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EM-Prämien bei den DFB-Frauen: „In diesem Tempo erreichen wir in 100 Jahren keine Gleichberechtigung“
Die EM-Titelprämie der deutschen Fußballerinnen wurde vom DFB auf Rekordniveau angehoben – und doch bekommen die Männer das Dreifache. Ist das gerecht? Expertin Kathrin Längert ordnet ein.
Stand:
Wenn das deutsche Nationalteam an diesem Freitag mit dem ersten Gruppenspiel gegen Polen in die Europameisterschaft in der Schweiz startet, steht der sportliche Ehrgeiz klar im Vordergrund. Giulia Gwinn und ihre Teamkolleginnen wollen sich mit den besten Teams Europas messen, in den Stadien die besondere Atmosphäre aufsaugen und möglichst weit kommen. Dennoch spielen auch finanzielle Aspekte eine nicht unerhebliche Rolle, denn den Profifußballerinnen winken im Fall des Titelgewinns 120.000 Euro.
Im Vergleich zur EM 2022 in England hat sich die Prämie für die Fußballerinnen verdoppelt, damals hätten sie 60.000 Euro erhalten. Zum Vergleich: Bei der EM 2017 lag die Prämie noch bei 37.500 Euro, 2013 sogar nur bei 22.500 Euro.
Trotz dieser positiven Entwicklung bleiben die Unterschiede zu den Männern aber gewaltig: Bei der EM im vergangenen Jahr betrug die Titelprämie – wie schon 2021 – 400.000 Euro und war damit mehr als doppelt so hoch wie bei den Frauen. Besonders deutlich zeigt sich die Diskrepanz im Jahr 2012: Damals erhielten die Männer 300.000 Euro, damals mehr als das Zehnfache der Prämie der Frauen.
Kathrin Längert, die einst selbst Profifußballerin war und kürzlich das Buch „Wir verdienen mehr!“ veröffentlichte, meint: „Dass die Prämien der Frauen und Männern immer noch unterschiedlich sind, ist verheerend.“ Dabei gehe es ihr nicht um die konkrete Summe, sondern um die Signalwirkung, die der Deutsche Fußball-Bund (DFB) damit sende. „Er signalisiert, dass ein EM-Titel bei den Männern mehr wert ist als bei den Frauen.“
In ihrer Recherche zum Thema Equal Pay setzte sich Längert auch mit anderen Sportarten auseinander und zog Vergleiche zum Profifußball. „Bei Olympia würde niemand auf die Idee kommen, eine Goldmedaille unterschiedlich zu prämieren, nur weil mehr Zuschauer im Stadion sind oder eine Disziplin populärer ist.“
Sie sieht insbesondere den DFB in der Pflicht. Dessen Präsident Bernd Neuendorf betonte vor der EM, dass die Entwicklung des Frauenfußballs „höchste Priorität“ habe. Doch Längert meint, der DFB nehme seine Verantwortung als gemeinnütziger Verband nicht ernst. „Er hat eine gesellschaftliche Verantwortung und ist kein Wirtschaftsunternehmen, das nur auf Kapitalvermehrung ausgelegt ist. Wenn wir in diesem Tempo weitermachen, erreichen wir in 100 Jahren keine Gleichberechtigung.“
Auch in den ersten beiden Ligen können längst nicht alle Profis vom Fußball leben. Laut DFB liegt das Durchschnittsgehalt in der ersten Liga bei 4000 Euro, was allerdings auch mit den vergleichsweise hohen Gehältern in Bayern und Wolfsburg zusammenhängen dürfte. „Die Zahlen verzerren das Bild“, meint Längert.
Sie verweist stattdessen auf eine Erhebung der ehemaligen Nationaltorhüterin Almuth Schult. Demnach verdienen Spielerinnen der ersten Liga rund 1500 Euro und Spielerinnen der zweiten Liga rund 900 Euro. „69 Prozent der Spielerinnen geben an, neben dem Fußball noch einen oder mehrere Jobs zu habe“, so Längert.
Wir verlieren Topspielerinnen, weil sie woanders bessere Bedingungen vorfinden.
Kathrin Längert, ehemalige Profifußballerin
Nur allzu häufig werden die Gehälter in den Vereinen und die Prämien beim Nationalteam damit gerechtfertigt, dass der Fußball der Frauen nicht so viel Geld in die Kassen spüle wie der Fußball der Männer.
