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Hansi Flick beim FC Barcelona: Der Meister des Spektakels
Unter dem deutschen Trainer spielt der FC Barcelona wieder Fußball zum Verlieben. Am Donnerstag könnte die Mannschaft ihre Saison mit der spanischen Meisterschaft krönen.
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Es ist exakt zwei Jahre her, dass sich im Stadion von Espanyol Barcelona chaotische Szenen abspielten. Stadtrivale FC Barcelona hatte sich am 14. Mai 2023 durch einen 4:2-Sieg den Meistertitel gesichert und so begannen die Barca-Profis nach dem Abpfiff mit den Feierlichkeiten noch auf dem Rasen.
Doch die endeten abrupt, als Fans von Espanyol den Platz stürmten und Jagd machten auf die gegnerischen Spieler. Die mussten in die Katakomben flüchten und konnten ihrem Titelgewinn plötzlich nicht mehr allzu viel abgewinnen. „Wir entschuldigen uns bei der Welt des Fußballs. Das ist nicht das Bild von Espanyol, ganz im Gegenteil“, hieß es später von Seiten der Gastgeber.
Die Espanyol-Fans hatten sich wohl provoziert gefühlt und ließen ihrem Frust über den drohenden Abstieg ihrer eigenen Mannschaft freien Lauf. Tatsächlich musste das Team aus Cornellà de Llobregat im Großraum von Barcelona seinerzeit am Saisonende in die Segunda Division absteigen, schaffte in der Folgesaison aber den direkten Wiederaufstieg.
Nun treffen sich beide Klubs am Donnerstag zum ersten Mal seit jenen hässlichen Szenen wieder im Stadion. Und die Voraussetzungen sind ähnlich wie vor zwei Jahren. Wieder kann der große FC Barcelona im Derby beim kleinen Rivalen die Meisterschaft perfekt machen.
Auf der anderen Seite ist Espanyol wie 2023 in Abstiegsgefahr, hat im Moment aber vier Punkte Vorsprung auf Platz 18 und das Schicksal auf dem eigenen Fuß. Doch selbst wenn die Parallelen zum letzten Aufeinandertreffen im Vorfeld offensichtlich sind und beim FC Barcelona viele Spieler aus der letzten Meistermannschaft noch im Kader stehen, wirkt das aktuelle Barca-Team wie aus einer anderen Zeit.
Als Nationaltrainer war Flick krachend gescheitert
Dafür verantwortlich ist in erster Linie Hans-Dieter Flick. Dabei passt seine eigene Geschichte so ein bisschen zu der des katalanischen Weltklubs. Denn Totgesagte leben bekanntlich länger. Flick hatte seine beste Zeit als Bayern-Trainer, in der Corona-Saison 2019/2020 gewann er mit den Münchnern sechs Titel, fiedelte auf dem Weg zum Triumph in der Champions League unter anderem dem FC Barcelona mit 8:2 ab.
Flick, der einstige Löw-Assistent in der deutschen Fußball-Nationalmannschaft, der schon immer als großer Fachmann galt und bei den Spielern sehr beliebt war, wurde plötzlich Europas Trainer des Jahres. Der Ruf des DFB ließ nicht lange auf sich warten, nach der verpatzten EM 2021 kehrte er zur Nationalelf zurück, diesmal als Cheftrainer – die Bayern hatte er zuvor im Unfrieden verlassen.
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Unter Flick wurde es allerdings nur noch schlimmer, die WM 2022 in Katar war in jeder Hinsicht der Tiefpunkt, aufgezeichnet auch noch von Kameras für eine Amazon-Dokumentation. Das ganze Scheitern des Teams und die Hilflosigkeit des Bundestrainers gipfelten in dem Satz: „Ich habe heute Nacht nicht gut geschlafen, weil wir keine Unterstützung aus Deutschland haben.“
Die Unterstützung wurde nach der WM noch geringer, Flick wirkte weiter hilflos und musste schließlich im September 2023 gehen. Mit nur 1,72 Punkten im Schnitt war die Ära Flick die zweitschlechteste in der DFB-Geschichte, nur noch unterboten von der Zeit unter Erich Ribbeck.
