
© Imago/Noah Wedel
Fans kritisieren Verfassungsgerichts-Urteil scharf: Länder dürfen Fußball-Proficlubs für Polizeieinsätze zur Kasse bitten
Seit Jahren will die Stadt Bremen die zusätzlichen Polizeikosten bei Hochrisikospielen im Fußball nicht tragen. Nun hat Deutschlands oberstes Gericht ein wegweisendes Urteil gefällt – zulasten der Vereine.
Stand:
Die Deutsche Fußball Liga (DFL) ist im Streit um eine Beteiligung der Dachorganisation an den Polizeikosten für Hochrisikospiele am Bundesverfassungsgericht gescheitert. Ihre Verfassungsbeschwerde gegen eine entsprechende Regelung aus Bremen blieb ohne Erfolg, wie der Erste Senat in Karlsruhe verkündete. (Az. 1 BvR 548/22).
Die angegriffene Norm sei mit dem Grundgesetz vereinbar, erklärte Gerichtspräsident Stephan Harbarth in der Urteilsverkündung. Ziel der Regelung sei es, die Kosten auf denjenigen zu verlagern, der sie zurechenbar veranlasst habe und bei dem die Gewinne anfallen. Das sei ein verfassungsrechtlich legitimes Ziel.
Als Hochrisikospiele werden Partien bezeichnet, bei denen besonders mit Auseinandersetzungen zwischen den Fanlagern gerechnet wird. Im Bremischen Gebühren- und Beitragsgesetz ist seit 2014 festgehalten, dass die Stadt bei gewinnorientierten, erfahrungsgemäß gewaltgeneigten Veranstaltungen mit mehr als 5.000 Personen Gebühren für polizeiliche Mehrkosten erheben kann.
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Den ersten Gebührenbescheid bekam die DFL im Jahr 2015 - damals zu einer Bundesliga-Partie zwischen dem SV Werder Bremen und dem Hamburger SV. Rund 400.000 Euro stellte der Stadtstaat Bremen der DFL für die Polizeikosten in Rechnung. Weitere Bescheide folgten.
Finanzielle Folgen für die Vereine
Die DFL hielt diese Regelung für verfassungswidrig und damit nichtig - und zog vor Gericht. Nach Ansicht der Dachorganisation für die 1. und 2. Bundesliga fehlte es an einer abgrenzbaren, ihr zurechenbaren Leistung der Stadt Bremen. Die sei aber verfassungsrechtliche Voraussetzung für eine rechtmäßige Gebührenerhebung. Außerdem seien einzelne Störer für den erforderlichen Polizeieinsatz verantwortlich - und nicht die Organisatoren.
Der Gesetzgeber muss jetzt eingreifen und dafür sorgen, dass Polizeieinsätze beim Fußball transparenter werden.
Linda Röttig, Vorstandsmitglied beim Dachverband der Fanhilfen
Der Dachverband der Fanhilfen kritisiert das Urteil scharf und bezeichnet es in einer Mitteilung als „Freifahrtschein für einen immer aggressiver und martialischer auftretenden Polizeiapparat“. Sicherheit zu privatisieren, sei eine fatale Entwicklung und werde Auswirkungen auf alle Formen von Großveranstaltungen haben, so Vorstandsmitglied Linda Röttig. „Der Gesetzgeber muss jetzt eingreifen und dafür sorgen, dass Polizeieinsätze beim Fußball transparenter und nachvollziehbarer geplant werden.“
Ähnlich äußert sich das Fanbündnis „Unsere Kurve“: Man nehme das Urteil „fassungslos zur Kenntnis“ heißt es in einer Stellungnahme. „Es ist zu befürchten, dass damit der staatlichen Ordnung der Bundesrepublik Deutschland langfristig schwerer Schaden zugefügt wurde.“
DFL hält Folgen für noch nicht absehbar
Die DFL hält die Folgen des Urteils indes für noch nicht absehbar. Die Konsequenzen würden sich erst in den kommenden Wochen und Monaten zeigen, ließ die Deutsche Fußball Liga wissen. „Leider ist uns das Bundesverfassungsgericht (...) nicht gefolgt. Das ist für uns natürlich enttäuschend. Aber das ist so zu akzeptieren“, sagte Bernd Hoefer, Rechtsanwalt der Dachorganisation der 1. und 2. Bundesliga, nach dem Urteil in Karlsruhe.
„Immerhin hat das Bundesverfassungsgericht heute gesagt, dass es ein Gemeinwohlinteresse auch an der Ausrichtung von Spielen der Fußball-Bundesliga gibt“, fügte Hoefer hinzu
Bremen plädiert für bundesweite Fondlösung
Bremens Innensenator Ulrich Mäurer betont nun seinen Wunsch nach einer bundesweiten Fondslösung. „Die Profiliga zahlt in einen Fonds ein und die Polizeien des Bundes und der Länder werden dann nach dem Aufwand abgerechnet“, erklärte der SPD-Politiker. „Das wäre das Einfachste.“
Dieses Modell setze aber voraus, dass die DFL ihre Position revidiere. „Ich glaube, dass der heutige Tag dazu beitragen wird“, zeigte sich Mäurer optimistisch. Bewege sich die DFL nicht, würden die einzelnen Länder Gebührenordnungen erlassen - „dann muss man so oder so zahlen.“
Mit dem umstrittenen Thema hatten sich in den vergangenen Jahren schon mehrere Gerichte befasst. Allein in der ersten Instanz hatte die Klage der DFL Erfolg - das Verwaltungsgericht Bremen erklärte die Gebührenerhebung 2017 für rechtswidrig, unter anderem weil die Berechnungsmethode zu unbestimmt sei.
Ein Jahr später wurde das Urteil aber vom Oberverwaltungsgericht Bremen aufgehoben, das die Gebührenforderung wiederum für rechtens hielt. 2019 wurde diese Entscheidung vom Bundesverwaltungsgericht in Leipzig bestätigt.
In Bremen ging es nach Angaben der Stadt um Gebühren in Höhe von mehr als drei Millionen Euro, die der DFL bislang in Rechnung gestellt wurden. Ob andere Bundesländer dem Beispiel der Hansestadt folgen werden, wird sich erst noch zeigen. Sollte sich das Bremer Modell nach der Entscheidung der obersten deutschen Richterinnen und Richter auch in den anderen Bundesländern durchsetzen, kämen auf die Profivereine erhebliche finanzielle Mehrbelastungen zu. (dpa/ Tsp)
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