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In Ruhleben verbrennt die Berliner Stadtreinigung jährlich 580 000 Tonnen Abfall. Für jede Tonne wird nach den Plänen der Bundesregierung im kommenden Jahr eine Klimaabgabe von 35 Euro fällig. Die Gebühr steigt bis 2026 auf 65 Euro.

© imago images / Schöning

Regierung will CO2-Abgabe einführen: Der Müll wird teurer

Von 2023 an müssen Verbrennungsanlagen eine CO2-Abgabe zahlen. Die Branche schlägt Alarm und befürchtet Abfallexporte und Deponierung des Mülls.

Abfall heizt im kommenden Winter die Wohnungen in Brandenburg. Von der Müllverbrennungsanlage Premnitz fließt heißes Wasser durch 19 Kilometer Rohrleitungen in die Stadt an der Havel. Brandenburg braucht deshalb weniger Erdgas und das Klima wird geschont: Die „grüne Fernwärme“ bläst 70 000 Tonnen weniger CO2 in die Luft als Gas.

Vor vier Wochen wurde die „2. Linie der Energetischen Verwertungsanlage für Ersatzbrennstoffe (EVE)“ in Premnitz eingeweiht. 300 000 Tonnen Müll aus sechs Landkreisen verbrennt die Anlage des Unternehmens EEW im Jahr. Und trägt damit ein wenig dazu bei, die Abhängigkeit vom russischen Gas zu reduzieren.17 Prozent der Fernwärme stammen hierzulande aus 72 Müllverbrennungsanlagen, in denen im Jahr 26 Millionen Tonnen verfeuert werden. Im Müllheizkraftwerk Ruhleben entsorgt die BSR 580 000 Tonnen Berliner Müll.

Für eine Tonne werden 35 Euro fällig

Für die Verbrennung einer Tonne Müll werden zwischen 100 und 150 Euro berechnet – je nach Region und nach Art des Mülls. Diese Form der Verwertung wird vom nächsten Jahr an teurer: Bei der Verbrennung einer Tonne Müll fällt ungefähr eine Tonne CO2 an. Für jede Tonne CO2 ist von 2023 an eine Abgabe zu zahlen. Es beginnt mit 35 Euro und endet vorläufig 2026 bei 65 Euro. Im kommenden Jahr wird also die Müllverbrennung insgesamt um gut 900 Millionen Euro teurer (35 mal 26 Millionen Tonnen), 2026 wären es knapp 1,7 Milliarden. Zahlen müssen das die Müllverursacher, also die privaten Haushalte und die Unternehmen.

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"Keine Auswirkung auf den Klimaschutz"

Mit dem Start des nationalen Emissionshandels 2021 waren zunächst nur die Hauptbrennstoffe Benzin, Diesel, Heizöl und Erdgas mit einem CO2-Preis nach dem Brennstoffemissionshandelsgesetzes (BEHG) belegt worden. Jetzt ist der Abfall dran – und die Aufregung ist groß, seitdem Mitte Juli der Gesetzentwurf des Bundeswirtschaftsministeriums vom Bundeskabinett verabschiedet worden war. „Wir können nicht nachvollziehen, dass in der aktuellen Krisenlage, in der die Bundesregierung händeringend nach Entlastungsmöglichkeiten für die Bürgerinnen und Bürger sucht, zusätzliche Belastungen in Milliardenhöhe ausgelöst werden sollen“, schimpfte Ingbert Liebing, Hauptgeschäftsführer des Verbandes kommunaler Unternehmen, zu dem auch die kommunalen Entsorgungsbetriebe gehören. „Eine CO2-Bepreisung der Müllverbrennung und damit eine zwangsläufige Erhöhung der Abfallgebühren hätten keine klimaschützende Lenkungswirkung, da diese Anlagen einen gesetzlichen Entsorgungsauftrag zu erfüllen haben und nicht auf andere Brennstoffe ausweichen können.“

BSR erwartet Erhöhung um ein paar Prozent

Die Berliner Stadtreinigung geht von einer Erhöhung der Müllgebühren „im einstelligen Prozentbereich“ aus, wenn es so kommt, wie von der Regierung geplant. In diesem Fall, so die BSR „sollten die Einnahmen aus dem BEHG im Rahmen der Klimafondsförderung für die Finanzierung neuer, emissionsmindernder Techniken der Kreislaufwirtschaft“ genutzt werden, wie zum Beispiel für die CO2-Abscheidung oder die Herstellung von Wasserstoff.

