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Ein neues Dach für das Bundeskanzleramt muss her. Natürlich mit einer Dämmung, die den aktuellen Anforderungen entspricht.

© Imago

Wandel für Gewerbeimmobilien: Was kommt auf Industrie und Handel zu?

Bei der Wärmewende treffen nationale Vorgaben auf Regeln aus dem Europäischen Parlament. Erste Pilotprojekte gibt es.

Was bei der energetischen Sanierung und dem Neubau privaten Wohnraums teuer ist, dürfte auch beim Gewerbebau nicht billig werden. So braucht etwa das vor 22 Jahren bezogene Bundeskanzleramt in Berlin ein neues Dach. Die gesamte Dachfläche der Regierungszentrale soll saniert werden – „unter Berücksichtigung aktueller energetischer Anforderungen“, wie es in der öffentlichen Ausschreibung des Bundesamts für Bauwesen und Raumordnung heißt. Vorgesehen ist unter anderem der Einbau von 3870 Quadratmetern Schaumglas-Dämmung mit bis zu drei Lagen.

An diesem Beispiel zeigt sich, dass die viel diskutierte Wärmewende des deutschen Wirtschaftsministers Robert Habeck im Zusammenspiel mit neuen Vorgaben des Europäischen Parlaments auch für die Eigentümer von Logistik- und anderen Gewerbeimmobilien zu schwer kalkulierbaren Kostenfaktoren werden. Denn Gebäudeenergie- oder -effizienzklassen wie bei privaten Wohnungen gibt es zum Beispiel für Büro- oder Fabrikgebäude bisher nicht.

Unbestritten ist aber, dass auch diese Gebäude in die Wärmewende gehen: Zwar besteht nur ein Siebtel des bundesweiten Gebäudebestands aus Nichtwohngebäuden (NWG), sie haben jedoch nach Angaben der Deutschen Energie-Agentur Dena einen Anteil von vierzig Prozent am Endenergieverbrauch aller Gebäude in Deutschland (die Deutsche Unternehmensinitiative Energieeffizienz e.V./Denef schreibt von 38 Prozent). Nach Angaben der Denef stehen Gewerbeimmobilien für 47 Prozent der CO2-Emissionen des gesamten deutschen Gebäudebestandes.

Besonders bei Gewerbeparks und Logistikhallen lassen sich nach Angaben des Immobilienentwicklers Aurelis durch die richtigen Maßnahmen erhebliche Effekte erzielen, denn sie verfügen verglichen mit Wohnungen über größere zusammenhängende Flächen und werden energieintensiver betrieben.

Effizienzklassen gibt es bei Gewerbeimmobilien bisher nicht

Die EU-Kommission hatte deshalb vorgeschlagen, einheitliche sogenannte Effizienzklassen in ganz Europa einzuführen, die den Energieverbrauch widerspiegeln. Bis 2033 sollen dann alle Gebäude zumindest eine mittlere Effizienzklasse beim Energieverbrauch erreichen. Außerdem ist vorgesehen, dass Neubauten ab 2028 beim CO2-Ausstoß als Null-Emissionsgebäude errichtet werden. Alle Neubauten sollen bis 2028 mit Solaranlagen ausgestattet werden, sofern das technisch möglich und wirtschaftlich vertretbar ist.

Die Europäische Kommission hatte ihre Vorschläge für eine neue Gebäuderichtlinie am 15.12.2021 vorgelegt. Das Ziel, dass bis 2050 alle Gebäude in der EU klimaneutral sein sollen, gab die Kommission in ihrem „Fit for 55“-Paket ein halbes Jahr zuvor vor.

