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„Wir haben es geschafft. Schon wieder“: So emotional feiern englische Fans den EM-Titel
Nach dem Finalsieg gegen Spanien ist die Freude auf englischer Seite riesig. Viele fiebern schon lange auf diesen Moment hin – auch India und ihr Vater Nigel.
Stand:
Als Chloe Kelly ihren Elfmeter verwandelt und England zum Europameistertitel schießt, fallen sich India und ihr Vater Nigel in die Arme. Sie schwenken die Englandflagge, auf der die Namen der Spielerinnen geschrieben sind, und India hat Tränen in den Augen. „Das ist unglaublich, damit haben wir nicht gerechnet“, ruft Nigel, während er andere englische Fans umarmt und zu „We are the Champions“ tanzt.
Wie ihm ging es vielen Fans: Angesichts der überragenden Leistung der Spanierinnen, die obendrauf Weltmeisterinnen sind, war nicht absehbar, dass es England am Sonntag gelingen würde, seinen Titel zu verteidigen. Doch nach Verlängerung und Elfmeterschießen setzen sich schließlich die Engländerinnen mit 3:1 durch und bekommen von Prinz William die Goldmedaillen umgehängt.
„Meine Tochter liegt mir seit einem Jahr in den Ohren, dass wir zur EM in die Schweiz fahren müssen“, erzählt Nigel, der aus der Nähe von Newcastle kommt. „Vor sechs Wochen habe ich dann noch zwei Tickets ergattert. Damals wussten wir natürlich nicht, wer am Ende im Finale steht. Dass England nun Europameister geworden ist, ist einfach Schicksal. Das ist unglaublich.“
Seine Tochter spielt selbst Fußball und ist großer Fan der Lionesses. „Sie sind so inspirierend und ein tolles Team. Der Fußball der Frauen bedeutet mir sehr viel“, sagt die 13-jährige India, die zum Finale ein Trikot von Alessia Russo trägt. „Ich träume davon, auch eine professionelle Fußballerin zu werden. Die Spielerinnen zeigen mir, dass jeder das schaffen kann.“
Ihrem Vater gefällt besonders die „freundliche Atmosphäre“. Vor dem Match nahmen er und seine Tochter, genau wie tausende andere Englandfans an einem Fanmarsch von Basler Messeplatz zum St. Jakob-Park teil. „Wir haben noch nie ein Spiel der Männer gesehen, aber die Spiele der Frauen machen großen Spaß. Auch Fans anderer Nationen waren beim Marsch dabei und hatten gemeinsam eine tolle Zeit.“
Meine Tochter liegt mir seit einem Jahr in den Ohren, dass wir zur EM in die Schweiz fahren müssen.
Nigel, England-Fan
Tatsächlich hält sich die Konkurrenz zwischen den englischen und spanischen Fans in Grenzen. Auf ihren Schildern stehen humorvolle Sprüche wie „Paella? Ich bevorzuge Russotto!“ oder „Tut mir leid Spanien, diese Krone passt zu England.“
Und als die Spanierinnen sichtlich deprimiert und frustriert die Silbermedaille überreicht bekommen, gibt es auch von den englischen Fans anerkennenden Applaus, der besonders aufbrandet, als Aitana Bonmatí zur besten Spielerin des Turniers gekürt wird. Auch auf dem Platz trösten Spielerinnen wie Lucy Bronze die Konkurrenz.

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Dass die Stimmung innerhalb des Publikums sehr wohlwollend und solidarisch ist, zeigt sich auch, als der Regen einsetzt und man einander dabei hilft, nicht allzu nass zu werden. Die Autorin dieses Textes etwa bekommt von einer Sitznachbarin einen Regenponcho geschenkt. „Ich habe ja noch einen weiteren Regenmantel“, sagt sie. „Wir Engländerinnen sind gut vorbereitet.“
Im Publikum sitzen auch Elodie, Mathilde und Océane, die Freundinnen sind, aber unterschiedlichen Teams die Treue halten. Sie alle kommen aus dem französischsprachigen Teil der Schweiz, kennen sich aus der Schulzeit und sind für das Finale nach Basel gefahren.

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Elodie feuert das englische Team an, ist Fan von Arsenal und mag besonders Alex Russo. „Sie ist einfach toll.“ Mathilde hält der Schweiz die Treue, obwohl das Team bereits im Viertelfinale gegen Spanien ausgeschieden ist. „Kapitänin Lia Wälti und die anderen haben das super gemacht.“ Und Oceane, deren Mutter Spanierin ist, trägt ein Spanien-Trikot. Ihre Lieblingsspielerin ist Bonmatí. „Heute sind Elodie und ich ein Stück weit Konkurrentinnen. Das ist lustig, denn wir hassen uns ja nicht, aber es ist ein kleiner Wettbewerb. Diejenige, die verliert, muss sich das wahrscheinlich noch eine Weile anhören.“
Ich habe die ganze Zeit daran geglaubt. Aber ich muss zugeben: Zwischendurch war ich gestresst.
Izzy, Fan aus Norfolk
Am Ende des Abends haben die Engländerinnen die Nase vorne und deren Fans feiern ausgelassen auf den Rängen. Darunter sind auch Izzy und Ihre Mutter Eva aus Norfolk, die in der allerersten Reihe sitzen, neben dem Tor, wo das Elfmeterschießen stattfand. „Ich bin so glücklich“, sagt Izzy und strahlt. „Wir haben es geschafft. Schon wieder. Das ist einfach großartig. Ich habe die ganze Zeit daran geglaubt. Aber ich muss zugeben: Zwischendurch war ich gestresst.“

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Im Laufe des Turniers sah es streckenweise tatsächlich nicht gut aus für England. Im Halbfinale gegen Italien taten die Spielerinnen sich teilweise schwer und erzielten erst in der Verlängerung den entscheidenden Treffer per Elfmeter. Doch im Finale stellen sie noch einmal ihre überragenden Qualitäten unter Beweis und liefern sich gegen Spanien ein hoch spannendes Duell, das einmal mehr zeigt, wie hoch das Niveau im europäischen Fußball der Frauen mittlerweile ist.
Beim Finale zeigt sich aber noch etwas anderes: Dass neben dem Sportlichen das große Ganze nicht aus dem Blick gerät. So halten englische Fans ein riesiges Banner mit der Aufschrift „Love Football, Hate Racism“, denn erst kürzlich machte Jessica Carter öffentlich, während des Turniers massiven rassistischen Anfeindungen ausgesetzt gewesen zu sein. Bei jeder ihrer Aktionen ist der Applaus besonders laut, die Fans wollen ihre Solidarität ausdrücken und hinter Carter stehen.
In der Halbzeitpause gibt es über Lautsprecher außerdem die Ansage, sich bei diskriminierendem oder übergriffigen Verhalten bitte an die „Awareness-Teams“ zu wenden. Auf den Toiletten hängen Zettel mit Kontaktmöglichkeiten.
„Der Fußball der Frauen hat mein Leben verändert“ steht noch auf einem Plakat. Und dieses packende Finale zwischen England und Spanien dürfte vielen Fans ebenfalls noch lange in Erinnerung bleiben – auch India und ihrem Vater Nigel.
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