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Anna-Maria Rieder freut sich über ihre erste Bronzemedaille bei den Paralympics.

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Anna-Maria Rieder gewinnt in Peking Bronze: Nachwuchshoffnung wird Medaillenträgerin

Skifahrerin Anna-Maria Rieder kann sich im Slalom bei ihren zweiten Paralympics ihr erstes Edelmetall sichern.

Von Elena Deutscher

An dieser Stelle berichtete das Team der Paralympics Zeitung, ein Projekt von Tagesspiegel und der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung. Alle Texte zu den Spielen rund um Peking finden Sie hier. Aktuelles finden Sie auf den Social Media Kanälen der Paralympics Zeitung auf Twitter, Instagram und Facebook.

Ein spitzer Schrei hallt durch den Zieleinlauf im Slalom. Anna-Maria Rieder haut die Kufen in den Schnee, mit den Armen über dem Kopf verschränkt kommt sie zum Stehen. Ihre Augen sind hinter der Skibrille nicht zu erkennen – kein Lächeln ist auf ihrem Gesicht zu sehen. Rieder scheint außer Atem: Nicht verwunderlich, es sind am Samstag die ersten Sekunden nach dem Rennen, es sind die Sekunden, in denen die Anspannung und Konzentration aus jeder Haarspitze weicht und der Schrei – der war ein Ausruf purer Freude.

Im ersten Durchlauf beim Slalomrennen liefert die 22-Jährige eine solide Performance ab, findet schnell in einen guten Rhythmus und schlängelt sich um die Tore die Piste runter. Im Zieleinlauf blickt sie über die Schulter und auf ihre Zeit: „Wow“, kommt schlicht über ihre Lippen. Denn – zack – einfach so hat sie die Französin Marie Bochet, die Silbermedaillengewinnerin im Super-G, in die Tasche gesteckt und mit über einer halben Sekunde Vorsprung auf Platz vier verwiesen. 

Platz drei nach dem ersten Durchlauf – das liefert optimale Bedingungen für Durchgang Nummer zwei. Jetzt heißt es Nerven behalten: „Mädel, du musst mal richtig einen raushauen“ – das war schon Rieders Plan fürs Super-G-Rennen, am Ende reichte es da für Platz fünf. Eine halbe Sekunde Vorsprung vor Bochet, das ist in einem paralympischen Rennen nicht unbedingt viel, mit einem starken zweiten Lauf könnte die Französin Rieder durchaus ihren Podestplatz streitig machen.  

Medaille zum Greifen nahe

Vor Durchlauf zwei ist also noch alles offen. Aber Rieder hat einen Vorteil: Bochet muss vor ihr an den Start. Zunächst sieht es gut aus für die Französin: Sie legt einen scheinbar sauberen Start hin und zieht elegante Kurven um die ersten Tore. Doch kaum 20 Meter vom Starthäuschen entfernt belastet Bochet den Innenski, fällt zur Seite und scheidet aus dem Rennen. Weg frei für Rieder. 

Mit großem Vorsprung vor der Kanadierin Michaela Gosselin aus dem ersten Lauf geht sie ins Rennen: „Ich wusste, wenn ich vorne bin und ins Ziel komme, dann wird es wahrscheinlich save eine Medaille“, verrät Rieder.

Ihr Startsignal ertönt und Rieder stürzt sich ins Rennen. Sauber fegt die Oberammergauerin um die Kurven. Jetzt bloß keine Fehler. Nur runterfahren. Vollgas geben. 

Rieder fährt über die Ziellinie, ein Blick auf den Bildschirm und sie weiß, Bonze ist ihr sicher. Und das findet die Skifahrerin „ziemlich cool“. „Da musste dann wohl doch ein Freudenschrei raus im Ziel“, sagt Rieder. Nach ihr fahren nur noch die Schwedin Ebba Aarsjoe und die Chinesin Mengqiu Zhang – verdient schnappen sie sich Platz eins und zwei.

Nach zweimal Platz fünf im Super-G und im Riesenslalom und einmal Platz vier in der Super-Kombination hat Anna-Maria Rieder bei ihren zweiten Paralympischen Spielen bewiesen, dass sie ganz oben mit dabei sein kann. Am Podest schrammte sie in Peking aber bisher vorbei. Zuletzt musste sie sich ihrer Teamkollegin Andrea Rothfuss geschlagen geben, die im Riesenslalom Bronze holte. Im Slalom schied Rothfuss im ersten Durchlauf aus. 

Skifahrerin Anna-Maria Rieder schlängelt sich im Slalom auf Platz drei.
Skifahrerin Anna-Maria Rieder schlängelt sich im Slalom auf Platz drei.

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Vom „Küken“ zum Medaillenstar

Dass es für Rieder am Ende der Spiele noch für eine Medaille reicht, hätte sie nicht gedacht: „Ich war mir nicht sicher, weil ich wusste, dass es gute Mädels gibt. Die sind wirklich gut in allen Disziplinen und auch im Slalom. Ich wusste, es wird wahrscheinlich extrem schwer, eine Medaille zu holen und ich muss alles geben, aber dass es jetzt gereicht hat, ist umso schöner.“

Dass die Wintersportlerin vom Nachwuchsküken zur potenziellen Medaillenkandidatin herangewachsen ist, hat sie schon vor den Spielen gezeigt. Bei der WM in Lillehammer holt sie in der Super-Kombination Bronze – vor ihrer Teamkonkurrentin Rothfuss. Vor Peking hatte Rieder ihr Erfolgsgeheimnis verraten: „Wenn ich Spaß habe, fahre ich gut Ski.“ Deswegen hält sich die Skifahrerin auch mit ihrem Medaillenwunsch zurück: „Ich gehe nicht ins Rennen und sage ‚ich will jetzt eine Medaille‘, damit würde ich mir zu viel Druck machen.“ Und bei zu viel Druck ist der Spaß weg. 

Das Rieder aber doch ehrgeizig auf die Medaillen schielt, lässt sie in ihrem Fazit zu den Paralympics in Peking durchblicken: „Im Großen und Ganzen bin ich zufrieden, ich habe im Super-G den fünften Platz belegt und das war ja mein erster Super-G bei den Paralympics. Ein bisschen traurig war ich über die Super-Kombination und den Riesenslalom, weil ich doch wusste: Okay, ich hätte es vielleicht schon noch geschafft, vielleicht in der Super-Kombi, da bin ich ja vierte geworden.“

Immer wieder motiviert sich Rieder über die letzten Tage, um bei ihren Rennen alles zu geben: „Ich habe das so gesehen: ,Heute ist ein neuer Tag, heute beginnen die Paralympics für mich wieder wie neu.’ Dadurch hatte ich im Kopf : ,Das ist okay, ich habe jetzt noch Kraft’“. Mit Erfolg: Nachdem Rieder 2018 in Pyeongchang erstmals Paralympics-Luft schnuppern durfte und im Riesenslalom Platz sechs belegte, kann sie jetzt mit ihrem ersten Edelmetall im Koffer von den Paralympics in Peking zurück ins beschauliche Oberammergau reisen.  

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