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Vier Trainerinnen in der neuen Bundesliga-Saison: Diese Faktoren erschweren Frauen den Weg an die Spitze
Erstmals seit über 20 Jahren stehen wieder vier Trainerinnen an der Seitenlinie. Doch der Weg in leitende Positionen bleibt für Frauen im Fußball steinig – trotz steigender Qualifikation. Das hat auch finanzielle Gründe.
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Alle Zeichen deuten auf Fortschritt in der Fußball-Bundesliga der Frauen. Sichtbarkeit und Interesse wachsen seit Jahren – die EM in der Schweiz hat dieser Entwicklung zuletzt einen weiteren kräftigen Schub verliehen. Die Infrastruktur der Vereine wird besser und die Bedingungen im Allgemeinen professioneller.
Wenn die neue Saison, die erstmals mit 14 Teams ausgetragen wird, in etwa einem Monat beginnt, werden zudem vier Trainerinnen auf der Bank Platz nehmen. Bei Union Berlin leitet Ailien Poese die Geschicke, der Hamburger SV hat zur neuen Spielzeit die Brasilianerin Liese Brancao verpflichtet, beim 1. FC Köln ist weiterhin Britta Carlson zuständig und Werder Bremen hat Friederike Kromp als Nachfolgerin von Thomas Horsch vorgestellt.
So viele Cheftrainerinnen waren es zuletzt in der Saison 2002/03. Damals sorgten fünf Trainerinnen für ein nahezu ausgeglichenes Geschlechterverhältnis auf den Chefstühlen der Bundesligisten.
Nachdem in der vergangenen Saison mit Theresa Merk lediglich eine Frau an der Seitenlinie stand (beim SC Freiburg), ist die jüngste Entwicklung also durchaus positiv.
Union ist schon länger dafür bekannt, Frauen im Fußball zu unterstützen, indem man die Spielerinnen bereits in der Regionalliga mit Profiverträgen ausstattete oder Marie-Louise Eta 2023 zur ersten Co-Trainerin in der Geschichte der Bundesliga und der Champions League der Männer machte. Auch Werder gehört zu den wenigen Vereinen, die bereits mehrfach Frauen die Verantwortung auf der Trainerbank übertragen haben.
Zur Wahrheit gehört allerdings auch, dass insgesamt noch zu wenige Frauen leitende Positionen im Fußball besetzen und bei drei aktuellen Bundesligisten noch nie eine Cheftrainerin unter Vertrag stand. Darunter neben Aufsteiger 1. FC Nürnberg die SGS Essen und ein Vorreiter im Frauenfußball – der VfL Wolfsburg.
Das Angebot an qualifizierten Trainerinnen ist dabei durchaus vorhanden: Im Juni vergangenen Jahres verfügten laut DFB 3901 Frauen über eine gültige Trainerlizenz, darunter 2921 mit C-Lizenz, 769 mit B-Lizenz, 96 Trainerinnen mit B+-Lizenz sowie 83 A-Lizenz-Inhaberinnen und eine A+-Lizenz-Inhaberin. Insgesamt zeigte sich ein enormer Anstieg bei den erteilten Lizenzen seit 2023.
Finanzielle Hürden und schlechte Jobchancen
Dass Frauen in diese Positionen dennoch unterrepräsentiert sind, hat vielschichtige Gründe. Da wäre zunächst der Zeitfaktor. Bei Theresa Merk, die ab August 2025 beim 1. FC Köln in der neu geschaffenen Stelle als Leiterin der Akademie weiblich arbeitet, ging es etwa darum, Mutterschaft und Beruf unter einen Hut zu bringen.
Elternzeit muss grundsätzlich thematisiert werden, es muss zum Alltag im Fußball dazugehören.
