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Bauerndemo vor einem Jahr: Bauernpräsident Joachim Rukwied (links) neben dem damaligen Bundesfinanzminister Lindner vor dem Brandenburger Tor.

© IMAGO/Peter Hartenfeser

Grüne Woche im Zeichen der Krise: Die Maul- und Klauenseuche überschattet alles

Die Bauern hoffen auf einen Politikwechsel, die Ernährungsindustrie verteidigt ihre Preise, Öko-Landwirte wollen mehr Unterstützung. Und alle fürchten die Seuche – was sich vor Ort bemerkbar machen wird.

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Landwirtschaftliche Krisen bekommen auch Städter zu spüren. Zumindest diejenigen, die die Grüne Woche besuchen. Als im Oktober 2000 in Brandenburg die Afrikanische Schweinepest ausbrach, verschwanden anschließend Schweine und Ferkel aus der Tierhalle. Bei der diesjährigen Schau, die am Freitag beginnt, werden weitere Publikumslieblinge fehlen.

Wegen der Maul- und Klausenseuche reisen weder Rinder noch Schafe oder Ziegen nach Berlin. Die Tierhalle werden stattdessen Pferde, Esel und Kaninchen füllen. Dem Spaß der Besucher tue das keinen Abbruch, glaubt Messe-Chef Mario Tobias. Das werden einige der erwarteten 300.000 Besucher anders sehen.

2,4 Milliarden Euro
könnte die Maul- und Klauenseuche deutsche Betriebe kosten

Doch verglichen mit dem, was den Landwirten droht, ist der Frust der Besucher zu vernachlässigen. Aus Angst vor der Maul- und Klausenseuche haben Südkorea und Großbritannien bereits Einfuhrverbote für deutsche Tiere verhängt. „Die Maul- und Klauenseuche trifft uns schwer“, sagt Bauernpräsident Joachim Rukwied.

Nur Plastikkühe: Wegen der Maul- und Klauenseuche gibt es auf der diesjährigen Grünen Woche keine richtigen Kühe.

© imago/IPON/imago

Großbritannien importiert jährlich Fleisch von deutschen Rindern, Ziegen, Schafen und Schweinen im Wert von 850 Millionen Euro. Rechne man die Schäden für die Schlachtbetriebe und die Fleischverarbeiter ein, seien durch die Seuche Exportgeschäfte von 2,4 Milliarden Euro bedroht, warnt Christoph Minhoff, Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie (BVE).

Seuche dauert noch Monate

Die Maul- und Klauenseuche ist am vergangenen Freitag bei Wasserbüffeln in Hönow festgestellt worden. Die Krankheit ist für Paarhufer wie Rinder oder Schafe hochansteckend, für Menschen ungefährlich, selbst beim Verzehr von betroffenen Tieren. Das Problem: Das Virus kann wochenlang unentdeckt etwa im Tierfutter schlummern.

„Wir müssen die Seuche schnellstens eindämmen“, fordert Rukwied. Im besten Fall sei das Problem nach drei Monaten gelöst, realistisch seien aber sechs Monate. Die gute Nachricht: Deutsches Rind-, Schaf- oder Ziegenfleisch darf zumindest innerhalb der EU weiter verkauft werden.

Bauern verdienen weniger

Die Seuche trifft die Bauern in einer schwierigen Phase. Die Erlöse sind im zurückliegenden Wirtschaftsjahr 2023/24 deutlich gesunken, berichtet der Bauernverband. Das durchschnittliche Unternehmensergebnis liege bei 77.500 Euro je Betrieb und damit um knapp 30 Prozent unter dem Vorjahresniveau. Präsident Rukwied hofft auf einen Politikwechsel nach der Bundestagswahl und erinnert an die Bauernproteste vor einem Jahr, als 30.000 Landwirte und 10.000 Trecker vor dem Brandenburger Tor standen.

Alle finden Bio toll, aber alle wollen auch günstige Lebensmittelpreise.

Tina Andres, BÖLW-Vorsitzende

„Wir haben der Ampel den ersten Riss zugefügt, von dem sie sich nicht erholt hat“, sagt er. Von der neuen Regierung erwartet er, dass endlich Ernst gemacht wird mit dem Bürokratieabbau. Die Steuersubventionen für den Agrardiesel will Rukwied verteidigen und für die Tierhalter, die ihre Ställe umbauen wollen, Planungssicherheit durchsetzen.

Bio-Branche ist enttäuscht

Nicht nur der Bauernverband, auch die Bio-Branche zieht eine kritische Bilanz der Ampel-Regierung. „Wir hatten uns mehr erhofft“, sagt die Vorsitzende des Bundes ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW), Tina Andres. Die anstehende Wahl sieht sie mit Blick auf die Landwirtschaft mit Sorge: „Keine Partei hat ein ausgefeiltes Konzept“. Von der neuen Regierung wünscht sich Andres eine Steuerentlastung für mittelständische Betriebe.

Davon würden auch Bio-Unternehmen profitieren. Der Bio-Lebensmittelsektor, so zeigt eine am Mittwoch vorgestellte neue Studie, beschäftigt inzwischen 380.000 Menschen, 2009 waren es nur 180.000. Der Umsatz ist von 5,8 Milliarden Euro auf rund 16 Milliarden Euro gestiegen.

Die ökologische Landwirtschaft sichere Arbeitsplätze auf dem Land. „Bio schafft eine Perspektive für Menschen im ländlichen Raum und sorgt für ein Gefühl von Heimat“, sagt Andres, die selbst einen Bio-Betrieb in Lübeck führt.

Weniger Steuern auf Bio

„Alle finden Bio toll, aber alle wollen auch günstige Lebensmittelpreise“, gibt Andres zu bedenken. Um das zu vereinbaren, fordert der BÖLW eine Senkung der Mehrwertsteuer auf Bio-Lebensmittel. Verglichen mit den konventionell erzeugten Lebensmitteln hätten sich Bio-Lebensmittel in den vergangenen Jahren aber weniger stark verteuert, „die Preisschere schließt sich“. Der Grund: Öko-Landwirte verzichten auf synthetischen Dünger, dessen Preise in der Vergangenheit explodiert waren.

Dass Lebensmittelpreise steigen, liege nicht an der Ernährungsindustrie, betont BVE-Hauptgeschäftsführer Minhoff. Im vergangenen Jahr hätten sich die Preise, zu denen die Hersteller ihre Waren an den Handel verkaufen, um gerade einmal 0,4 Prozent erhöht, der Endpreis, den Verbraucher zahlen müssen, sei aber um 2,3 Prozent gestiegen.

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