zum Hauptinhalt
Vorbereitet. Mitarbeiter eines niederländischen Unternehmens üben das Anlegen eines Schutzanzuges.

© dpa

Angst vor Ebola: Eine Seuche für die Wirtschaft

Viele deutsche Unternehmen halten trotz Ebola an ihrem Afrika-Geschäft fest. Die Fluggesellschaften sind vorsichtig geworden. Wovor alle warnen: Hysterie.

Reinhold Festge war gerade in Nigeria. Ebola ist für den Präsidenten des Branchenverbandes des deutschen Maschinenbaus (VDMA) kein Grund, nicht weiter auf ein stärkeres Engagement der deutschen Unternehmen in Afrika zu setzen. Bei Ankunft und Abreise werde in Lagos das Fieber gemessen. Weitere Einschränkungen gebe es nicht. Festge sieht in den 54 Ländern des Kontinents einen wichtigen Markt für Deutschlands Maschinenbauer. Den dürfe man nicht allein den Chinesen oder Indern überlassen.

Wer sich auskennt in Afrika, kann die Risiken einschätzen

Festge will sich durch Ebola nicht vom weiteren Engagement auch in Nigeria oder Ghana, also Ländern in unmittelbarer Nähe der am stärksten betroffenen Staaten, abhalten lassen. Generell sind Liberia, Guinea und Sierra Leone für Deutschlands Wirtschaft nach Angaben der German Trade & Invest, der Außenwirtschaftsgesellschaft beim Bundeswirtschaftsministerium, sehr kleine Partner. Bei Guinea lag das Handelsvolumen 2012 bei knapp 160 Millionen Euro, bei Liberia bei 57 und bei Sierra Leone nur bei 28 Millionen Euro.

Auch bei der Deutschen Investitions- und Entwicklungsgesellschaft (DEG), einer Tochter der staatlichen KfW, die sich um private Investitionen auch deutscher Unternehmen in Schwellen- und Entwicklungsländern bemüht, gibt es noch keine Hinweise, dass geplante Vorhaben in Ghana, der Elfenbeinküste oder Nigeria angehalten oder gar eingestellt werden. „Aber natürlich ist die Reisetätigkeit derzeit eingeschränkt, auch Konferenzen in der Region bis in den Kongo wurden abgesagt, um Absagen von Teilnehmern zuvorzukommen“, sagt Karl Weinfurtner, Leiter der Afrika-Abteilung. „Die Wahrnehmung vieler Geschäftsleute auch in Europa ist aber durchaus differenzierter als das öffentliche Meinungsbild.“

Die meisten Reedereien fahren Liberias Hauptstadt nicht mehr an

Trotzdem warnt der Vorsitzende des Afrika-Vereins der deutschen Wirtschaft, Stefan Liebing, vor Hysterie, denn die sei „ansteckender als Ebola selbst“. Die Unternehmen, die schon lange in Afrika arbeiten, da gibt er Weinfurtner recht, könnten die Risiken sehr genau einschätzen – und machten in „den 51 nicht von Ebola betroffenen Ländern weiter“. Aber Unternehmen, die ins Afrika-Geschäft einsteigen wollten, „könnten sich abgeschreckt fühlen“, sagt er. Dabei gehe es jetzt darum, „das Ebola-Virus zu isolieren und nicht die Länder“, wie das der Ebola-Beauftragte der Bundesregierung Walter Lindner vor seiner Abreise nach Westafrika vor einer Woche sagte. Nach Liebings Kenntnis fahren die meisten Reedereien Liberias Hauptstadt Monrovia nicht mehr an. Der Ölkonzern Exxon-Mobil hat ebenso wie der Stahlkonzern Arcelor-Mittal den Betrieb in den drei betroffenen Ländern zunächst eingestellt. Was allerdings weitergeht, ist eine neue Bieterrunde für Offshore-Ölfelder vor Liberia. Und trotz Ebola verzeichnen Analysten daran großes Interesse.

