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England siegte mit seinem unbändigen Glauben und der nötigen Verbissenheit.

© IMAGO/Beautiful Sports

Diese Rivalität ist noch nicht auserzählt: England und Spanien sind der Maßstab für alle anderen

Der Frauenfußball an Europas Spitze wird nicht länger nur durch finanzielle Möglichkeiten entschieden, sondern durch Nuancen, Haltung und Spielerinnen, die auf den Punkt da sind.

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Es war eigentlich als die Krönung einer goldenen Generation angedacht gewesen. Ein Abend, an dem die beste Mannschaft des Turniers auf den Weltmeistertitel den Triumph bei einer Europameisterschaft folgen lassen sollte.

Eine Annahme, die darauf fußte, dass Spanien bei dieser EM in der Schweiz, sofern es wollte, fußballerisch eine Stufe besser als alle anderen spielte. „Ich glaube, dass wir besser waren. Aber Fußball ist ein Sport, wo nicht immer die beste Mannschaft gewinnt“, bilanzierte Montserrat Tomé am Sonntagabend ernüchtert.

Das Team der spanischen Trainerin unterlag in Basel trotz spielerischer Überlegenheit dem englischen denkbar knapp im Elfmeterschießen und musste anschließend mit leeren Minen dabei zusehen, wie England zum zweiten Mal in Folge den EM-Pokal in die Höhe streckte.

Dass sich England und Spanien zum zweiten Mal in Folge bei einer Endrunde im Finale begegneten, ist kein Zufall. Vielmehr ist es ein Beleg dafür, dass sich frühe Investitionen in den Frauenfußball noch immer auszahlen, auch wenn der Erfolg deshalb nicht zwangsläufig eintritt. Die Spitze des Fußballs ist nämlich nicht mehr nur das Ergebnis eines finanziellen Wettrüstens, sondern wird zunehmend durch Details bestimmt.

Lange Zeit konnte relativ kleine Unterstützung eines Verbandes einen großen Unterschied ausmachen. Mittlerweile geben Kleinigkeiten, wie die Leistung besonderer Einzelspielerinnen, das Personal und die Gegebenheiten rund um ein Team oder die Qualität der Trainerin den Ausschlag. Und manchmal kommt es auf einen einzigen Schuss im Elfmeterschießen an, wie das im Endspiel am Sonntagabend der Fall war.

Lucy Bronze spielte mit schwerwiegender Verletzung

Wie schon 2022 in England war es Chloe Kelly, die mit ihrem letzten Schuss des Spiels für den EM-Triumph ihrer Nation sorgte. Sie ist eine derjenigen Spielerinnen, die ihre Höchstleistung abruft, wenn diese gebraucht wird. „Ich liebe diese Spielerinnen. Wenn ihre Zeit gekommen ist, aufzustehen, stehen sie auf“, sagte Leah Williamson gegenüber der BBC.

Englands Kapitänin ist ebenfalls eine solche Spielerin. Doch auch Jessica Carter oder Lucy Bronze machten in der Defensive mit herausragenden Leistungen den Unterschied. Bronze erklärte später, das gesamte Turnier über mit einem Schienbeinbruch im linken Bein gespielt zu haben, „aber niemand wusste davon“. Lächelnd fügte sie hinzu: „Es ist sehr schmerzhaft, aber wenn das nötig ist, um für England zu spielen, dann mache ich das.“ Die 33-Jährige wurde dafür anschließend abgefeiert, allerdings stellt sich die Frage, wie sehr Grenzen für sportlichen Erfolg verschoben werden dürfen. Ihrer eigenen Gesundheit zuliebe, aber auch aufgrund ihrer Vorbildfunktion für Nachwuchsfußballerinnen.

Für mich ist England ein Team, das in der Lage ist, nicht gut zu spielen und trotzdem zu gewinnen.

Aitana Bonmatí, Nationalspielerin Spaniens

Auf spanischer Seite enttäuschten jedenfalls die Führungsspielerinnen wie Alexia Putellas und Aitana Bonmatí. Letztere vergab einen Elfmeter und konnte dem Spiel nicht so ganz ihren Stempel aufdrücken. Putellas wurde bereits nach 70 Minuten ausgewechselt. Nach Abpfiff kamen bei den beiden Spielerinnen des FC Barcelona Erinnerungen an das verlorene Champions-League-Finale gegen den FC Arsenal hoch. „Vor zwei Monaten habe ich mich in der gleichen Situation mit meinem Club befunden“, erinnerte Bonmatí.

Mentalität kann am Ende den Unterschied ausmachen

Bedeuten diese beiden Niederlagen in großen Spielen, dass der englische Fußball am Ende doch der bessere ist als der spanische? Nicht unbedingt. Spanien hatte in diesem Finale das Können, den Mut und die Möglichkeiten, das Spiel für sich zu entscheiden. Ihnen ging im Gegensatz zu England aber die Sicherheit und dieses Selbstverständnis ab, den letzten Schritt zu gehen. „Für mich ist England ein Team, das in der Lage ist, nicht gut zu spielen und trotzdem zu gewinnen“, sagte Bonmatí.

Spaniens Aitana Bonmatí wurde als beste Spielerin des Turniers ausgezeichnet. Der ganz große Pokal blieb ihr aber verwehrt.

© IMAGO/HMB-Media

Entscheidend für den Erfolg der Lionesses ist nicht zuletzt Trainerin Sarina Wiegman, für die es der zweite englische EM-Triumph in Folge ist und sogar der dritte nacheinander nach dem Erfolg der Niederlande 2017. Drei Triumphe bei einer EM in Serie schaffte bislang nur Tina Theune mit der deutschen Auswahl (1997, 2001 und 2005). Addiert um die beiden verlorenen WM-Endspiele 2019 (mit den Niederländerinnen) und 2023 (mit England) war es für Wiegman das fünfte Endspiel bei WM oder EM nacheinander.

Auch gegen Spanien demonstrierte die 55-Jährige ihren großen Sachverstand, als sie zur Pause entscheidende taktische Anpassungen vornahm und mit ihrem mutigen Matchplan als einzige Nation Antworten auf Spaniens große Qualität fand. „Sie ist eine unglaubliche Trainerin. Unser Assistent auch. Sie sind beide fantastisch“, schwärmte Stürmerin Lauren Hemp schon nach dem Italien-Spiel. „Sie sind so ermutigend. Sie sind unglaubliche Menschen und ihnen liegt so viel an diesem Team.“

Letztlich war Englands Mischung aus Verbissenheit und stoischer Selbstsicherheit sowie dem Willen, das dritte Spiel nacheinander über 120 Minuten zu absolvieren, eine zu große Hürde für Spanien. Mentalität allein bringt dich zwar nicht in ein EM-Finale, kann in den entscheidenden Momenten aber über Platz eins und zwei entscheiden. „Es ist unglaublich, das zweimal zu schaffen. Vor allem, wenn man sieht, wie sehr sich der Frauenfußball in den letzten Jahren verändert hat“, sagte Williamson.

Die spanischen Spielerinnen traten nach der Siegerehrung in Basel mit Tränen in den Augen den Weg in die Katakomben an. „Das ist ein harter Moment. Wir hätten mehr verdient gehabt. Ich bin mir sicher, dass diese Mannschaft bald wieder Freude bereitet“, meinte Spaniens Kapitänin Irene Paredes. Bonmatí gab sich kämpferisch und verwies auf die WM in zwei Jahren in Brasilien: „Da wollen wir den Titel, das können wir hier so nicht stehen lassen.“

Die Aussage ist keine leere Floskel, sondern ein Versprechen. Spanien ist mit England weiterhin der Maßstab für alle anderen. Kein anderes Team agierte bei dieser EM zumindest in einzelnen Spielen auf solch einem hohen Niveau. Und während Nationen wie Deutschland, Schweden oder Frankreich derzeit noch nach jenem letzten Puzzlestück suchen, das aus guten Teams echte Titelanwärter macht, wird Europas Spitze längst von einer Rivalität geprägt, die sich noch über Jahre fortsetzen dürfte.

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