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Garrett Riley, 26, musste nach einer Krebsdiagnose das linke Bein amputiert werden.

© AFP

Kanadische Para-Eishockeystars im Interview: „Es ist alles, wovon ich je geträumt habe“

Tyler McGregor und Garrett Riley stehen mit Kanada im Finale. Vor dem Spiel gegen die USA sprechen die beiden über ihre Taktik für das Spiel, die eigenen Stärken und Feierpläne im Falle eines Siegs.

Von Mona Alker

An dieser Stelle berichtete das Team der Paralympics Zeitung, ein Projekt von Tagesspiegel und der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung. Alle Texte zu den Spielen rund um Peking finden Sie hier. Aktuelles finden Sie auf den Social Media Kanälen der Paralympics Zeitung auf Twitter, Instagram und Facebook.

Herr McGregor, Herr Riley, am Sonntag geht es für Sie im Para-Eishockey-Finale in Peking um Gold. Sie spielen gegen die USA, das Vorrundenspiel ging 0:5 verloren…

MCGREGOR: So wollten wir natürlich nicht ins Turnier starten. Das war eine ziemlich enttäuschende Leistung von uns. Aber danach hatten wir zwei Tage frei, an denen wir trainieren und alles auf Reset setzen konnten.

Was muss jetzt im Finale anders laufen als im Vorrundenspiel?

MCGREGOR: Wir haben einige taktische Dinge geändert und auch Dinge in der Wettkampfvorbereitung. Letztes Mal hat unsere ganze Routine vor dem Spiel einfach nicht gestimmt. Das war am Tag nach der Eröffnungszeremonie, wir waren abends spät im Bett, haben das Abendessen verpasst. Dann haben wir einfach nicht unsere beste Leistung gebracht. Aber wir haben das reflektiert, und es gab viele kleine Fehler, die wir abstellen können. Auch mentale Fehler, weil wir zum Beispiel von der Mitte des Feldes viel mehr hergegeben haben, als wir das jemals gegen ein Team mit so viel Geschwindigkeit und offensiver Feuerkraft wollten. Es geht auch um Durchsetzungsvermögen und Entschlossenheit. Wir haben das analysiert, geübt und sind wirklich zuversichtlich, dass wir das umsetzen können.

Was ist eine besondere Stärke des kanadischen Teams?

RILEY: Wir verstehen uns in der Gruppe alle sehr gut. All die Sachen, die wir in den letzten Jahren bewältigen mussten… Das hat uns zusammengeschweißt. Wir gehen sehr selbstbewusst mit dem um, was wir im Training erarbeitet haben.

MCGREGOR: (Lacht) Was in Bezug auf den Lockdown auch notwendig war. Es gab so Vieles, was uns daran gehindert hat, als Team zusammen zu sein und im Wettbewerb zu trainieren. Wir kommen beide aus Ontario. Und wissen Sie, wir haben so viel Zeit im Lockdown verbracht, wir wurden so oft daran gehindert, zu reisen. Egal ob im Inland oder Ausland. Aber wie Garrett sagte, trotz all dieser Herausforderungen haben wir es irgendwie geschafft, ein viel engeres Team zu werden, eine wirklich eng verbundene Gruppe. Darauf sind wir stolz, unabhängig von irgendeinem Ergebnis.

Mit welchen Gefühlen gehen Sie jetzt in das Finale am Sonntag?

RILEY: Natürlich ist auch viel Nervosität dabei. Aber ich meine, Nervosität ist etwas Gutes. Das bedeutet, dass es dich interessiert, was da passiert. Es geht darum, dann einfach ruhig zu bleiben und zu spielen. Wir wissen, wie es geht, und wir wissen, was wir geübt haben.

MCGREGOR: Ich meine, es ist immer so viel Aufregung dabei, besonders beim Spiel um die Goldmedaille, aber es spendet auch Trost. Für mich selbst, wissen Sie, hatte ich vor vier Jahren die Gelegenheit, dasselbe zu erreichen, und mich hat diese Niederlage wirklich sehr getroffen. Aber wie ich bereits sagte, ich war stolz auf dieses Team, und ich finde Trost, Ruhe und Gelassenheit darin. Das war eine der schönsten Entwicklungen, an denen ich den je beteiligt war. Die letzten vier Jahre waren unglaublich. Wir können das tun, was wir lieben, mit den Menschen, die wir lieben. Und trotz all der Emotionen ist es wichtig, das zu fühlen und zu erkennen. Ich denke, für uns geht es nur darum, das Finale wie ein weiteres Hockeyspiel zu behandeln. Unser Trainer hat heute ein großartiges Zitat gepostet, dass es nur um das Spiel geht, nicht um das Ereignis. Es spielt also keine Rolle, ob es sich um ein paralympisches Goldmedaillenspiel handelt oder ein kleines Turnier in Kanada handelt. Es ist nur ein weiteres Hockeyspiel, und wir müssen darauf vorbereitet sein, loszulegen.

Wissen Sie denn von dem Ritual der Amerikaner, bei dem Josh Pauls eine kleine Figur namens „Mr. Potato Head“ in der Kabine aufstellt? Seitdem haben die Amerikaner fast immer gewonnen.

RILEY: Ja, davon haben wir gehört.

Auch Tyler McGregor, 28, verlor nach einer Krebshandlung sein linkes Bein.
Auch Tyler McGregor, 28, verlor nach einer Krebshandlung sein linkes Bein.

