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Spanien eine Nummer zu groß für die Schweiz: Die EM-Gastgeberinnen verabschieden sich mit Herz
Die Weltmeisterinnen müssen lange kämpfen, verschießen zwei Elfmeter und dürfen letztlich verdient jubeln. Für die Schweiz überwiegt nach dem Viertelfinal-Aus trotzdem der Stolz.
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Schon in der neunten Minute schien die Fußballgöttin an diesem Abend Schweizerin zu sein. Als Mariona Caldentey zum Elfmeterpunkt schritt und zum Schuss ansetzte, hielt das bis unters Dach gefüllte Wankdorfstadion in der Erwartung des Führungstreffers für Spanien den Atem an. Caldentey lief an, verzögerte kurz – und setzte den Ball links neben das Tor.
Es war das erste Mal an diesem Abend, dass die zahlreichen Schweizer Fans kollektiv aufschrien, nur um wenige Sekunden später zu „Hopp Schwiiz“-Rufen anzusetzen. Auch Nadine Riesen fiel ganz offensichtlich ein riesiger Stein vom Herzen, nachdem sie die Schützin Caldentey zuvor im Strafraum gefoult hatte.
An diesem Freitagabend lief Spanien wieder und wieder an, traf mehrmals nur Aluminium, vergab in Halbzeit zwei einen weiteren Elfmeter – diesmal scheiterte Alexia Putellas an Torfrau Livia Peng –, drohte sich an leidenschaftlich kämpfenden Schweizerinnen die Zähne auszubeißen. Doch irgendwann hatte auch die Schweizer Fußballgöttin kein Ass mehr im Ärmel.
Erst traf die eingewechselte Athenea del Castillo nach Hackenzuspiel von Aitana Bonmatí zum 1:0 (66. Minute), dann schlenzte Claudia Pina den Ball sehenswert zum 2:0-Endstand in den Winkel (71.). Das Wunder von Bern sollte diesmal ausbleiben. „Ich habe mir eigentlich vorgenommen, nicht zu weinen“, sagte Riesen später, den Tränen sichtlich nahe. „Die Fans sind alle unglaublich gewesen. Wir hätten ihnen einfach viel mehr geben wollen.“
Schweiz schießt nicht einmal aufs Tor
Das Team von Trainerin Pia Sundhage stand erwartungsgemäß tief und versuchte, vor allem das Zentrum zu verdichten. Die Spanierinnen fanden in dieser von den 29.734 Fans frenetisch gefeierten Abwehrschlacht lange keine Lösung und wurden nur nach Standards gefährlich. Erst prüfte Pina mit einem Freistoß Peng, dann traf Irene Paredes nur den Pfosten nach einer Ecke.
Die beiden 18-jährigen Talente Iman Beney und Sydney Schertenleib spielten diesmal gemeinsam in der Offensive, bekamen gegen eine physisch starke spanische Abwehr aber ihre Grenzen aufgezeigt. Der Schweiz gelang in den gesamten 90 Minuten kein einziger Torschuss.
Ich war selten so stolz auf ein Schweizer Team. Die Heim-EM hat etwas Wunderschönes in diesem Land ausgelöst und hoffentlich ist es nur der Anfang.
Schweizer Fan
Als Schiedsrichterin Maria Caputi abpfiff, sanken die Gastgeberinnen völlig entkräftet zu Boden. Es dauerte aber keine zehn Minuten, ehe sie schon wieder mit den Fans feiern konnten. Denn am Ende dieses Abends sollte schnell der Stolz auf die gezeigten Leistungen überwiegen. „Das Ergebnis muss man leider so stehen lassen, aber sie haben trotzdem ein super Spiel gemacht, super verteidigt, gekämpft, bis zum Ende nicht aufgegeben“, sagte eine Frau im Schweizer Trikot, die zum zweiten Mal ein EM-Spiel ihrer Nation sehen durfte. „Ich war selten so stolz auf ein Schweizer Team. Das war so schön, mitzuerleben. Die Heim-EM hat etwas Wunderschönes in diesem Land ausgelöst und hoffentlich ist es nur der Anfang.“
Vor dem Turnier hätte wohl kaum jemand auf einen Viertelfinaleinzug des Gastgebers gewettet – trotz der vergleichsweise einfachen Gruppe. Zu groß war die Unruhe im Vorfeld, zu undurchsichtig die Kommunikation der Trainerin und zu schlecht die Strukturen im Schweizer Fußballverband. Trotzdem gelang es den Schweizer Fußballerinnen, eine große Euphorie im Land zu entfachen. Angefangen mit einer achtbaren Leistung gegen Norwegen im Eröffnungsspiel, über einen verdienten Sieg gegen Island bis hin zum Last-Minute-Treffer im entscheidenden Duell mit Finnland, der die Teilnahme an der K.o.-Phase bedeutete.
Das Schweizer Nationalteam hat allen Widrigkeiten getrotzt und sein Sommermärchen erleben dürfen. Dank einiger junger Talente, aber auch erfahrener Spielerinnen wie Kapitänin Lia Wälti und Geraldine Reuteler. „Es ist extrem schwierig, das jetzt in Wörter zu fassen, aber ich bin auch unheimlich glücklich und stolz, auch wenn wir heute verloren haben“, sagte Wälti, die einmal mehr als Leistungsträgerin vorwegging. „Es ist ein Traum, und wir haben das wirklich in vollsten Zügen genossen.“

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Für die Spanierinnen, die sogar noch ein Spalier für ihren Gegner bildeten, geht es nun am Mittwoch im Halbfinale in Zürich weiter. Dort kämpft das Team von Cheftrainerin Montserrat Tomé entweder gegen Deutschland oder Frankreich um seinen ersten Finaleinzug bei einer EM.
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