Es hätte nicht verwundert, wenn Flick danach dauerhaft ohne Job oder zumindest ohne Anfragen von Topklubs geblieben wäre. Doch beim FC Barcelona wussten sie schließlich aus erster Hand, wie gut der heute 60 Jahre alte Heidelberger Mannschaften machen kann.
Flick sucht keine Ausreden und begnügt sich mit dem, was er hat. Er ist anspruchsvoll, er hat uns den neuen Schwung gegeben, den wir brauchten.
Joan Laporta, Barcelonas Präsident, über Trainer Hansi Flick
Flick ersetzte im vergangenen Sommer Vereinsikone Xavi, der die endlosen finanziellen Probleme des Klubs nicht klaglos hinnehmen konnte und seine Mannschaft international als nicht mehr konkurrenzfähig einstufte. Unter Flick ist das Geld – zumindest für Barca-Verhältnisse – zwar weiterhin knapp, das Team kann auf höchstem Niveau in Europa aber wieder mithalten.
Präsident Joan Laporta ist denn auch sehr zufrieden mit dem Trainer und stellte jüngst heraus, dass der der Mannschaft wieder eine „Siegermentalität“ eingeimpft hätte: „Flick sucht keine Ausreden und begnügt sich mit dem, was er hat. Er ist anspruchsvoll, er hat uns den neuen Schwung gegeben, den wir brauchten.“
Dabei hat der Deutsche viele Spieler in seinem Team tatsächlich besser gemacht, das Beispiel Raphinha ist nur eines von vielen. Der Brasilianer kam in seinen ersten beiden Saisons in der spanischen Liga auf zusammen 13 Tore, galt schon als gescheitert. In dieser Spielzeit traf er allein in 14 Spielen der Champions League 13 Mal.

© Imago/ZUMA Press Wire
Natürlich hat Flick auch das Glück, dass das Juwel Lamine Yamal immer strahlender glänzt und die Offensive auch dank des 17 Jahre alten Europameisters unglaublich variabel ist. Schließlich hat Flick auch noch Robert Lewandowski, der allein in der Liga 25 Treffer erzielt hat. In dieser Saison konnte es sich der FC Barcelona sogar oft leisten, die Defensive zu vernachlässigen und die Gegner dafür offensiv auseinanderzunehmen. Allein gegen Real gab es in vier Spielen 2024/25 vier Siege bei 16 eigenen Toren. Insgesamt stehen 95 Treffer zu Buche und damit jetzt schon 25 mehr als beim Titelgewinn vor zwei Jahren.
Flick sagt selbst, dass sich seine Mannschaft in der Verteidigung steigern muss. Das Beispiel Inter Mailand hat ihm das im Halbfinale der Champions League noch einmal verdeutlicht. Sechs Tore erzielte sein Team gegen eine der stärksten Defensivreihen Europas, kassierte gegen einen offensiv nicht überragenden Gegner aber auch sieben Treffer.
So kann Flick sein Meisterwerk wie vor fünf Jahren mit den Bayern nicht auf allen Ebenen vollenden. Das Double in Spanien und der Supercup sind aber aller Ehren wert und lassen, anders als damals in München, Raum für weitere Verbesserungen. Das Finanzthema bleibt aber eines. Denn eigentlich hätte Barcelona gern den deutschen Nationalspieler Jonathan Tah verpflichtet. Aber da man dem Noch-Leverkusener keine Spielberechtigung garantieren konnte, nahm der von einem Wechsel nach Katalonien Abstand.
Immerhin bleibt so genug Geld für Hansi Flick und dessen Vertragsverlängerung bis 2027. Denn die gilt längst als beschlossene Sache, schließlich wissen sie in Barcelona, was sie an ihrem Trainer haben. Mittelfeldspieler Pedri umschrieb es vor einigen Wochen so: „Er trägt die volle Verantwortung für das, was hier passiert.“ Mit anderen Worten: Hansi Flick ist der Meister des Spektakels.
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