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Ein Archäologe analysiert mit einem Tablet die Oberfläche einer Kohlemine.

© Getty Images/Monty Rakusen

Neuer Studiengang an der FU: Wo Archäologie und Informatik zusammengeführt werden

Die Freie Universität Berlin baut aktuell das Institut für Computational Ancient Studies (CompAS) auf. Was können Studierende und Forschende dort erwarten?

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Was haben Scherben einer Fundstätte in Mecklenburg-Vorpommern mit denen einer Grabung aus Schleswig-Holstein gemein? Und findet sich das Muster auf einem bronzezeitlichen Schmuckstück auch anderswo? Mit der digitalen Erfassung archäologischer Funde bietet sich Wissenschaftlern heute die Möglichkeit, Zusammenhänge in kürzester Zeit am Bildschirm zu prüfen, ohne erst aufwendige Reisen zu Museen oder Archiven zu unternehmen.

Doch wie schafft man Ordnung und Zugriffsmöglichkeiten in der wachsenden Datenflut? Archäologinnen und Archäologen haben sich bisher mehr oder weniger im Selbststudium mit der Digitalisierung auseinandergesetzt, ein systematischer Ansatz fehlte.

Der erste Studiengang für Archäoinformatik in Deutschland

An der Freien Universität Berlin entsteht aktuell mit dem „Institut für Computational Ancient Studies“ (CompAS) das erste Institut in Deutschland, an dem ein Studiengang Archäoinformatik etabliert werden soll. Der Informatiker Hubert Mara baut es zusammen mit der Ägyptologin und Juniorprofessorin Eliese-Sophia Lincke auf. Die ersten Lehrveranstaltungen finden bereits statt, Ziel sind aber ein eigener Bachelor- und Masterstudiengang.

„Man muss im Kopf Platz für die Naturwissenschaften machen, ich habe mich der Archäologie immer von der Informatik her genähert, um deren Methoden in die Archäologie einzuführen“, sagt Mara. Beide Wissenschaften müssten sich in ihren Denkweisen annähern, um wirklich interdisziplinär zusammenarbeiten zu können.

Der Informatiker Hubert Mara baut an der Freien Universität Berlin das Institut für Computational Ancient Studies (CompAS) auf.

© Rolf Brockschmidt

Diesem Ansatz folgt auch Kai-Christian Bruhn, Professor für interdisziplinäre Anwendungen raumbezogener Mess- und Informationstechnik an der Hochschule Mainz. Bruhn arbeitet seit zehn Jahren an der Digitalisierung der Geisteswissenschaften, Mara hat vor seinem Wechsel nach Berlin einige Zeit mit ihm geforscht.

„Digitalisierung ist mehr als der Transfer ins Dreidimensionale. So werden wir nur digitale Fassaden bauen, hinter denen aber noch ein Altbau steht. Wenn wir zusammenarbeiten wollen, dann müssen wir viel Arbeit in ein Miteinander investieren, das ist ein schwieriger Prozess“, meint Bruhn zu den unterschiedlichen Denkkulturen.

Muster schneller erkennen mit KI

Das sieht auch Mara so: „Der Informatiker will erst die große Masse an Daten bearbeiten, am liebsten 80 bis 90 Prozent. Geisteswissenschaftler:innen sind aber eher am Detail und dem Besonderen interessiert.“ Die Informatik sei gut in der Mustererkennung, also könne man etwa eine große Menge an Scherben, die bei der Datierung von Fundorten wichtig sind, schneller mit Künstlicher Intelligenz erfassen und analysieren.

Das ersetze nicht die Einzelbetrachtung des Objektes. KI helfe aber, größere Mengen an Funddaten schneller zu analysieren und zu vergleichen, erläutert Mara. „Es gibt die Möglichkeit der 70 zu 30 Ausbildung, 70 Prozent Archäologie und 30 Prozent Informatik. Wir müssen die Studierenden langsam an die Digitalität heranführen“, sagt Mara.

Der Informatiker will erst die große Masse an Daten bearbeiten. Geisteswissenschaftler:innen sind eher am Detail und dem Besonderen interessiert.

Hubert Mara, Informatiker

Berührungsängste sehen Hubert Mara und Eliese-Sophia Lincke für den neuen Studiengang nicht. Die Mainzer Erfahrung zeige, dass viele Studierende in der Freizeit relevantes Vorwissen erlangt haben, sagt Mara.

Entscheidend sei es, dass die Daten frei verfügbar seien, wie es vorbildlich das Deutsche Archäologische Institut (DAI) in Berlin mache. „Es gibt insgesamt etwa eine halbe Million Tontafeln mit Keilschrift, davon sind aber bisher höchstens 3000 Digitalisate offen verfügbar. Da ist noch viel zu tun und das ist ja nur ein Beispiel aus der Archäologie“, sagt Mara.

Datenbank zu weltweit erfassten Rollsiegeln

Elisa Roßberger vom Institut für Vorderasiatische Archäologie der FU, die ebenfalls in den Aufbau des neuen Instituts eingebunden ist, arbeitet gerade mit daran, die große Menge weltweit verstreuter Rollsiegel in einer gemeinsamen Datenbank für die Forschung zu erschließen. Es werde in Zukunft immer wichtiger, dass die Studierenden der Altertumswissenschaften an die Informatik herangeführt würden und sie auch lernten, für eigene Projekte und Fragen Programme zu schreiben, sagt Mara.

Interdisziplinär heiße dann aber, dass jede Seite etwas einbringe und dann etwas Neues, Gemeinsames entstehe. Das sei auch der Grund dafür gewesen, dass das Präsidialamt der Freien Universität die Mittel für das neue Institut bereitgestellt habe, „es wurde niemandem etwas weggenommen“, sagt Mara im Hinblick auf die aktuellen Sparrunden der Berliner Landespolitik.

Mit den Möglichkeiten einer zusätzlichen Qualifikation im Bereich der Archäoinformatik eröffnen sich für die Archäologie und junge Wissenschaftler in den nächsten Jahren jedenfalls vielversprechende Möglichkeiten.

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