In den EU-Mitgliedsstaaten sollen 15 Prozent der schlechtesten Häuser mit den höchsten Energieverbräuchen der Effizienzklasse G zugeordnet werden. Diese Gebäude sollen dann nach dem Willen der EU-Abgeordneten bis 2030 auf die bessere Effizienzklasse E und bis 2033 auf die Effizienzklasse D gebracht werden. Öffentliche Gebäude sowie Nichtwohngebäude sollen die gleichen Klassen drei Jahre früher erreichen. Allerdings gibt es für Gewerbebauten bisher keine Energieeffizienzklassen – anders als bei Neubauimmobilien, die über Zertifizierungssysteme wie DGNB oder LEED erfasst werden. Für die Bestandsanalyse gibt es noch keine standardisierten Zertifizierungen in diesem Umfang.

In der Diskussion ist die Einführung sogenannter MEPS (Minimum Energy Performance Standards). Über diese Mindesteffizienzstandard können Vorgaben für den Endenergieverbrauch, Primärenergieverbrauch oder die CO2-Emissionen sowie das Erreichen einer bestimmten Effizienzklasse für das Gebäude oder Anforderungen an einzelne Bauteile (Fenster, Fassade usw.) vorgegeben sein.

Die EU-Skala wird wahrscheinlich in den einzelnen Minimumfestlegungen noch einmal schwanken, weil die Länder unterschiedliche klimatische Bedingungen haben.

Susanne Eickermann-Riepe, Vorstandsvorsitzende des Institut für Corporate Gouvernance in der deutschen Immobilienwirtschaft e.V. (ICG)

„Das gibt es schon in den Niederlanden, Frankreich, England, Wales, Schottland, und Belgien“, sagt Susanne Eickermann-Riepe, Vorstandsvorsitzende des Institut für Corporate Gouvernance in der deutschen Immobilienwirtschaft e.V. (ICG).

Einweihung der neuen XXL-Logistikanlage „C3 Bremen“ in der Freien Hansestadt: In Anwesenheit des Bundesministers für Wirtschaft und Klimaschutz Robert Habeck, des Bürgermeisters der Freien Hansestadt Bremen Andreas Bovenschulte (rechts), Frank Dreeke, Vorstandsvorsitzender der BLG- Logistisch Group, sowie der Senatorin für Klimaschutz, Umwelt, Mobilität, Stadtentwicklung und Wohnungsbau Maike Schaefer (links) wurde eine PV-Anlage installiert. Durch eine Solaranlage auf fast der gesamten Dachfläche versorgt sich das Logistikzentrum weitgehend selbst mit Strom.
Einweihung der neuen XXL-Logistikanlage „C3 Bremen“ in der Freien Hansestadt: In Anwesenheit des Bundesministers für Wirtschaft und Klimaschutz Robert Habeck, des Bürgermeisters der Freien Hansestadt Bremen Andreas Bovenschulte (rechts), Frank Dreeke, Vorstandsvorsitzender der BLG- Logistisch Group, sowie der Senatorin für Klimaschutz, Umwelt, Mobilität, Stadtentwicklung und Wohnungsbau Maike Schaefer (links) wurde eine PV-Anlage installiert. Durch eine Solaranlage auf fast der gesamten Dachfläche versorgt sich das Logistikzentrum weitgehend selbst mit Strom.

© dpa/Lars Klemmer

Die EU-Vorstellungen, die in eine Skala münden, „die wird wahrscheinlich in den einzelnen Minimumfestlegungen noch einmal schwanken, weil die Länder unterschiedliche klimatische Bedingungen haben“, sagt Eickermann-Riepe: „Das wird in Südeuropa vielleicht etwas anders sein als in Nordeuropa.“ Letztendlich werde man aber dort Regeln bekommen, was zu Gebäudeklasse A, B, C, D undsoweiter gehöre. „Und das wird genauso für Gewerbe gelten wie für Wohnen“, sagt die ICG-Vorstandsvorsitzende. Die Niederlande seien hier bereits weit vorangekommen. Sie haben in ihrem Gesetz zum Beispiel auch für unterschiedliche gewerbliche Nutzungen Vorgaben gemacht.

