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Neuer Trainer von Turbine Potsdam: „Frauen sind einfach fehleranfälliger“
Kurt Russ ist drei Wochen im Amt. Auch er konnte noch nicht die Kehrtwende beim Fußball-Bundesligisten herbeiführen. Gegen Jena soll und muss sich das nun ändern.
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Betrachtet man die nackten Zahlen, ist die aktuelle Situation für Turbine Potsdam relativ alternativlos. Nach sieben Spieltagen in der Fußball-Bundesliga liegen die Brandenburgerinnen auf dem letzten Tabellenplatz, haben nicht ein Tor erzielt, dafür aber 25 Gegentreffer kassiert – mit Abstand am meisten in der Liga. Es braucht also unbedingt eine Kehrtwende.
Betrachtet man die Zahlen seit dem Amtsantritt von Trainer Kurt Russ vor etwas über drei Wochen, ist die Statistik auch nicht wirklich besser. Gegen die SGS Essen unterlag man zu Hause mit 0:3, auswärts bei der TSG Hoffenheim setzte es vor zwei Wochen eine deftige 0:6-Niederlage. „Man muss die Mädels immer wieder aufbauen. Wenn man so eine lange Niederlagenserie hat, dann ist es ganz schwer, dass man das verkraftet“, meint Kurt Russ. „Ich probiere trotzdem, dass sie noch Spaß am Fußball haben, denn ohne den würde es nicht funktionieren.“
Und für Turbine muss es dringend mal wieder funktionieren. Am besten schon am kommenden Samstag, wenn der FC Carl Zeiss Jena und damit der direkte Tabellennachbar im Karl-Liebknecht-Stadion gastiert (14 Uhr, Dazn). „Wir müssen versuchen, den Druck auszublenden, obwohl ich weiß, wie schwer das ist, wenn im Vorfeld immer davon gesprochen wird, dass Jena und Köln die wichtigsten Spiele sind“, sagt Russ.
Der 59-jährige Österreicher spricht aus Erfahrung. In seiner aktiven Karriere bestritt Russ insgesamt 262 Spiele in der österreichischen Bundesliga. Im Profibereich sammelte er erste Erfahrungen beim Kapfenberger SV, eher er nach etwa zwei Jahren 1988 zum Erstligisten First Vienna FC wechselte. Dort erlebte der damals 23-jährige Kurt Russ einen raschen Aufstieg, nahm mit der Vienna am Europacup teil und debütierte bereits am 27. April 1988 – nur einen Monat nach seinem Bundesligadebüt – unter Josef Hickersberger in der österreichischen Nationalmannschaft. Als Stammspieler war er bei der Weltmeisterschaft 1990 in Italien dabei, bei der Österreich allerdings in der Gruppenphase ausschied.
Für Russ ist es die erste Trainerstation im Frauenbereich
Als Profifußballer erlebte Russ folglich gute, aber auch weniger gute Phasen in seiner Karriere, was sich schließlich in seinem Trainerdasein fortsetzte. „Abgesehen von meiner letzten Station, wo ich zwei Aufstiege feiern konnte, habe ich mit meinen Mannschaften immer eher gegen den Abstieg gespielt.“
Russ bringt für die angespannte Situation in Potsdam also eine gewisse Erfahrung mit, wenn auch nur im Männerbereich. Turbine ist seine erste Station im Frauenfußball, auch in Österreich hatte Russ dahingehend bislang keine Berührungspunkte. „Die Abläufe sind genau die gleichen wie bei den Männern, nur die physische Komponente ist anders vorhanden. Und bei den Frauen ist es einfach so, dass sie fehleranfälliger sind“, sagt Russ. „Da muss man schauen, dass man das abstellen kann.“
Zudem müsse mehr an den Basics gearbeitet werden. Vor allem, weil die deutsche Bundesliga laut Russ eine sehr gute Liga sei und Turbine derzeit „schon noch etwas nachhinkt“. Sein erstes Ziel ist es daher, wieder dorthin zu kommen, wo andere Mannschaften bereits sind. „Wir möchten unbedingt in der Liga drin bleiben und dafür müssen wir sehr hart arbeiten.“
In den vergangenen Spielen mangelte es Turbine in vielen Belangen an der nötigen Qualität für die erste Liga. Dabei fällt nicht nur die Torflaute auf, sondern auch das grundlegende Kreieren von Chancen. Einzig im zweiten Spiel der Saison gegen Werder Bremen konnte sich das Potsdamer Team eine Großchance herausspielen.
Hinzu kommt die schwache Defensive, die sich auch im vermeintlich einfachen 4-4-2-System zu leicht auseinander spielen lässt. „Im taktischen und körperlichen Bereich haben wir in der Länderspielpause viel gearbeitet, weil mir aufgefallen ist, dass wir zwar viel laufen können, aber nicht aggressiv genug sind.“ Russ, der in seiner aktiven Zeit als Verteidiger spielte, müsste bei diesem Aspekt schnell die nötigen defensiven Mechanismen etablieren können.
Deutlich mehr Trainingseinheiten als zuvor
Um den physischen Rückstand aufzuholen, führte Russ zwei Trainingseinheiten pro Tag ein mit einem Tag Pause. Unter seinem Vorgänger Marco Gebhardt hatte die Mannschaft nur einmal am Tag trainiert. „Das ist für die Mädels natürlich eine Umstellung, aber das müssen sie halt mittragen. Ich glaube, dass wir trotzdem noch ein bisschen brauchen, bis das wirklich in den Köpfen drin ist.“
Grundsätzlich habe es Zeit benötigt, sich nach dem etwas überraschenden Trainerwechsel aneinander zu gewöhnen. Erschwerend hinzu kam die Verletzenmisere bei Potsdam. So konnte Russ zwischenzeitlich nur mit 14 Spielerinnen trainieren, Leistungsträgerinnen wie Viktoria Schwalm, Irena Kuznezov oder Adrijana Mori fehlen nach wie vor. „Derzeit kämpft man wirklich um alles, aber es gilt einfach, weiter hart zu arbeiten.“

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Am Samstag gehe es Russ zufolge nun in erster Linie darum, nicht zu verlieren. „Natürlich wollen wir gewinnen, aber das ist sicher eine schwierige Aufgabe.“ Jena gilt als sehr junges, aber trotzdem physisch gutes Team mit der nötigen Grundaggressivität. Die Mannschaft von Trainer Florian Kästner konnte bereits zwei Punkte sammeln und liegt damit auf Rang zehn vor dem 1. FC Köln und Turbine. „Ich habe Jena jetzt zweimal gesehen und ich muss sagen, es ist eine sehr aggressive, lauffreudige Mannschaft, die einen sehr schnellen Fußball nach vorne spielt und da müssen wir schon aufpassen.“
Am Samstag möchten Russ und sein Team eine bessere Leistung als zuletzt zeigen und mutiger auftreten als in Hoffenheim. Zu viel Druck möchte der österreichische Trainer aber nicht aufbauen: „Wir müssen gegen alle Mannschaften eine Chance haben, zu punkten, weil man sich nicht nur auf zwei Spiele verlassen darf.“ Trotzdem weiß auch er, dass mindestens ein Punkt gegen Jena eigentlich alternativlos ist.
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