Theresa Merk, Sportliche Leiterin beim 1. FC Köln
In der abgelaufenen Saison fiel sie ein halbes Jahr aufgrund ihrer Schwangerschaft und der anschließenden Elternzeit aus. „Elternzeit muss grundsätzlich thematisiert werden, es muss zum Alltag im Fußball dazugehören. Wenn Trainer freigestellt werden oder krank sind, gibt es dafür auch klare Regeln“, sagte die 35-Jährige im Interview mit dem Spiegel und forderte individuellere Spielräume. „Mein Tag ist deutlich länger als der einer Spielerin. Bei mir kommen zwischen und nach den Trainingseinheiten mehr Termine hinzu.“

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Eine Umfrage des DFB im Jahr 2022 ergab, dass sich 79 Prozent der befragten Spielerinnen der Bundesliga – eine wichtige Zielgruppe für künftige Trainerinnenpositionen – eine berufliche Karriere im Fußball vorstellen können, das zeitlich aber kaum umsetzbar sei.
Für Nationalspielerinnen hat der DFB deshalb einen Sonderlehrgang zur B+ Lizenz angeboten. „Wir haben früher schon immer ganz viele Spielerinnen animiert, ihre Trainerlizenz zu machen“, sagte die ehemalige Bundestrainerin Silvia Neid dem NDR. „Und viele sind jetzt auch Trainerin. Aber es gibt so wenig Posten, mit denen man wirklich auch Geld verdienen kann. Es muss ja ein hauptamtlicher Job sein“, so die 59-Jährige.
Ein weiterer Hinderungsgrund: die finanziellen Hürden. Die Lizenz A+, mit der man im Jugendbereich in den höchsten Ligen arbeiten darf, kostet insgesamt 20.000 Euro. Für die Uefa-Pro-Lizenz, die es für die Erste und Zweite Liga der Männer zwingend braucht, werden zusätzlich 10.000 Euro fällig.
Hinzu kommen mögliche Verdienstausfälle während des zwölf- bis 15-monatigen Lehrgangs, sowie Kosten für Anreise, Verpflegung und Unterkunft. Nur acht Frauen erwarben in den vergangenen zehn Jahren beim DFB die Pro-Lizenz, auch weil die Anzahl der Stipendien seitens des Deutschen Verbandes zu niedrig ist und das Risikoinvestment angesichts der dürftigen Jobchancen zu hoch.
Frauen bekommen zu wenig Chancen in Vereinen
Denn nach wie vor ist es so, dass es Frauen sowohl im Männer- als auch im Frauenfußball schwerer haben. „Wenn es um die Auswahl von Trainern für höherklassige Männer-Mannschaften geht, wird in der Regel auch auf Männer zurückgegriffen“, sagte Ex-Nationalspielerin und Trainerin von Frankfurts U20-Frauenmannschaft, Julia Simic, gegenüber der „Sports Illustrated“.
Im Frauenfußball ist das oftmals nicht anders. Britta Carlson, Theresa Merk, Kim Kulig (FC Basel) und Sabrina Eckhoff (1. FC Union) gelten als große Trainerinnentalente. Sie alle eint, dass sie in ihrer Karriere bereits als Co-Trainerin beim Frauenteam des VfL Wolfsburgs arbeiteten, allerdings keine Perspektive für mehr aufgezeigt bekamen und den Klub schließlich verließen. Auch Wolfsburgs aktueller Co-Trainerin Carin Bakhuis wurde bislang keine Chance eingeräumt, nachdem Tommy Stroot gekündigt und sie interimsweise übernommen hatte.
Mit dem „Zukunftsprojekt Frauen im Fußball“, das 2023 gestartet wurde, schlägt der DFB die richtige Richtung ein. Die Zielsetzungen wie etwa die Stärkung der Strukturen, die Erhöhung der öffentlichen Wahrnehmung sowie des Frauenanteils in verantwortungsvollen Funktionen müssen aber mit mehr Nachdruck verfolgt werden.
Es gibt inzwischen Maßnahmen wie Mentoringprogramme für Ex-Spielerinnen und erleichterte Zugänge zur Pro-Lizenz durch Finanzierung und flexible Zeitmodelle. Der DFB hat zudem mit mittlerweile 4.000 Frauen mehr Trainerinnen in seinen Reihen als jeder andere Verband. Doch trotz aller Fortschritte bleibt noch viel zu tun, was bei aller Euphorie nicht in Vergessenheit geraten sollte.
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