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Antonio Rüdiger verlor am Samstag in Sevilla seine Concenance.

© IMAGO/NurPhoto

Schleuderte Kühlpad auf den Schiri: Antonio Rüdiger, aggressiver Leader mit mangelnder Impulskontrolle

Antonio Rüdiger steht nach seinem Wutausbruch am Wochenende in der Kritik. Manch einer fordert auch eine Sperre in der Nationalmannschaft. Nun aber fällt er ohnehin lange aus.

Stand:

Ob Antonio Rüdiger über seinen Wutausbruch lachen kann, wie es der „Postillon“ tut? Das Satire-Medium zitierte ihn mit dem Satz: „Ich verspreche, an meinem Aggressionsproblem zu arbeiten“ – um dann genau die Schimpfwörter zu verwenden, die der deutsche Nationalspieler am Samstag im Pokalfinale mit Real Madrid in Richtung Schiedsrichter ausgesprochen hatte.

Es ist davon auszugehen, dass Antonio Rüdiger das alles überhaupt nicht witzig findet. Zumal am Dienstag auch noch bekannt wurde, dass sich der Innenverteidiger einem operativen Eingriff unterziehen musste. Der 32-Jährige leide an einem Teilriss des Außenmeniskus im linken Knie. Rüdiger wird laut Klubmitteilung zeitnah mit der Reha beginnen.

Ein Millionenpublikum hatte beim Sieg des FC Barcelona mitansehen müssen, wie Rüdiger seine Selbstkontrolle komplett verloren hatte. Betreuer, Spieler mussten all ihre Kräfte aufwenden, um ihn vor noch Schlimmerem zu bewahren. Der ausgewechselte Rüdiger hatte den Schiedsrichter vom Spielfeldrand nicht nur verbal beleidigt, sondern auch einen Kühlpack in seine Richtung geworfen und ihn nur ganz knapp verfehlt. Er bekam die Rote Karte und dürfte eine lange Spielsperre bekommen.  

Die Empörung war und ist groß. Rüdiger ist nicht zum ersten Mal aufgefallen, er ist ein Spieler, der polarisiert. Ehemalige Nationalspieler wie Lothar Matthäus und Didi Hamann forderten den Deutschen Fußball-Bund (DFB) auf, zu reagieren, sprich: Rüdiger auch in der Nationalmannschaft für den Aussetzer büßen zu lassen.

Er fordert zu Recht Respekt für sich ein, diesen Respekt muss er ohne Ausnahme auch anderen entgegenbringen.

Rudi Völler, Sportdirektor des DFB

Auch DFB-Sportdirektor Rudi Völler äußerte Kritik an ihm. „Toni ist ein klasse Spieler – aber Klasse muss er als Nationalspieler auch bei seinem Verhalten zeigen. Er fordert zu Recht Respekt für sich ein, diesen Respekt muss er ohne Ausnahme auch anderen entgegenbringen“, sagte er. Von Sanktionen seitens des DFB war bislang aber nicht die Rede – es ist auch nicht anzunehmen, dass noch eine ausgesprochen wird.

Madrid: Antonio Rüdiger von Real Madrid ist nach einem Teilriss des Außenmeniskus operiert worden.

© dpa/privat

Rüdiger gilt als einer der weltweit besten Verteidiger. Oft schon wurde sie erzählt, die außergewöhnliche Aufsteigergeschichte. Rüdiger, Sohn afrikanischer Eltern, wuchs im Berliner Stadtteil Neukölln auf.

Rassismus begleitete seinen Alltag, als er acht Jahre alt war, fragte er zum ersten Mal seinen Vater, was eigentlich das „N“-Wort zu bedeuten hatte, das er immer wieder mal von seinen Schulkameraden zu hören bekam. Etwas später kickte er auf den Bolzplätzen in Berlin, obwohl ihm hier und da gesagt worden war, dass er doch zurück nach Afrika gehen solle.

Als ihn viele Jahre später sein Trainer Thomas Tuchel fragte, was denn seine Geschichte sei, warum er diese Aggressivität in sich trage, soll er nur gesagt haben: „Neukölln!“

Die Aggressivität, die Antonio Rüdiger innewohnt, machte ihn zu dem großen Spieler, der er geworden ist. Rüdiger gewann mit dem FC Chelsea und Real Madrid die Champions League. Spieler wie sein Nationalmannschaftskollege Jonathan Tah schwärmen von ihm, seine Art zu verteidigen, ist für viele vorbildhaft.

Im Grunde hat sein Spiel nur ein einziges Manko: fehlende Impulskontrolle. Rüdiger ist auf dem Platz ein Grenzgänger, immer kurz davor, seine Emotionen nicht in den Griff bekommen. Meistens aber schafft er dies. Zum letzten Mal war er im Jahr 2017 des Feldes verwiesen worden. Der Ausbruch am vergangenen Samstag bestätigte dennoch viele Kritiker.

Die Kritik an ihm rührt auch von einer Stimmungsmache gegen ihn, die vom rechten Rand der Gesellschaft kommt. Die stellvertretende AfD-Vorsitzende Beatrix von Storch hatte vor fünf Jahren den Ausschluss Rüdigers aus der deutschen Nationalmannschaft gefordert, nachdem er auf Instagram einen islamistischen Anti-Macron-Beitrag mit „Gefällt mir“ markiert hatte. Später bedauerte er dies.

Und das von Julian Reichelt betriebene rechte Newsportal Nius hatte vor einem Jahr behauptet, Rüdiger zeige bei Instagram den „Islamisten-Gruß, den spätestens seit dem Grauen der ISIS-Terroristen die ganze Welt kennt“. Die Behauptung bezog sich auf ein Foto, das den bekennenden Muslim Rüdiger auf einem Gebetsteppich zeigt, einen Zeigefinger nach oben gerichtet. Islamexperten bestätigten unisono, dass die Geste nichts mit Terrorismus zu tun hat, sondern – wie von Rüdiger gesagt – mit dem beginnenden Ramadan.

Auch in diesen Tagen herrscht das Gefühl vor, dass Rüdigers Aussetzer höhere Wellen schlägt, als es bei anderen Spielern der Fall wäre. Das alles heißt aber nicht, dass er das vom „Postillon“ in den Mund gelegte Zitat nicht beherzigen sollte – nur ohne die Schimpfwörter, versteht sich.   

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