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Letzte Landung. Vor einem Jahr, am 27. Oktober 2017, erreichte die letzte Air-Berlin-Maschine Berlin-Tegel.

© Hannibal Hanschke/REUTERS

Exklusiv

Letzter Flug im Oktober 2017: Der lange Schatten von Air Berlin

Die Pleite der Fluggesellschaft hat ein juristisches Nachspiel: Die Grünen klagen auf Akteneinsicht und der Insolvenzverwalter prüft Ansprüche gegen Ex-Manager.

Knapp ein Jahr nach dem letzten Flug von Air Berlin dürften sich bald Gerichte mit der Aufarbeitung eines der größten Insolvenzverfahren der Nachkriegsgeschichte beschäftigen. Zum einen einen wirft die Bundestagsfraktion der Grünen der Regierung vor, wesentliche Inhalte eines Gutachtens über die Lage der Fluggesellschaft unter Verschluss zu halten. Zum anderen lässt Air Berlins Insolvenzverwalter Lucas Flöther prüfen, ob ehemalige Manager des Unternehmens haftbar gemacht werden können. Zudem droht er dem einstigen Großaktionär Ethiad Airways mit einer juristischen Auseinandersetzung.

Die Fluggesellschaft hatte nach Jahren mit teils hohen dreistelligen Millionenverlusten am 27. Oktober 2017 mit einem Flug von München nach Berlin-Tegel den Betrieb endgültig eingestellt. Mehrere Tausend Besucher und Mitarbeiter nahmen den Flieger damals in Empfang.

Die Grünen ziehen vor das Verfassungsgericht

„Da die Bundesregierung die Akteneinsicht und damit die parlamentarische Kontrolle verhindert, klagen wir Grünen jetzt vor dem Bundesverfassungsgericht“, sagte die Kölner Abgeordnete Katharina Dröge dem Tagesspiegel. Gemeinsam mit weiteren Abgeordneten habe sie – auch wegen ähnlicher Fälle rund um das Bahnhofsbauprojekt Stuttgart 21 – nun die Klageschrift eingereicht. Die Grünen verweisen darin auf Artikel 93 des Grundgesetzes. Dieser besagt, dass das Gericht in Karlsruhe in Streitfällen über Rechte und Pflichten eines obersten Bundesorgans zu entscheiden hat.

Die Grünen wollen durchsetzen, dass ein Gutachten, das die Wirtschaftsprüfer von Pricewaterhouse-Coopers (PwC) vor dem Insolvenzantrag im August 2017 erstellt hatte, vollständig veröffentlicht wird. Das Papier war Basis für eine Entscheidung des Kanzleramtes und des seinerzeit von der SPD geführten Wirtschaftsministeriums, die bundeseigene KfW anzuweisen, Air Berlin einen Notkredit von 150 Millionen Euro auszuzahlen.

Der Bund verweist auf Geschäftsgeheimnisse

Das Parlament müsse erfahren, ob die Regierung bei einer Millionenbürgschaft die Risiken sorgfältig abgewogen habe, oder allein im Interesse der Kaufinteressentin Lufthansa gehandelt habe, begründet Dröge die Klage. „Ich fordere Minister Altmaier deshalb auf, endlich alle Karten auf den Tisch zu legen.“ Der CDU-Politiker argumentiert in einem vom 8. Oktober datierten Brief an Dröge, dass Kernaussagen des Gutachtens dem Bundestag bekannt seien. „Darüber hinaus gewährt das parlamentarische Fragewesen keinen Anspruch auf Aktenvorlage oder Herausgabe sonstiger Dokumente.“ Es sei zudem zu beachten, dass das Gutachten Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse enthalte, die im laufenden Insolvenzverfahren und mit Blick auf die damit zusammenhängende Rückzahlung des KfW-Kredits relevant sein könnten, schrieb Altmaier.

Mit Blick auf diesen 150-Millionen- Kredit sagte Insolvenzverwalter Lucas Flöther dem Tagesspiegel, er gehe davon aus, dass man „den Großteil“ der Summe im Laufe der nächsten Jahre zurückzahlen könne – allerdings ohne Zinsen. „Möglicherweise werden wir sogar imstande sein, die gesamte ausgereichte Summe zurückzuzahlen.“ Bislang seien rund 80 Millionen Euro zurückgezahlt worden. „Die weiteren Air-Berlin-Gläubiger werden voraussichtlich nur dann Zahlungen erhalten, wenn vom Gesellschafter Etihad zusätzliche Mittel zur Masse fließen.“

Insolvenzverwalter legt sich mit Etihad an

Er habe PwC beauftragt, „eventuelle Haftungsansprüche gegen Organe des Konzerns zu prüfen“, sagte Flöther. Diese Prüfung erfolge für einen Zeitraum bis zehn Jahre vor der Insolvenzeröffnung. Der wichtigste Vermögenswert seien aber Ansprüche gegen Etihad. Eine von dieser staatlichen Fluggesellschaft der Vereinigten Arabischen Emirate einst abgegebene Zahlungszusage für Air Berlin halte er für eine „handfeste Patronatserklärung“, für die man die Eigentümer haftbar machen könne, erklärte Flöther.

Während sich die finanzielle und juristische Aufarbeitung dieses Insolvenzverfahrens, das mit mehr als einer Million Gläubigern herausragend groß ist, also noch Jahre hinziehen dürfte, sind die negativen Auswirkungen für den Arbeitsmarkt deutlich überschaubarer. So seien mittlerweile nahezu 90 Prozent der 1500 bei den Berliner Arbeitsagenturen gemeldeten Air-Berlin-Mitarbeiter bei anderen Arbeitgebern untergekommen, teilte die zuständige Arbeitsagentur Berlin-Nord auf Anfrage mit. Inklusive der Teilnehmer in der Transfergesellschaft, die mit Unterstützung des Landes gegründet wurde, seien heute nur noch rund 100 Personen als „arbeitssuchend“ gemeldet. Air Berlin hatte zum Zeitpunkt der Insolvenz noch knapp 8000 Mitarbeiter, rund 2300 davon in Berlin und Brandenburg.

Mehr zum Nachspiel der Air-Berlin- Pleite auf einer Doppelseite im Wirtschaftsteil der Sonntagausgabe.

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