Der Marktführer EEW Energy from Waste (EEW) verbrennt in Premnitz und 16 weiteren Müllverbrennungsanlagen jährlich fünf Millionen Tonnen Abfall und Klärschlamm. Der Marktführer gehörte einst zum Eon-Konzern, dann kurzzeitig zu einem schwedischen Finanzinvestor, der EEW 2016 für 1,4 Milliarden Euro an ein chinesisches Unternehmen verkaufte. Offenbar ist die Müllverbrennung ein lukratives Geschäft. Und die Chinesen brauchen Know-how für die technologisch komplizierte Müllverbrennung inklusive Rauchgasreinigung. Schätzungen zufolge werden in China rund 1000 Verbrennungsanlagen benötigt.

Müllverbrennung sieht so aus wie ein kleiner Chemiepark: Inklusive Rauchgasreinigung sind die Anlagen bis zu 250 Meter lang.
Müllverbrennung sieht so aus wie ein kleiner Chemiepark: Inklusive Rauchgasreinigung sind die Anlagen bis zu 250 Meter lang.

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Man habe die von der Bundesregierung getroffene Entscheidung, bei der energetischen Verwertung nicht recycelbarer Abfälle freiwerdende CO2-Emissionen besteuern zu wollen, „mit Verwunderung zur Kenntnis genommen“, sagt EEW-Chef Bernard M. Kemper. Damit entstünde eine sich weiter anheizende Inflationsspirale, die vor allem Haushalte mit geringem Einkommen exponentiell stark belasten werde. Und weiter: „Kommt das BEHG in dieser Form werden mehr Abfälle exportiert und schlimmstenfalls deponiert.“

Deponieverbot in Deutschland

In Deutschland gibt es seit 2005 ein Deponieverbot für Siedlungsabfall, wie der Müll der privaten Haushalte genannt wird. Der Müll wird hierzulande entweder wiederverwertet (das gilt für Papier, Glas und Metall, eingeschränkt auch für Kunststoffe), verbrannt oder exportiert. In vielen anderen Länder, vor allem in Südeuropa, gibt es kein Deponieverbot. Wenn der deutsche Müll also künftig in diesen Länder landet, weil die Verbrennung in Deutschland zu teuer geworden ist, „würde mehr Methan emittiert und das Problem klimaschädlicher CO2-Emissionen verfünfundzwanzigfacht", behauptet EEW-Chef Kemper.

Mit solchen Rechnungen möchte die Verbrennerbranche die Pläne der Regierung verhindern oder zumindest verändern. Dabei sieht der Gesetzentwurf eine differenzierte Bepreisung je nach Stoffströmen vor: Der CO2-Preis für den normale Hausmüll würde demnach nur mit einem Faktor von 0,28 berechnet, je Tonne wären also nicht 35 Euro fällig, sondern nur 9,80 Euro. Kunststoff dagegen würde mit dem Faktor 1,99 belastet, die Verbrennung einer Tonne Plastik kostet also knapp 70 Euro. Mit dem hohen Preis will die Politik einen Anreiz zum Recycling schaffen – der aber auch ein Anreiz zum Plastikexport sein könnte.

Ins günstige Ausland ausweichen

„Deutschland müsste sich den Vorwurf gefallen lassen, durch steigende Müllexporte die eigene Klimabilanz schön zu rechnen. Ein nationaler Alleingang würde dem Klimaschutz einen Bärendienst erweisen“, meint VKU-Chef Liebing und findet grundsätzlich „den CO2- Preis für die Siedlungsabfallentsorgung fachlich falsch und sozial ungerecht“. Und EEW hat bereits beobachtet, "dass Kommunen mit Verweis auf die Auswirkungen der BEHG-Novelle Abfallausschreibungen in Nachbarländer ohne CO2-Besteuerung vergeben". Ferner "hören wir deutschlandweit Berichte über zunehmendes Littering, illegale Entsorgung in Wäldern, Parks und an Straßenrändern", teilte ein EEW-Sprecher mit.

Alba ist gegen die Müllverbrennung

Andere haben etwas anderes vor mit dem Müll. „Abfall gehört nicht ins Feuer sondern ins Recycling“, sagt Alba-Chef Eric Schweitzer und ärgert sich, dass die Müllkraftwerke sogar noch Geld dafür bekommen, dass sie den Restmüll verfeuern und daraus teuer Strom und Wärme verkaufen können. Die Betreiber der Müllheizkraftwerke hätten wenig Interesse an Mülltrennung und Recycling – dem Geschäft von Alba. „Jeder, der seine Abfälle in die schwarze Tonne wirft oder falsch trennt, füttert damit die klimaschädlichen Müllverbrennungsanlagen“, sagt Schweitzer.

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