Die Niederlande sind schon einen Schritt weiter

Ein Hotel wird dort eben nach Kilowattverbrauch pro Quadratmeter anders behandelt als eine Lagerhalle. Und man sei damit beschäftigt, eine Kontrollorganisation aufzusetzen, die ein Monitoring machen kann, sagt Eickermann-Riepe. In den Niederlanden müssen Bürogebäude im laufenden Jahr die Energieklasse C erreichen, sonst dürfen sie nicht mehr betrieben werden. Dem vorangegangen war eine fünfjährige Übergangsfrist.

Ein gesteigerte Interesse an dem Effizienzthema bei Gewerbeimmobilien darf man auch Banken unterstellen. Hohe Nebenkosten und schlechte Energieeffizienz sind Risiken, die es entsprechend zu bewerten gilt.

Die bereits 2022 eingeführte EU-Taxonomie-Verordnung regelt anhand von festgelegten Umweltzielen zudem, unter welchen Voraussetzungen eine wirtschaftliche Tätigkeit, darunter auch bestimmte Geldanlagen, Immobilieninvestments usw., als nachhaltig eingestuft wird. Ziel ist es, mehr in „grüne“ Technologien und Unternehmen zu investieren und bis 2050 eine klimaneutrale europäische Wirtschaft zu erreichen. 

Einheitliche Vergleichsgrundlagen fehlen

2022 entfielen rund 80 Prozent des Investmentvolumens zertifizierter Green Buildings auf die A-Standorte, die größten deutschen Großstädte. In den drei größten Investmentstandorten Berlin, Frankfurt und München betrug der Anteil der nachhaltigen Gebäude an den gewerblichen Transaktionen insgesamt jeweils über 40 Prozent. Der Anteil der zertifizierten Bürogebäude am Gesamtinvest der Assetklasse Büro hat 2022 mit 46,2 Prozent einen neuen Höhepunkt erreicht (2021: 38 Prozent und 2020: 34 Prozent). Inzwischen fließt in dieser Assetklasse fast jeder zweite Euro in ein zertifiziertes Gebäude, teilte der internationale Immobiliendienstleister BNP Paribas Real Estate mit. Seit dem 1. Januar 2023 gilt die CO2-Abgabe bereits auch für gewerbliche Nutzungen in Deutschland, und ein Emissions-Handelssystem für Gebäude ist in Brüssel in Vorbereitung (voraussichtlich ab 2027). 

Die Herausforderungen sind aber noch immens, wenn es um Gewerbeimmobilien in der Energiewende geht. Zwar liegen erste Übersichten über den Nichtwohngebäudebestand vor, doch einheitliche Vergleichsgrundlagen gibt es bisher nicht, mithin auch keine Transparenz über Energie- und CO2-Bilanzen von Gewerbeimmobilien. Weil energetische Sanierungen stets technisch machbar und bezahlbar sein müssen, sind komplexe technische Zusammenhänge bei Nichtwohngebäuden zu betrachten. Der Finanzmarkt immerhin hat Interesse an „grünen“ Immobilien.

Erste Pilotprojekte zeigen, dass auch Entwickler von Gewerbeimmobilien die Energiewende energisch angehen. Anfang Mai wurde auf der über 80.000 Quadratmeter umfassenden Dachfläche des Logistikcenters C3 Bremen die derzeit größte zusammenhängende Dach-Photovoltaikanlage auf einer Industrieimmobilie in Deutschland installiert. Neben einem ganzheitlichen Energiekonzept für Heizung, Warmwasser und Lüftung, einer umfassenden Gebäudeisolierung und intelligenter Lichtsteuerung ist vor allem auch die Eigenenergieerzeugungskapazität des Gebäudes dabei maßgeblich, heißt es in einer Mitteilung der Mercedes-Benz AG über eine Installation auf einem Gebäude der BLG Logistics Group AG & Co. KG. 

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