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Berliner Segellehrer Michael Weber im Interview: „Aktiv mitsegeln geht auch im hohen Alter“
Michael Weber kennt das Berliner Revier in- und auswendig. Er weiß, worauf es ankommt, wenn man auf hiesigen Gewässern unterwegs ist und gibt Tipps für Kinder und Erwachsene.
Stand:
Man mag es kaum glauben, aber in den Berliner Häfen, Marinas und Vereinen liegen zusammengenommen mehr Segelboote als in Hamburg, Kiel oder Warnemünde. Die Rede ist nicht von hochseetauglichen Booten, sondern von jenen, mit denen man in Binnengewässern schippern kann. Und davon hat Berlin reichlich: Elf Wasserstraßen mit insgesamt 200 Kilometer Länge durchziehen die Hauptstadt.
Dazu kommen der Wannsee, der Müggelsee und der Tegeler See – Reviere, die ideal für Hobbysegler und ambitionierte Sportsegler sind. Neben privaten Segelschulen, wie die Berliner Segelschule, die Segelschule Hering oder die Segelschule Havel, bieten Vereine sowie die Hochschulen Segelkurse an.
Herr Weber, was fasziniert Sie am Segeln?
Segeln hat für mich viele Seiten. Ich liebe den sportlichen Aspekt, also Regatten zu fahren und mich zu messen. Auf der anderen Seite ist es die Freiheit, mit dem Boot ungebunden unterwegs zu sein. Ein Segelboot ist wie ein Schneckenhaus, mit dem ich reise.
Außerdem gefällt mir, dass Segeln ein altersunabhängiger Sport ist, den ich auch betreiben kann, wenn ich nicht klassisch „athletisch“ bin oder mich im Alter noch fit halten will, weil Segeln eben auch geistig fordert. Und Segeln ist auch ein Gemeinschaftssport – selbst, wenn ich bei der Regatta allein auf dem Boot sitze. An Land – also da, wo das Boot liegt – entstehen meist solidarische Gemeinschaften.
Berlin ist ein deutscher Segel-Hotspot. Das ist für eine Stadt, die nicht an der Küste liegt, eher ungewöhnlich, oder?
Ja, auf jeden Fall. Das hat vor allem mit den vielen Seen und Wasserstraßen zu tun. Und auch ein bisschen mit der Geschichte der Stadt. Schon zu Ost-West-Zeiten nutzten viele Westberliner die Seen, um hier nicht nur zu segeln, sondern auch um ihre Boote zu parken, die sie dann je nach Saison im Schleppverband hoch an die Küste fuhren.
Dieses Hin und Her kann man sich heute sparen. Die großen Boote liegen jetzt in den Küsten-Häfen. Hier in Berlin liegen eher die Jollenkreuzer, also Boote mit einem legbaren Mast und einem beweglichen Schwert, mit denen man bis zur Müritz oder noch weiterfahren kann. Sogar Einstein hatte so ein Boot.
Ein Verein ist für Erwachsene eine gute Adresse.
Michael Weber
Ist denn Segeln für Jedermann? Wann sollte man damit beginnen?
Grundsätzlich kann jeder oder jede Segeln lernen. Es ist wie bei anderen Sportarten: Wer sportliche Ambitionen hat, also Wettkampfsegeln will, sollte im Alter von sechs bis acht Jahren damit beginnen.
Für alle anderen gilt: Es ist nie zu spät. Wobei man ehrlicherweise sagen muss, dass es ab circa 70 schwieriger wird, weil man immer bedenken muss, dass das Boot kentern kann und man es dann zurück ins Boot schaffen muss. Da trennt sich dann die Spreu vom Weizen. Aber aktiv mitsegeln geht auch im hohen Alter immer noch.
Segeln ist im Vergleich zu anderen Sportarten sehr Material-aufwendig und auch teuer. Was raten Sie denn Anfänger:innen oder Interessent:innen?
Ein Verein ist für Erwachsene eine gute Adresse. Allerdings sollte man bedenken, dass Segler-Vereine immer Mitmach-Vereine sind. Es gibt also Zeiten, die für gemeinsame Arbeiten anfallen. Dazu kommt die Zeit, die man mit dem eigenen Boot verbringt, was ja auch gepflegt werden will.
Etwas unverbindlicher ist da eine Segelschule, dort kann man mit einem überschaubaren finanziellen Einsatz das Segeln lernen und testen, ob einem der Sport überhaupt liegt. Denn was romantisch erscheint, ist eben auch Arbeit – körperliche und geistige. Ich rate auch dazu, mal auf einem Urlaubs-Segeltörn mitzufahren.
Auch das ist eine Gelegenheit, den Sport und die damit verbundenen Randbedingungen kennenzulernen. Wer Camping nicht mag, der sollte nicht auf so einen Törn gehen, denn Segeln hat auch viel von einem Campingausflug.

© Jeannette Hagen
Was ist denn für Kinder wichtig?
Segeln ist ein toller Sport für Kinder. Sie sind draußen und lernen die Natur und ihre Gegebenheiten kennen. Kinder, die Segeln lernen wollen, sollten auf jeden Fall Wasser-affin sein. Sie sollten gern und angstfrei ins Wasser springen.
Die meisten Segelschulen und Vereine bieten Ferienkurse an. Die sind zum Reinschnuppern ideal. Danach wissen die Kinder in der Regel, ob sie eine Leidenschaft fürs Segeln haben oder nicht. Gehen Kinder in Vereine, sollten sich die Eltern auch wieder im Klaren darüber sein, dass es nicht nur finanziellen, sondern auch zeitlichen Aufwand bedeutet. Wie bei anderen leistungsorientierten Sportarten kommen Fahrten zu Wettkämpfen und Vereinsarbeit dazu.
Ich sage immer: Die Eltern müssen denselben Ehrgeiz wie die Kinder haben.
Wenn ich mich jetzt entschließe, wie läuft denn ein Kurs ab?
Vor der Praxis kann man einen Theorie-Kurs belegen: Bootskunde, Segelphysik, Ausweichregeln, Wetterkunde. Dann folgt die Bootsgewöhnung, also die Schüler:innen lernen nicht nur, wie die Segel gesetzt werden und das Boot gesteuert wird, sondern auch, wie man mit dem schwankenden Boot klarkommt.
Dazu kommen Grundübungen zum Ankern, Schleppen, Manövrieren, Segel setzen, Segel bergen und reffen. Erst dann folgen die ersten Segelmanöver wie Wenden, Halsen (wie das Boot durch den Wind gesteuert wird), wie die Segel dabei geführt werden und vor allem, wie man auch wieder anhält, der Segler sagt dazu: einen Aufschießer segeln.
Mithilfe der Lehrer werden unterschiedliche Kurse zum Wind gesegelt – auch hier muss gelernt werden, dass man nicht direkt gegen den Wind segeln kann, sondern nur im Zickzack, der Segler sagt dazu: kreuzen.
Am Ende der Ausbildung wird eins der komplexesten Manöver geübt: Boje über Bord, um im Ernstfall alles Mögliche, das über Bord gegangen ist, wieder einzusammeln, auch wenn es nur die Skippermütze ist. Und eine Übung, die auch nicht fehlen sollte: Wie richtet man ein gekentertes Segelboot wieder auf und klettert zurück ins Boot? Diese Aufgabe ist auch eine kleine Mutprobe. Mast- und Schotbruch!
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