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Sichtlich erleichtert: Anna-Lena Forster jubelt nach ihrem Gold-Sieg in der Super-Kombination.

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Erstes deutsches Paralympics-Gold in Peking: Die große Erleichterung bei Anna-Lena Forster

Anna-Lena Forster sichert sich Gold in der Super-Kombination und wiederholt ihren Erfolg von 2018.

An dieser Stelle berichtete das Team der Paralympics Zeitung, ein Projekt von Tagesspiegel und der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung. Alle Texte zu den Spielen rund um Peking finden Sie hier. Aktuelles finden Sie auf den Social Media Kanälen der Paralympics Zeitung auf Twitter, Instagram und Facebook.

Wie groß der Druck war, sieht man, wenn man in Anna-Lena Forsters Gesicht bei der Siegerehrung schaut. Die 26-Jährige reißt mit Tränen in den Augen den Krückski gen Himmel und jubelt erleichtert über ihre erste Goldmedaille bei den Spielen in Peking.

Seit der Para-Schneesport-Weltmeisterschaft im Januar, bei der sie überraschend vier WM-Titel holte, ist sie Deutschlands große Medaillenhoffnung und eine Goldmedaille bei den Paralympics deshalb fast schon Pflicht. Nach zweimal Silber in der Abfahrt und im Super-G sollte am Montag endlich der erste goldene Tag für Anna-Lena Forster werden.

Kaum noch Chancen auf Gold

Doch in der Super-Kombination sah es lange Zeit nicht danach aus, dass sie dem immensen Druck standhält. Nach einem schwachen Auftritt in der ersten Disziplin, dem Super-G, lag sie nur auf Rang vier – mit 6,07 Sekunden Rückstand auf Dauerkonkurrentin Momoka Muraoka, die sich mit zwei Goldmedaillen bei den Spielen in einer glänzenden Verfassung zeigt.

„Sechs Sekunden sind schon eine ganz schöne Nummer“, sagte eine enttäuschte Forster, die sich ihren Auftritt selbst nicht erklären konnte: „Ich habe den Lauf offenbar verschlafen.“ Eine Medaille sei zwar „sicher noch realistisch“, aber sie hätte „eigentlich auf die Goldene abgezielt“. Einem solch großen Rückstand hinterherfahren – eine denkbar schlechte Voraussetzung vor der letzten Disziplin. Normalerweise.

Denn vielleicht war auch grade das Forsters Vorteil am Montag. Im Super-G und der Abfahrt startete sie jeweils als erste Fahrerin und damit vor Muraoka auf die Piste und musste somit eine Bestzeit vorlegen. Die Japanerin konnte ihre Auftritte zweimal kontern und sicherte sich Gold. Heute musste die Deutsche erstmalig bei den Spielen in Peking einen Rückstand einer Konkurrentin aufholen, was sie zusätzlich motiviert haben sollte. Mit dem Slalom konnte sie ihre Bestleistung in ihrer absoluten Paradedisziplin zeigen, in der sie außerdem deutlich besser als die Konkurrenz aus Japan ist. „Momoka hat Gas gegeben, weil ihr bewusst war, dass ich im Slalom stärker bin“, sagte Forster vor dem zweiten Durchgang und sendete damit doch noch eine indirekte Kampfansage an Muraoka.

Aufholjagd in Paradedisziplin

Im Slalom bestätigte sie diese Aussage vom Start an. Forster fuhr deutlich risikoreicher und fand schnell ihren Rhythmus. Sie zeigte einen technisch starken Auftritt, fuhr eine enge Linie um die Tore und machte dadurch viel Zeit gut. Bei schwierigen Schneeverhältnissen ließ sie allerdings kurz vor dem Ziel Zeit liegen, als sie für einen Moment wegdriftete. So kam sie mit einer starken Zeit von 44:93 Sekunden über die Ziellinie, zeigte sich aber wegen des kleinen Patzers am Ende ein wenig enttäuscht: „Natürlich ärgert es, wenn man dann noch mal so hängen bleibt, weil ich wusste, ich muss jede Sekunde irgendwie rausquetschen.“ Danach hieß es abwarten und hoffen, dass diese Zeit ausreicht.

Im Slalom kann Anna-Lena Forster die verlorene Zeit aus dem Super-G wieder gut machen und katapultiert sich auf Platz eins.
Im Slalom kann Anna-Lena Forster die verlorene Zeit aus dem Super-G wieder gut machen und katapultiert sich auf Platz eins.

© REUTERS

Das Glück war auf Forsters Seite. Die Niederländerin Barbara van Bergen konnte ihren Lauf nicht beenden und auch die Chinesin Sitong Lui konnte Forsters Auftritt nicht kontern. Dann stand nur noch Momoka Muraoka im Starthaus und damit machten die Deutsche und Japanerin den Kampf um Gold wie so oft unter sich aus. Muraoka startete mit ihrem großen Vorsprung von 6,09 Sekunden in den Slalom, verlor aber im oberen Teil der Strecke schon mehr als zwei Sekunden. Dieser Abwärtstrend setzte sich nach einigen kleineren technischen Fehlern fort, sodass sie mit einem Rückstand von 77 Hundertsteln auf Forster in das Ziel fuhr.

Das bedeute Gold für die Technikspezialistin – an einem Tag, an dem sie selbst nicht mehr daran geglaubt hat: „Es ist wirklich verrückt, damit habe ich heute wirklich nicht gerechnet“, sagte eine sichtlich erleichterte Forster. Sie hätte „niemals gedacht“, dass sie „sechs Sekunden aufholen kann“. „Hier noch Gold zu holen war einfach so emotional für mich und so erleichternd, weil eben schon noch viel Druck von außen kam. Da bin ich jetzt auch einfach froh, dass ich wenigstens eine Goldmedaille schon in der Hand habe.“

Hilfe von Sportpsychologin

Eine Aussage, die zeigt, dass die 26-Jährige bei den Spielen auch weiterhin unter Druck stehen wird. Im Riesenslalom und Slalom startet Forster in zwei Disziplinen, in denen sie erneut als Topfavoritin gehandelt wird. „Wir sind froh, dass es gereicht hat und wir die erste Goldmedaille verbuchen können“, bringt Bundestrainer Justus Wolf die Erwartungshaltung an Forsters nächsten Auftritte indirekt auf den Punkt.

Um mit einem solchen Druck umzugehen, hat Forster seit einigen Monaten Hilfe einer Sportpsychologin. Forster, die selbst einen Bachelor in Psychologie hat, hätte in den letzten Monaten „mental viel gearbeitet“ und sie vermutet, dass sie auch das „stark gemacht“ hätte. Diese Stärke wird sie in den nächsten Rennen bei den Paralympics brauchen, – um unter dem großen Druck nicht zusammenzubrechen und frei auffahren zu können. 

Magdalena Austermann

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