© IMAGO/Xinhua

Was denken Sie darüber? Haben Sie selbst auch ein Ritual vor Spielen?

MCGREGOR: (Lacht) Fang du an.

RILEY (Lacht) Nein, nicht wirklich. Die Schläger tapen vielleicht, und die gleiche brillante Musik auf dem Weg zum Spiel anhören. Aber kein Ritual im eigentlichen Sinn.

MCGREGOR: Ja, mir geht es ähnlich. Ich habe keine skurrilen Dinge, nur so Kleinigkeiten. Ich habe ein Gericht gefunden, das ich vor dem Spiel essen kann, oder ich stehe immer an der gleichen Stelle im Bus. Ich mache einfach kleine Dinge, um herauszufinden, was kurzfristig funktioniert. Und das sind so Rituale, die mir Trost und Gelassenheit bringen.

Herr Riley, letztes Jahr im Oktober haben Sie sich bei einem Spiel einen offenen Bruch im Bein zugezogen. Gab es jemals einen Punkt, an dem Sie dachten, dass Sie es nicht mehr zu den Paralympics schaffen?

RILEY: Ja, absolut. Das ging mir fast sofort durch den Kopf. Ich dachte, meine Saison wäre vorbei. Unser medizinisches Personal, unser Kraft- und Konditionspersonal, meine Familie und Freunde zuhause haben mir wirklich sehr geholfen und mich sehr unterstützt. Genau wie meine Teamkollegen. Ich war dankbar, dass alle mir geholfen haben zurückzukehren, für diese Unterstützung werde ich immer dankbar sein. Es war ein langer Weg, aber ich bin sehr glücklich, heute hier zu sein.

Wie fühlt es sich denn an, hier zu sein? Und sogar ein Tor zu erzielen?

RILEY: Es ist ein unglaubliches Gefühl, Kanada zu repräsentieren und das Ahornblatt zu tragen. Es ist eine absolute Ehre. Mein erstes Tor war etwas ganz Besonderes, vor allem mit dieser Gruppe von Jungs, die wir haben. Es ist so, dass sich alles irgendwie auszahlt und sich zum Besten entwickelt.

Herr McGregor, für Sie sind es die dritten Spiele, für Sie sind es die ersten Herr Riley. Wie profitiert das Team von dieser Konstellation aus jungen und erfahrenen Spielern?

MCGREGOR: Ich denke, in der Vielfalt liegt immer Stärke, oder? Wissen Sie, wir hatten Jungs, die schon fünf oder sechs Mal bei den Paralympics waren. Und wir haben sieben Jungs, die bei ihren ersten Paralympics antreten. Und ich denke, darin liegt so viel Kraft und es sind so viele verschiedene Erfahrungen, die man zusammenbringen kann. Einerseits die Erfahrung, und dann Leute mit einem ganz neuen Schub an Energie und Aufregung und Freude an den Spielen. Sie erinnern daran, warum wir das Spiel lieben. Das Besondere an unserem Team ist derzeit, dass jeder es gleich gut macht, und es spielt keine Rolle, wie alt jemand ist. Und am Sonntag gehen wir alle gemeinsam raus, um hoffentlich die Goldmedaille zu gewinnen.

Angenommen, Sie gewinnen wirklich die Goldmedaille. Wie feiern Sie das? Was bedeutet das für Sie?

MCGREGOR: Also ich spiele Eishockey, seit ich drei Jahre alt bin. Ich habe mein Leben lang auf diesen Moment hingearbeitet. Es ist alles, wovon ich je geträumt habe. Es gibt so viele Menschen, aktuelle Teamkollegen, frühere Teamkollegen, Familie, Freunde, Trainer, Menschen auf der ganzen Welt, die versuchen, dir zu helfen und dich dorthin zu bringen. Sie helfen dir, der Mensch und Athlet zu sein, der du heute bist. Es wäre einfach ein Gefühl purer Freude und Aufregung und, um ganz ehrlich zu sein, in gewisser Weise auch Erleichterung. Ich bin bisher bei zwei Paralympischen Spielen gescheitert. Scheitern ist vielleicht ein starkes Wort ist, aber bei meinen ersten beiden Paralympics habe ich eine Goldmedaille verfehlt. Und so würde es in gewisser Weise ein Gefühl der Erleichterung geben. Ich könnte es kaum erwarten, meine Freundin anzurufen, meine Familie und Freunde anzurufen und danach zurück in die Umkleidekabine zu gehen und mit den Jungs zu feiern. Es wären einfach so viele Emotionen, die durch meinen Körper strömen würden. Aber wissen Sie, vorher muss noch viel Arbeit erledigt werden. Aber ich freue mich darauf, das dann hoffentlich mit allen teilen zu können, die mein Leben und meiner Karriere beeinflusst werden.

RILEY: Ja, so ist es bei mir definitiv auch. Ich bin mit Stand-Hockey aufgewachsen, ich habe die Olympischen Spiele immer verfolgt und davon geträumt, dort zu sein. Aber dann haben sich die Dinge im Leben offensichtlich geändert, aber ich bin sehr dankbar, dass ich ein Teil der Paralympics sein kann. Es wäre die pure Freude und Aufregung, Gold zu gewinnen, ich würde die Leute zuhause anrufen, die immer für mich da sind, mich immer unterstützen.

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