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Para-Badmintonspieler Thomas Wandschneider gewinnt Bronze in Paris und schreibt damit Geschichte.

© IMAGO/Mika Volkmann

Erstmals Medaille im Badminton: Wandschneider schafft Historisches in Paris

Para-Badmintonspieler Thomas Wandschneider gewinnt Bronze in Paris und schreibt damit Geschichte. Für seinen Erfolg lebte der 60-Jährige zwischenzeitlich im Auto.

Von Tim Rosenberger

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Das Herz der französischen Fans hatte Thomas Wandschneider bereits vor seinem kleinen Finale am Montagmittag erobert. Lauter Applaus brandete auf, als der deutsche Para-Badmintonspieler die Arena Porte De La Chapelle betrat. Nach seiner Halbfinalniederlage gegen den späteren chinesischen Goldmedaillengewinner Qu Zi Mo kam der Stadionsprecher auf ihn zu und wollte ein Bild mit ihm machen. „Das sind die Momente, die es ausmachen“, sagte Wandschneider.

Auch im Spiel um Platz drei konnte der 60-Jährige sich bei den Paralympics in Paris der Unterstützung der Fans wieder sicher sein, mit Sprechchören feierten sie den Routinier. Am Ende führten sie ihn zu Bronze und damit zur ersten deutschen Badmintonmedaille – paralympisch und olympisch – überhaupt. „Historisch beschreibt es ganz gut“, sagte Trainer Christopher Skrzeba kurz nach Spielende.

Längstes Match des Turniers

Hinter Wandschneider liegt ein paralympisches Turnier mit Höhen und Tiefen. Im Doppel mit Rick Cornell Hellmann schied der Routinier nach zwei Niederlagen bereits in der Vorrunde aus. Im Einzel in der Klasse WH1, der Klasse mit dem höchsten Behinderungsgrad, lief es dafür deutlich besser. In seinem letzten Gruppenspiel rang er Yang Tong aus China im insgesamt längsten Match der paralympischen Badmintongeschichte mit 24:22, 12:21 und 21:16 nieder und sicherte sich damit den Einzug ins Halbfinale.

Dort traf er auf Qu Zi Mo – und war in allen Belangen chancenlos. Mit insgesamt 21:1 und 21:10 schickte der 22-Jährige den 60-Jährigen auf die Bretter. „Es hätte das Wunder von Paris gebraucht, um ihn zu besiegen. Selbst meine Trainer waren ratlos und wussten nicht, wie ich ihn hätte schlagen können“, sagte Wandschneider.

Krimi um Bronze

Das Spiel um Platz drei gegen den Südkoreaner Jeong Jaegun wurde dann ein echter Krimi. Im ersten Satz konnte sich keiner der beiden so richtig absetzen. Einen zwischenzeitlichen 18:14-Vorsprung von Jeong drehte Wandschneider schnell zu einer 20:18-Führung für sich. Es ging hin und her. Am Ende hatte Wandschneider den längeren Atem und gewann den ersten Satz mit 26:24.

Es war immer mein Traum, eine Medaille im Badminton für Deutschland zu holen. Das Verrückteste ist: Ich habe es mit fast 61 Jahren geschafft.

Thomas Wandschneider, Para-Badmintonspieler

In Satz zwei änderte sich das Bild. Wandschneider hatte nach dem Seitenwechsel Rückenwind und konnte besser die Tiefe attackieren. Der Südkoreaner schaffte es nicht mehr, den Deutschen in Bedrängnis zu bringen und so verwandelte Wandschneider nach 58 Minuten seinen ersten Matchball zum 21:11. „Es war immer mein Traum, eine Medaille im Badminton für Deutschland zu holen. Das Verrückteste ist: Ich habe es mit fast 61 Jahren geschafft“, beschreibt er seinen Erfolg.

Die Medaille ist der verdiente Lohn für Wandschneiders harte Arbeit in den vergangenen Jahren. Während des Trainings in Hannover lebte er in einem umgebauten Sprinter, nur am Wochenende kam er nachhause zur Familie. „Das war schon hardcore, das Wohnmobil ist nicht isoliert. Da kann es morgens auch mal Minusgrade haben“, sagt er. Aber er hörte nicht auf, die harten Bedingungen motivierten ihn sogar zusätzlich. „Ich hab mir immer gesagt: Den Leuten in der Ukraine geht es viel schlechter als dir. Also reiß dich zusammen und mach weiter.“

Die Medienpräsenz erhöhen

Für die Zukunft im Badminton wünscht sich Wandschneider, dass seine Medaille etwas ausgelöst hat. „Es ist ein bisschen traurig, dass ich als 60-jähriger den Jungen zeigen muss, wie es geht“, scherzt er. Von der Förderung in asiatischen Ländern wie Indien oder Malaysia könne man sich etwas abschauen. Dort ist Badminton ein riesiger Sport, die Prämien und Medienpräsenz sind um ein Vielfaches höher als in Deutschland.

„Wir müssen den Sport interessanter machen. Je mehr Leute Badminton sehen wollen, desto eher kommt auch ein bisschen Kapital rein“, meint Wandschneider. Zusätzlich kritisiert er das Leben von Spitzensportlerinnen und -sportlern nach der Karriere. „Ich habe über zwanzig Jahre meine Fahne für Deutschland hochgehalten. Jetzt gehe ich irgendwann in Rente und habe dabei null Rentenansprüche aufgearbeitet“. Wandschneider ist selbstständig und vermietet in seiner zweiten Heimat Spanien Ferienhäuser.

Eigentlich hatte der vierfache Familienvater bereits seine Karriere beendet. Als Para-Badminton für Tokio 2021 paralympisch wurde, kam er zurück. Ob er nach Paris endgültig aufhört, weiß er noch nicht: „Ich muss schauen, was mein Körper macht“, sagt Wandschneider. Er habe zwar noch das Herz eines 40-Jährigen, seine Schultern und Arme seien aber die eines 80-Jährigen.

Im Falle eines Karriereendes könnte Wandschneider auf eine höchst erfolgreiche Karriere zurückblicken. Die Bronzemedaille bei den Paralympics ist sein größter Erfolg. Dazu gewann er noch insgesamt fünf Weltmeister- und zwanzig Europameistertitel. Ganz den Sport verlassen werde er jedoch nicht, eine Rolle als Trainer oder Repräsentant könne er sich für die Zukunft vorstellen. Und wer ihn bei den Paralympics gesehen hat, der weiß: Ohne die langen Haare auf dem Feld würde etwas fehlen.

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