
© IMAGO/Jan Huebner
Eine ernüchternde Niederlage: So einfach wird es wohl doch nicht für Hertha BSC
Ende des Durchmarschs. Hertha verliert 0:2 bei Preußen Münster und muss die neue Saison wohl ohne Derry Scherhant planen. Der Weg in die Bundesliga steckt voller Unwägbarkeiten.
Stand:
Besser als Hertha BSC konnte man es fast nicht spielen. Nach dem langen Diagonalball von der rechten Seite leitete Florian Niederlechner den Ball mit der Hacke weiter auf Fabian Reese. Der Stürmer des Berliner Fußball-Zweitligisten zog Richtung Torauslinie, kappte ab und ließ seinen Gegenspieler dadurch ins Leere laufen. Mit seinem starken rechten Fuß visierte Reese das kurze Eck an, doch Johannes Schenk, der Torhüter von Preußen Münster, war zur Stelle und klärte den Ball zur Ecke.
Auch ohne den erhofften Ertrag war es ein richtig schöner Spielzug der Berliner gewesen. Dummerweise aber auch ihr einziger an diesem Abend. Und dummerweise erst in der vierten Minute der Nachspielzeit, als das Spiel bereits zugunsten des Aufsteigers und Abstiegskandidaten aus Münster entschieden war. 0:2 hieß es am Ende aus Sicht der Berliner.
Es war ein angemessenes Resultat für ein Spiel, in dem Hertha eine durchgehend unbefriedigende Leistung abgeliefert hatte. Trainer Stefan Leitl fand seine Mannschaft „in der Entscheidungsfindung und in den Pässen ganz, ganz unsauber“. Deswegen sei sie eigentlich nie richtig ins Spiel gekommen: „Irgendwie ging nichts heute.“
Sieben Spiele am Stück hatte Leitls Team zuvor nicht mehr verloren und fünf dieser sieben Spiele sogar gewonnen. Am Freitagabend aber endete nicht nur die kleine Erfolgsserie der Berliner. Es endete auch das, was sich ein bisschen wie der Beginn eines Durchmarschs angefühlt hatte.
Irgendwie ging nichts heute.
Herthas Trainer Stefan Leitl nach der Niederlage in Münster
Wie motiviert man eine Mannschaft, die ihr – wenn auch bescheidenes – Ziel bereits erreicht hat? Seit zwei Wochen steht definitiv fest, dass Hertha auch in der nächsten Saison weiterhin in der Zweiten Liga spielen wird. Stefan Leitl hat daraufhin das Ziel ausgegeben, die noch ausstehenden drei Spiele zu gewinnen – nicht zuletzt, um den Schwung mitzunehmen in die nächste Saison, wenn im dritten Anlauf tatsächlich endlich die Rückkehr in die Bundesliga gelingen soll.
In Münster aber stieß Leitls Team an seine Grenzen. Gegen eine Mannschaft, die noch mit aller Macht um ihre sportliche Existenz kämpfte und nicht nur, wie Hertha, um ein gutes Gefühl zum Saisonabschluss.
Zur Wahrheit gehörte allerdings auch, dass die Berliner ihre Personalprobleme diesmal nicht kompensieren konnten. Eine komplette Elf fehlte Hertha, darunter der gelbgesperrte Abwehrchef Toni Leistner und, weil er sich beim Aufwärmen verletzt hatte, kurzfristig auch Stammtorhüter Tjark Ernst.
Böse Zungen behaupteten, dass das Spiel am Freitagabend schon ein Vorgeschmack auf die kommende Saison war, wenn der hochtalentierte Ibrahim Maza für Bayer Leverkusen spielen wird und nicht mehr für Hertha. Maza stand in Münster zwar auf dem Platz, aber war irgendwie nicht so richtig anwesend. Aber das galt auch für einige seiner Kollegen.
Scherhant kann für zwei Millionen gehen
Die Hoffnung, dass sich die Dinge unter Stefan Leitl kontinuierlich in die richtige Richtung entwickeln und Herthas Weg damit zwangsläufig zurück in die Bundesliga führen wird, erhielt am Freitag einen ersten Dämpfer. Nicht nur wegen des dürftigen Auftritts der Mannschaft, sondern auch wegen der Nachricht, die der „Kicker“ rund zwei Stunden nach dem Abpfiff des Spiels verbreitete.
Demnach hat Derry Scherhant Hertha mitgeteilt, dass er den Klub nach Ablauf der Saison verlassen wird. Sein Vertrag soll eine Ausstiegsklausel enthalten, die dem 22 Jahre alten Offensivspieler in diesem Sommer, zwei Jahre vor Ablauf seines Vertrages, einen Wechsel erlaubt – für die festgeschriebene Ablöse von zwei Millionen Euro.
Für relativ kleines Geld würden die Berliner also ihren mit je sieben Toren und Vorlagen zweitbesten Torschützen (nach Fabian Reese) und ihren besten Scorer (gemeinsam mit Michael Cuisance) verlieren. Dem Vernehmen nach sollen die Erstligisten Borussia Mönchengladbach, SC Freiburg und Werder Bremen an Scherhant interessiert sein.
Die Personalie zeigt, welche Unwägbarkeiten auf dem geplanten Weg zurück in die Bundesliga lauern. Niemand kann aktuell verlässlich sagen, mit welchem Personal Hertha das Projekt Aufstieg angehen wird. Maza ist definitiv weg, Scherhant sehr wahrscheinlich ebenfalls und Rechtsverteidiger Jonjoe Kenny, einer der verlässlichsten Spieler der beiden Zweitligajahre, gilt ebenfalls als fast fixer Abgang.
Dafür kommt der Stürmer Sebastian Grönning vom Drittligisten Ingolstadt, dessen Verpflichtung in dieser Woche auch offiziell verkündet wurde. Bei Innenverteidiger Niklas Kolbe (Ulm) und Mittelfeldspieler Leon Jensen (KSC) steht das noch aus. Kapitän Leistner wird wohl bleiben. Michael Cuisance hat seinen Vertrag sogar bis 2029 verlängert.
Die Schlüsselpersonalie aber ist und bleibt Fabian Reese. Niemand zweifelt daran, dass die Berliner alles in ihrer Macht Stehende unternehmen werden, um den vielleicht besten Spieler der Zweiten Liga zu halten. Doch wenn man Reese nicht komplett falsch einschätzt, dann geht es ihm nicht vorrangig um noch mehr Geld. Es geht ihm um die möglichst kurzfristige Perspektive Bundesliga.
Gemessen daran war der Freitag mit der Niederlage in Münster und den Neuigkeiten zu Derry Scherhant wirklich kein guter Tag für Hertha BSC.
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