten später. Erneut hatte sich England in zentraler Position einen Fehler erlaubt, und wieder zeigte sich Frankreich hellwach. Maëlle Lakrar eroberte gegen Russo den Ball und bediente die schnelle Sandy Baltimore, die sich mit etwas Glück durchsetzte und dank der unbeabsichtigten Vorlage von Bronze sehenswert das 2:0 erzielte.

England mit erschreckend schwacher Offensive

Nach dem Seitenwechsel fand England weiterhin keine Lösungen gegen das starke Pressing Frankreichs und präsentierte sich auch in der Offensive erschreckend ungefährlich. Es dauerte geschlagene 86 Minuten, bis die eingewechselte Ella Toone zum ersten Mal einen Schuss abgab, der aufs Tor von Pauline Peyraud-Magnin ging. Die anschließende Ecke führte schließlich zum Anschlusstreffer durch Keira Walsh. England ist nicht gerade dafür bekannt, spektakulären Fußball zu spielen, unterstrich mit dem Tor aber seine Effizienz.

In Turnierform ist das englische Team dennoch nicht, zumindest nicht in einer solchen, in der man mit den Topteams dieser EM mithalten könnte. Um sich in der schweren Gruppe D durchzusetzen, braucht es also eine deutliche Leistungssteigerung. Die Zeit, sich zu finden, ist allerdings abgelaufen.

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