zum Hauptinhalt
Olaf Scholz mit dem spanischen Premier Pedro Sánchez.

© AFP / MIGUEL RIOPA

Deutsch-Spanischer Gipfel: Pyrenäen-Pipeline soll kommen

Kanzler Scholz und Spaniens Regierungschef Pedro Sánchez setzen auf stärkere Energie-Zusammenarbeit. Frankreich konnten sie von ihren Plänen noch nicht überzeugen

Deutschland und Spanien geben nicht auf. Die Regierungen beider Länder wollen Frankreich weiterhin davon überzeugen, dass die Fertigstellung einer europäischen Süd-Nord-Gaspipeline (MidCat) durch das Pyrenäen-Gebirge sinnvoll ist.

Auf einem bilateralen Regierungsgipfel in der spanischen Atlantikstadt A Coruña zeigten sich Deutschlands Bundeskanzler Olaf Scholz und Spaniens Ministerpräsident Pedro Sánchez am Mittwochabend einig und betonten, dass das MidCat-Projekt für die künftige europäische Energiesicherheit unverzichtbar sei.

Sánchez forderte die französische Regierung auf, den bereits vor Jahren vereinbarten Ausbau des europäischen Energieverbunds, zu dem auch die MidCat-Pipeline gehöre, nicht zu behindern.

„Das ist keine bilaterale Frage, sondern sie betrifft die gesamte EU.“ Es gehe darum, die europäische Versorgung sicherzustellen, die Interessen einzelner Staaten müssten da zurückstehen.

„Die Europäische Union muss sich bei der Energieversorgung noch stärker vernetzen“, sagte Scholz. Und zwar auch zur künftigen Versorgung mit erneuerbarer Energie.

„Der Anschluss der Iberischen Halbinsel an das europäische Pipeline-Netz wäre ein wichtiger Schritt für uns alle.“ Deshalb unterstütze er ausdrücklich den Bau der MidCat-Pipeline, die ein Schlüsselelement in der Süd-Nord-Vernetzung sei.

Zum Abschluss des bilateralen Treffens wurde ein Aktionsplan vereinbart, in dem die Energiekooperation festgeschrieben wurde. Danach wird angestrebt, die MidCat-Pipeline bis spätestens 2025 fertigzustellen.

86
Kilometer der Pipeline sind auf spanischer Seite schon gebaut,

Sie soll in der Zukunft auch Wasserstoff transportieren können. Dazu sollen Gespräche mit Paris aufgenommen werden, an denen die EU-Kommission beteiligt wird.

Bisher lehnt Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron das Projekt ab, weil es sich wirtschaftlich nicht lohne und umweltpolitisch nicht durchsetzbar sei.

Die 300 Kilometer lange Röhre, deren Bau 2019 gestoppt worden war, soll nach Fertigstellung zunächst überschüssiges Erdgas aus Spaniens Flüssiggasanlagen nach Zentraleuropa transportieren.

Nicht weit vom Ort des deutsch-spanischen Gipfels in der Stadt A Coruña liegt im Hafen des Ortes Mugardos eines von sechs großen Gasterminals, die Spanien besitzt – während Deutschland bisher kein einziges hat.

An den Terminals docken die mit verflüssigtem Erdgas gefüllten Riesentanker an, die im Falle Spaniens vor allem aus den USA, Algerien und Nigeria kommen. In den Anlagen wird das Flüssiggas, das nach der englischen Bezeichnung „liquefied natural gas“ kurz LNG genannt wird, wieder in Erdgas verwandelt.

Wir besitzen die größte Flüssiggas-Infrastruktur in ganz Europa.

Pedro Sánchez

2023 will Spanien ein siebtes Gasterminal im Atlantikhafen der Stadt Gijón in Betrieb nehmen. Nach Angaben des Betreibers Enagas können dann allein in Gijón pro Jahr 100 Supertanker abgefertigt werden, deren LNG-Ladung acht Milliarden Kubikmeter Erdgas entspreche - nahezu 15 Prozent jener Menge, die früher durch die von Russland nach Deutschland führende Pipeline Nordstream 1 strömte.

„Wir besitzen die größte Flüssiggas-Infrastruktur in ganz Europa“, sagt stolz Ministerpräsident Sánchez. Spanien habe 30 Prozent aller Kapazitäten der EU. Er bietet Deutschland und anderen europäischen Ländern an, diese Kapazitäten zu nutzen, denn die spanischen Anlagen sind nicht ausgelastet.

Sánchez kann sich sogar vorstellen, dass sein Land zum europäischen LNG-Tor wird: „Spanien hat die Chance, sich in einen Export-Hub für Flüssiggas und in eine Alternative zum russischen Gas für viele EU-Länder zu verwandeln.“

Wir brauchen keine neuen Gasverbindungen.

Emmanuel Macron

Das klingt verlockend. Doch zunächst muss noch der Widerstand aus Paris überwunden werden. „Wir brauchen keine neuen Gasverbindungen“, sagte Frankreichs Präsident Macron nach einem Gespräch mit Scholz im September.

Zwei kleinere Pipelines, die bereits zwischen Spanien und Frankreich existieren, seien selbst jetzt, Monate nach Beginn des russischen Krieges gegen die Ukraine und der nachfolgenden Gasknappheit, nicht ausgelastet. Zudem werde es viel zu lange dauern, bis eine neue Pipeline quer durch die Pyrenäen fertig sei.

Kurz: Die Annahme, dass MidCat Europas aktuelle Gasprobleme lösen könne, sei „absolut falsch“, erklärte Macron. „Ich verstehe nicht, warum wir wie Pyrenäen-Ziegen auf diesem Thema herumspringen müssen.“ Immerhin zeigt sich Macron zum Dialog bereit. Wenn es neue Argumente gebe, sei er durchaus bereit, seine Meinung zu überdenken.

Einige Argumente, mit denen Berlin und Madrid die Regierung in Paris überzeugen wollen, wurden nun beim Gipfel deutlich. Dazu gehört der Hinweis, dass der Bau von MidCat ganz unabhängig vom Gas rentabel sein könnte.

Protestler bei einer Demo gegen die Midcat-Pipeline 2017 in Barcelona.
Protestler bei einer Demo gegen die Midcat-Pipeline 2017 in Barcelona.

© imago images/ZUMA Wire / Copyright Paco Freire

Etwa um in einer grünen Zukunft ohne fossile Brennstoffe Wasserstoff durch die Röhre zu pumpen – dies dürfte zudem eine EU-Förderung erleichtern. Oder die Bemerkung, dass man sich gegebenenfalls statt mit Frankreich auch mit dem Mittelmeernachbarn Italien stärker vernetzen könne – was Paris nicht gefallen dürfte.

Der Bau der MidCat-Leitung, die vom nordspanischen Martorell mehr als 300 Kilometer bis ins südfranzösische Barbaira führen soll, begann übrigens bereits 2013. 86 Kilometer weit kamen die Ingenieure mit ihrer Röhre auf spanischer Seite.

Dann war Schluss, weil 2019 in Paris, aber auch in Madrid und Brüssel Zweifel an der Wirtschaftlichkeit aufkamen - bis der Krieg in der Ukraine das eingefrorene Projekt wieder auf die Tagesordnung brachte.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false