
© imago images / Frank Sorge
Erster Publikumslauf in Berlin: Der Cross-Country-Lauf feiert 60. Jubiläum
Über Bäume, Berge und durchs Moor: Vor 60 Jahren fand der erste Berliner Volkslauf statt. Lange steckte das Event in der Krise, nun soll der Neustart an historischer Stätte gelingen.
Stand:
Bodo Tümmler hat in seiner Karriere als Läufer einiges erreicht: Mehrfacher Deutscher Meister über die 1500 Meter, Europameister, Olympia-Bronze 1968 in Mexiko. Doch an das Rennen durch den Grunewald vor 60 Jahren hat er besondere Erinnerungen: „Es war unheimlich anstrengend.“ Hoch und runter sei es gegangen, durch tiefen Sand, über eigens gefällte Bäume, sogar durch das Moor führte die Strecke. „Heute undenkbar, aber damals gab es noch keine Naturschutzbehörden.“
Für Tümmler war das Rennen aber nicht nur deshalb besonders, weil er das Ziel als erster erreichte und einen Pokal in Form eines kleinen Wildschweins erhielt, sondern weil mit dem Cross Coutry Lauf vor 60 Jahren auch erstmals eine Laufveranstaltung für die breite Berliner Stadtgesellschaft stattfand. Ohne den Crosslauf im Grunewald hätte es den Marathon und Halbmarathon, die in diesem Jahr 50. bzw. 40. Jubiläum feierten, wohl so nicht gegeben.
„Es war schon sehr visionär“, erinnert sich Tümmler, der damals bereits im Verein lief und als Zehlendorfer regelmäßig im Wald unterwegs war. Die Idee für den Lauf hatte – wie beim Marathon später – Horst Milde. Der hatte einen ähnlichen Lauf über Wiesen, Sand und Hindernisse bei einem Studentenaustausch in Frankreich kennengelernt. Mildes Plan: So etwas brauche es auch in Berlin, aber nicht nur für Vereinsläufer.
Der Cross Counry Lauf ist die Keimzelle aller anderen Läufe.
Organisator Heiko Schliff über die Bedeutung des Rennens
Und so stand Bodo Tümmler wenig später mit einem Freund und zwei Papptafeln um den Bauch auf dem Kurfürstendamm. „Ich sah aus wie ein Sandwich“, erinnert er sich am Telefon. Viele Berliner hätten die jungen Studenten für etwas bekloppt gehalten, doch die Werbung mit Handzetteln, Ansagen während eines Spiels von Hertha BSC und Plakaten in Sportgeschäften wirken. Am 8. November 1964 finden sich rund 700 Läufer an der Startlinie unterm Teufelsberg ein. Die Veranstaltung ist ein voller Erfolg. Im Jahr darauf melden sich 1800 Sportler an.
„Der Cross Counry Lauf ist die Keimzelle aller anderen Läufe“, sagt Heiko Schilff. Er ist Trainer an der Freien Universität Berlin und in der Leichtathletikabteilung des SCC. Als Organisator versucht er seit einigen Jahren das Rennen am Leben zu halten. „Der Lauf darf nicht sterben“, sagt Schilff.
Ärger mit dem Jäger und den Behörden
Denn über die Jahre hat das Interesse an Crossläufen abgenommen. Und so hat der Cross Country eine bewegte Geschichte hinter sich, zog erst aufs Maifeld beim Olympiastadion, dann sogar in die Döberitzer Heide nach Brandenburg. Doch die Anmeldezahlen gingen immer weiter zurück. Dabei würden Crossläufe die Ausdauer und Fitness enorm stärken, sagt Schilff: „Im Wald entwickeln sich die Läufer.“
Seit 2022 organisiert er nun wieder den Lauf im Grunewald. Und nicht nur die Strecke besinnt sich auf ihre Wurzeln. Die Anmeldegebühr ist bewusst niedrig, die Helfer stecken viel Herzblut in den Lauf. Schilff ärgert sich jedoch über mangelnde Unterstützung seitens der Behörden.
„Eigentlich ist man nirgends gewollt“, sagt er und berichtet von Schwierigkeiten bei der Streckenwahl mit dem Förster. Für Läufe in Berlin werde der Platz knapp: Auf den Straßen müsse er alle 25 Meter Parkverbotsschilder aufstellen, im Wald gebe es Natur- und Artenschutzbedenken, in den Parks hätten die Denkmalschutzbehörden strenge Auflagen. „Es werden einem nur Steine in den Weg gelegt“, sagt Schliff, der selbst für den diesjährigen Lauf am 9. November (Anmeldeschluss ist an diesem Mittwoch) noch keine finale Genehmigung erhalten hat.
Trotzdem ist er zuversichtlich, dass der Jubiläumslauf stattfinden kann. Bislang haben sich rund 100 Läufer angemeldet und auch Horst Milde und Bodo Tümmler wollen kommen. „Ich halte aber nur noch die Startpistole“, sagt Tümmler und lacht. Der 80-Jährige betreibt inzwischen ein anderes sportliches Hobby: Hammerwerfen. „Man muss sich ja auch im Alter immer neue Ziele setzen.“
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: