Sport: Italiens vergänglicher Ruhm
Der Weltmeister kämpft um die EM-Qualifikation
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Coverciano - Mit einem von Falten zerfurchten Gesicht, das keine Regung zeigt, und graumeliertem Dreitagebart stolziert Roberto Donadoni über die Sportanlage in Coverciano. Mit seinem rauhen Konterfei könnte der 43-Jährige als Nachfahre der berühmten Medici durchgehen entsprungen sein. Doch er ist Lombarde aus Bergamo und er weiß auch, dass es mit seinem Ruhm als italienischer Nationaltrainer schon bald vorbei sein könnte. Das heutige EM-Qualifikationsspiel gegen Schottland in Bari ist seine letzte Chance, seinen Posten zu bewahren. Die Schotten führen mit zwölf Punkten die Tabelle der Gruppe B punktgleich mit Frankreich an. Italien rangiert mit 7 Punkten nur auf dem vierten Tabellenplatz. Der Weltmeister könnte bei der Europameisterschaft in Österreich und der Schweiz fehlen.
Ob ihn die Gerüchte über seine mögliche Ablösung nervös machten? „Ich bin heiter gestimmt“, erwidert Donadoni und fügt ironisch hinzu: „Ich habe mich besonderen Tests unterzogen, aus denen geht hervor, dass ich nicht an Stresserscheinungen leide.“ Die Journalisten lachen. In dieser heiklen Situation zeigt Donadoni Charakterstärke und Größe, Eigenschaften, die ihn auszeichnen. Er hat allerdings auch nichts mehr zu verlieren. Deshalb hat er auch seine Zurückhaltung aufgegeben, wenn man ihn nach dem Star Francesco Totti fragt. „Ich entscheide, wann und welche Spieler berufen werden“, sagt er in der vergangenen Woche kategorisch. Lange wurde in den Zeitungen spekuliert, wann der Superstar vom AS Rom sich wieder dazu herablassen würde, für sein Land zu spielen. Die Verbandsfunktionäre machten sogar regelrechte Kniefälle vor dem Römer, der sich momentan in Glanzform befindet und die Torschützenliste der Serie A mit 18 Treffern anführt – trotz der Silberplatte in seinem gebrochenen Schienbein. Sein letztes Spiel für die Nationalmannschaft bestritt Totti im Berliner WM-Finale. Dann trat er von der Bühne der Nationalmannschaft ab und widmete sich ausschließlich dem AS Rom.
Donadoni konnte zwar als Spieler bei Milan eine zehnjährige Glanzkarriere vorweisen, doch als Trainer fehlten ihm die Referenzen. Er hatte zuvor lediglich einen drittklassigen Klub sowie die zwei Provinzklubs Livorno und FC Genua trainiert – mit wechselhaftem Erfolg. Sein Traineramt in Italien verdankt Donadoni dem letztjährigen Manipulationsskandal. Weltmeistertrainer Marcello Lippi war zurückgetreten, weil sein Sohn Davide darin verwickelt ist. Im Nationalteam hat er einen Vertrag bis Juni 2008, doch das Ende scheint schon jetzt nahe. In den sechs Spielen unter ihm gab es für die italienische Mannschaft zwei Siege, zwei Unentschieden sowie zwei Niederlagen. Alles andere als ein Sieg heute über Schottland wäre daher ein Entlassungsgrund.
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