Warum die Fluggesellschaften besonders nervös sind

Unmittelbar betreffen könnte die Epidemie aber Reiseveranstalter und Fluggesellschaften. Lufthansa fliegt in Westafrika direkt nach Lagos und Abuja in Nigeria und nach Accra in Ghana. Es gebe keine Einschränkungen bei diesen Flügen, sagt Lufthansa-Sprecher Thomas Jachnow. „Die Auslastung ist gut, auch die Buchungen gehen nicht zurück.“ Insgesamt hatte Lufthansa im September zusammen mit den Konzerngesellschaften Brussels Airlines, Swiss und Austrian bei ihren Flügen nach Afrika und in den Nahen Osten 409 000 Passagiere an Bord, 3,3 Prozent mehr als vor einem Jahr.

In den Flugzeugen sitzen meist Helfer und Ärzte

Direkt in die drei betroffenen Länder fliegt allerdings nur noch Brussels – und dies mittlerweile als einzige europäische Airline. Erst in der vergangenen Woche haben die britischen Behörden der Germania-Tochter Gambia Bird untersagt, ihre Flüge von Freetown in Sierra Leone nach Großbritannien fortzusetzen. Und auch bei Brussels gibt es Einschränkungen. Bis April gab es wöchentlich sieben Flüge nach Conakry, Monrovia und Freetown. Jetzt sind es nur noch vier. Das Profil der Passagiere habe sich aber geändert, sagt Sprecherin Wencke Lemmes-Pireaux. Die Mehrzahl seien derzeit Ärzte, Helfer oder Europäer, die in den Ländern leben, aber weniger Geschäftsreisende. Zudem transportieren die Maschinen viele Hilfsgüter. Dies alles geschehe bei sehr genauen Gesundheitskontrollen. Sowohl Hilfsorganisation als auch die Regierungen von Liberia, Sierra Leone und Guinea würden dringend darum bitten, dass Brussels die Länder weiter anfliegt. Brussels-Air-Chef Bernard Gustin sagt: „Wir sind zwar keine Hilfsorganisation, doch müsste das Risiko schon massiv steigen, damit wir die Flüge streichen.“

Deutscher Reisebüro-Verband sieht keine Einschränkungen

Allerdings gibt es auch in Belgien inzwischen eine Debatte darüber. Piloten und Stewardessen sehen die fortgesetzten Flüge nach Westafrika eher kritisch, das Bodenpersonal streikt. Lemmes-Pireaux sagt deshalb: „Wir schauen uns die Situation jeden Tag sehr genau an.“

Beim Deutschen Reisebüro-Verband (DRV) sieht man noch keine Einschränkungen. Es gebe bei Reisen nach Afrika keine Stornierungen oder große Umbuchungswellen. „Wie das bei Neubuchungen aussieht, können wir noch nicht sagen“, betont DRV-Sprecherin Sibylle Zeuch. Hauptreiseziele für Deutsche seien Kenia, Namibia und Südafrika. „Und wer nach Afrika reist, weiß zu differenzieren zwischen den 54 Ländern.“

Die Wirtschaft der betroffenen Länder liegt am Boden

Für die betroffenen Staaten in Afrika sind die wirtschaftlichen Auswirkungen der Krise allerdings jetzt schon dramatisch. Bei der Weltbanktagung in Washington richtete Kaifala Marah, der Finanzminister aus Sierra Leone, einen verzweifelten Appell an die versammelten Minister und Banker. „Wir waren mit zweistelligen Wachstumsraten auf einem guten Weg. Dann kam Ebola.“ Komplette Wirtschaftssektoren lägen am Boden, der Tourismus und der Luftverkehr müssten enorme Einbußen hinnehmen. „Unser Land ist faktisch isoliert.“ Neben dem menschlichen Drama gebe es praktisch ein wirtschaftliches Embargo, das die Krise zusätzlich verstärke.

Der Internationale Währungsfonds (IWF) stellt insgesamt 130 Millionen Dollar für die drei betroffenen Länder bereit, die Weltbank mobilisiert 400 Millionen Dollar. „Wir machen Fortschritte, aber wir hinken immer noch hinterher“, sagte Weltbank-Präsident Jim Yong Kim. „Die Lage ist heute schlimmer als vor zehn Tagen.“

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false