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Rohrsysteme und Absperrvorrichtungen in der Gasempfangsstation der Ostseepipeline Nord Stream 1 und der Übernahmestation der Ferngasleitung OPAL .

© dpa/Stefan Sauer

Kein Gas aus Russland: Kann Europa die Energiebeziehung zu Moskau ganz beenden?

Noch immer zahlt Europa mehr Geld an Russland für fossile Energien als für Hilfslieferungen in die Ukraine fließt. 2027 soll damit Schluss sein. Experten bewerten, ob ein Importstopp von russischem Gas machbar ist.

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Trotz Sanktionen und schwer angespannter Beziehungen wegen Putins Angriffskrieg gegen die Ukraine ist die EU nach wie vor einer der wichtigsten Abnehmer russischer fossiler Energie. 2024 zahlten die Europäer laut dem finnischen Forschungsinstitut CREA rund 22 Milliarden Euro für Gas und Öl aus Russland, deutlich mehr als die europäische Ukraine-Unterstützung von knapp 19 Milliarden Euro. Jetzt hat die Kommission beschlossen: Bis 2027 soll Schluss sein mit den Importen.

Nach Russlands Angriff auf das Nachbarland hatte die EU zunächst ihre Importe deutlich verringern können. Doch gerade die Gasimporte sind nach einem Bericht der britische Denkfabrik Ember im vergangenen Jahr sogar wieder gestiegen. Das liegt vor allem an den Importen von Flüssiggas (LNG) aus Russland, fast 90 Prozent davon fließt nach Frankreich, Spanien und Belgien.

Wird Europa es unter diesen Umständen schaffen, die auch sicherheitspolitisch kritische Abhängigkeit von Russland zu beenden? In unserer Rubrik „3 auf 1“ habe wir drei Experten dazu befragt, wie das funktionieren kann.


Ungarn und Slowakei wehren sich bereits

Die EU hat einen Schlussstrich unter den Import von russischem Gas und LNG lange aufgeschoben. Auch der aktuelle Fahrplan bis zu einem endgültigen Importstopp im Jahr 2027 ist zögerlich. Er enthält zwar Zielvorgaben, aber kaum konkrete, belastbare Rechtsmittel.

Noch ist unklar, wie die EU den betroffenen Mitgliedsstaaten einen Handel mit Russland untersagen könnte – ohne das scharfe Schwert der Sanktionen zu bemühen. Zwar können handelspolitische Maßnahmen den zukünftigen Handel unterbinden, aber wie werden bestehende Langfristverträge beendet, die bis weit in die 2030er Jahre laufen?

Dazu kommt die fehlende Einigkeit in der Russland-Frage: Ungarn und Slowakei wehren sich bereits. Fraglich ist auch, ob westeuropäische Konzerne wie TotalEnergies oder SEFE bereit sind, das Gas-Kapitel Russland endgültig zu schließen.

Was aber klar ist: Die marktlichen Folgen eines Importstopps werden zunehmend beherrschbar. Seit Anfang 2025 hat Russland monatlich schwankend zwischen 10 und 15 Prozent Anteil am Gas- und LNG-Angebot Europas und ab 2027 erwartet der Markt ein globales LNG-Überangebot.


Ohne Ersatzstrategie riskiert Europa steigende Preise

Putins willkürlicher Lieferstopp hat den Gasmarkt auf den Kopf gestellt. Dennoch kamen 2024 rund 15 Prozent der europäischen Gasimporte aus Russland. Das Ziel der EU, Maßnahmen zu ergreifen und diese Importe bis 2027 zu beenden, ist sicherheitspolitisch gerechtfertigt und durch die Branche umsetzbar. Doch ohne klare Ersatzstrategien riskiert Europa steigende Preise und Marktinstabilität. 

Viele deutsche Versorger haben ihre langfristigen Verträge verloren und beschaffen Gas seit 2022 über den kurzfristigen Spotmarkt – zu stark schwankenden Preisen. Ein forciertes Aus ohne neue Verträge könnte diese Volatilität noch verschärfen – mit Folgen für Haushalte, Industrie und den Standort.

Klar ist: Gas bleibt vorerst unverzichtbar – als Partner der Erneuerbaren und für die Industrie. Wer russisches Gas stoppen will, muss gleichzeitig neue Partner und verlässliche Bezugsquellen entwickeln. Denn Versorgungssicherheit lebt von Alternativen und so ist es auch richtig, wenn sich die neue Bundesregierung stärker für langfristige Gaslieferbeziehungen einsetzt.


Gas aus Russland darf in Europa keine Zukunft haben

Aktuell bezieht die EU weniger als 15 Prozent ihres Gasverbrauchs aus Russland. Diese Menge ließe sich auch heute schon von anderen Produzenten beschaffen, zumal das globale Angebot an verflüssigtem Erdgas von Jahr zu Jahr wächst und die europäische Gasnachfrage sinkt.

Ein kompletter Ausstieg aus russischem Erdgas bis 2027 würde also die europäische Versorgung nicht negativ beeinflussen. Wenn dieser wie geplant mit sinkendem Gasverbrauch einhergeht, würde er dazu beitragen, das Klima zu schützen und Importkosten sowie Abhängigkeiten zu reduzieren.

Dass Russland, das uns 2021/2022 den Gashahn zugedreht hat, wieder als Lieferant ins Spiel gebracht wird, ist absurd. Es verschafft Moskau die Möglichkeit, einzelnen Wirtschaftsakteuren oder Mitgliedstaaten Sonderkonditionen zu gewähren, um sie anschließend gegen eine geschlossene europäische Position auszuspielen.

Schon allein die Diskussion weckt Misstrauen zwischen den Mitgliedsstaaten. Zugleich werden Investitionen in sichere, zukunftsfähige Energieformen behindert. Diese unheilvolle Diskussion muss dringend von der Tagesordnung genommen werden.

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