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Experten glauben, dass die Altersarmut zunehmen wird.

© dpa/Jan Woitas

Update

„Nach 45 Jahren Maloche in die Altersarmut“: Millionen Beschäftigte müssen mit weniger als 1500 Euro Rente rechnen

Wer weniger als 3602 Euro brutto im Monat verdient, kommt später auf nicht einmal 1500 Euro Rente. Experten fordern eine Rentenreform, die FDP die Einführung der Aktienrente.

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Bei fast der Hälfte der heute Vollzeitbeschäftigten in Deutschland wird die Rente eher gering ausfallen. Das geht aus einer Antwort des Bundesarbeitsministeriums auf eine Anfrage der Linksfraktion hervor. Demnach werden nach jetzigem Stand 9,3 Millionen von den derzeit rund 22 Millionen sozialversicherungspflichtigen Vollzeitbeschäftigten im Alter eine monatliche Rente von weniger als 1500 Euro erhalten.

„Für immer mehr Menschen bedeutet der Renteneintritt einen starken Einschnitt in den Lebensstandard“, sagte Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, dem Tagesspiegel. Auch werde die Altersarmut in den kommenden beiden Jahrzehnten in Deutschland stark zunehmen. „In kaum einem Industrieland werden Menschen mit geringen Einkommen bei der gesetzlichen Rente im Vergleich zu Besserverdienenden so schlecht behandelt.“

3602
Euro muss der Bruttomonatslohn aktuell betragen, um später 1500 Euro Rente zu erhalten

Als Gründe für die Entwicklung in Deutschland führte Fratzscher unterbrochene Erwerbsbiografien etwa wegen Elternzeit, Teilzeitarbeit oder einen zu niedrigen Stundenlohn an, die sich auf die Rentenansprüche auswirkten. Er forderte die Bundesregierung deshalb zu einer grundlegenden Rentenform auf, „damit vor allem Menschen mit mittleren und geringen Einkommen während ihres Erwerbslebens in Zukunft auch eine auskömmliche Rente haben“.

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Die FDP spricht sich für die Aktienrente als Lösung aus

Ähnlich äußerte sich DGB-Vorstandsmitglied Anja Piel. „Wer gute Renten will, muss für mehr gute, tarifliche Löhne sorgen. Arbeitgeber müssen der anhaltenden Tarifflucht einen Riegel vorschieben“, sagte sie. „Diese Bundesregierung ist gut beraten, mit dem geplanten Rentenpaket II das Rentenniveau zu stabilisieren und anzuheben.“

Der stellvertretende FDP-Vorsitzende Johannes Vogel verlangte die Einführung einer Aktienrente „als zweites kapitalgedecktes Standbein für die gesetzliche Rentenversicherung“ und nannte als Vorbild Schweden. Nur die Aktienrente könne dafür sorgen, dass das Rentenniveau langfristig wieder steigen könne, sagte Vogel dem Tagesspiegel.

Der aktuelle Mindestlohn und die geplanten Erhöhungen der Bundesregierung führen auch nach 45 Jahren Maloche in die Altersarmut.

Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch

Im Jahr 2022 betrug der Bruttobetrag der Altersrenten nach mindestens 35 Versicherungsjahren bei Männern in Deutschland durchschnittlich 1728 Euro und bei Frauen 1316 Euro. Aktuell müssten Beschäftigte der Berechnung zufolge bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden 45 Jahre lang gearbeitet und rechnerisch einen Stundenlohn von 20,78 Euro erreicht haben, um auf die Altersbezüge von 1500 Euro zu kommen. Das entspreche einem Bruttomonatslohn von 3602 Euro.

Für eine spätere monatliche Rente in Höhe von 1200 Euro ist demnach derzeit rechnerisch ein Stundenlohn von 16,62 Euro bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden über 45 Jahre nötig. Das entspreche einem Bruttomonatslohn von 2882 Euro. Bei einer Rente von 1300 Euro wären ein Stundenlohn von 18,01 Euro beziehungsweise ein monatlicher Bruttolohn von 3122 Euro notwendig.

Auch die Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns ändert diese Situation dem Bericht zufolge nicht grundlegend. Auch nach dessen für Anfang 2024 geplanter Anhebung auf 12,41 Euro blieben die Empfänger:innen noch weit entfernt von den 16,62 Euro, die für eine spätere Rente von 1200 Euro benötigt würden.

Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch sprach angesichts der Zahlen von einem „sozialen Sprengsatz“. Der aktuelle Mindestlohn und die geplanten Erhöhungen der Bundesregierung führten auch „nach 45 Jahren Maloche in die Altersarmut. Das ist zynisch und respektlos gegenüber Millionen Beschäftigten“, sagte er dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“.

Bartsch forderte eine Anhebung des Mindestlohns auf 14 Euro ab Januar 2024 und kritisierte, dass sich die Lohn- und Rentenproblematik im Land weiter zuspitze. Im Osten sei die Situation ungleich dramatischer, hier drohe der Mehrheit der Bürger eine Rente unter 1300 Euro. (mit epd)

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