Doch Längert hält das für falsch: „Wir Frauen sollen quasi in Vorkasse gehen und erstmal den Zuschauerschnitt erhöhen und mehr Fernseheinnahmen generieren, bevor wir höhere Gehälter und Prämien erhalten. Bei den Männern war es genau andersherum: Da wurde investiert, damit der Fußball wächst.“
In anderen Ländern ist man weiter
Andere Länder haben diesen Zusammenhang längst erkannt und sind Deutschland in Sachen Gleichstellung deutlich voraus. Das kritisiert auch Längert. Während man in Ländern wie England, Spanien oder den USA ein angemessenes Gehalt verdienen könne, drohe Deutschland international den Anschluss zu verlieren.
„Wir verlieren Topspielerinnen, weil sie woanders bessere Bedingungen vorfinden. Dazu zählt nicht nur Geld, sondern auch ein vernünftiger Trainingsplatz, medizinische Betreuung, aber auch gesellschaftliche Anerkennung.”
In Schweden gelte Eishockey als der Sport für die sogenannten „echten Männer“, meint Längert, daher sei die Aufmerksamkeit für Frauenfußball deutlich größer. Sie selbst stand während ihrer Karriere beim schwedischen Rekordmeister FC Rosengård unter Vertrag stand. Ähnlich ist es in den USA. Dort gilt Fußball quasi als Frauensport, die Spielerinnen verdienen mehr als ihre Kollegen und haben deutlich höhere Zuschauerzahlen.
Damit ihre Prämien bei Weltmeisterschaften nicht mehr unter denen der Männer liegen, mussten die US-Spielerinnen dennoch vor Gericht ziehen. Insbesondere die ehemalige Nationalspielerin Megan Rapinoe setzte sich für Gleichberechtigung in ihrer Sportart ein – die USA wurden dadurch das erste Land, das gleiche WM-Prämien für Männer und Frauen festlegte.
Der EM-Gastgeber Schweiz beschloss 2022, die Turnierprämien anzugleichen. Auch in anderen Ländern wie Norwegen, Spanien oder Dänemark unterscheidet sich die Höhe der Prämien nicht mehr zwischen den Geschlechtern. Teilweise war dies möglich, weil männliche Spieler zugunsten ihrer Kolleginnen auf Geld verzichteten, etwa in Dänemark.
Mangelnde Solidarität der männlichen Kollegen
Würden auch hierzulande die Männer einen Teil ihrer Prämie abgeben, ließe sich eine einheitliche Titelprämie von 200.000 Euro pro Spielerin und Spieler festlegen oder man könne sich am dänischen Modell orientieren, schlägt Längert vor. Dort richteten die Nationalspieler gemeinsam mit dem Verband neben der einheitlichen Bezahlung einen Fonds ein. „Mithilfe eines solchen Fonds könnte man in Deutschland die Prämien der Frauen anheben, aber auch Projekte im Jugend- und Breitenfußball fördern.“
Von Spielern in Deutschland vermisst Längert diese Solidarität. „Ich finde erstaunlich, wie unfassbar egal es männlichen Fußballern ist, unter welchen Bedingungen ihre Kolleginnen trainieren.“
Aus ihrer Zeit beim FC Bayern München, wo sie von 2009 bis 2014 in der ersten Mannschaft spielte, erzählt sie: „Thomas Müller und Manuel Neuer waren 15 Jahre bei Bayern und in der Nationalmannschaft. Da hätte ich mir schon gewünscht, dass die mal fragen: Wo trainieren eigentlich die Frauen? Denn an der Säbener Straße, wo die Männer trainierten, waren wir nicht.“
Heute sind die Trainingsbedingungen der Frauenteams zwar deutlich besser und die Nationalspielerinnen bereiteten sich genau wie ihre männlichen Kollegen im Trainingslager Herzogenaurach auf die EM vor. Dennoch sagt Längert, dass die Fußballerinnen an manchen Standorten wie Jugendteams behandelt würden und nicht auf denselben Anlagen trainieren dürfen wie die Männer.
„Wenn ich mit Kollegen in anderen Sportarten spreche, ist es ganz selbstverständlich, dass Männer und Frauen gemeinsam trainieren, gemeinsam zu Turnieren reisen”, zieht Längert den Vergleich. „Im Fußball herrscht eine gewisse Ignoranz. Ich würde gern mal wissen, ob die Männer aus der Nationalmannschaft fünf Nationalspielerinnen nennen könnten.”
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