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Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) beim Ostdeutschen Wirtschaftsforum (OWF).

© dpa/Patrick Pleul

Pragmatismus als Standortvorteil: Wirtschaftskonferenz Ost wirbt für Optimismus

Zum 10. Mal findet in Bad Saarow das Ostdeutsche Wirtschaftsforum statt. Ministerin und Ministerpräsidenten betonen das Potenzial der neuen Länder.

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Der parteipolitische Wettbewerb funktioniert im Osten anders als im Westen. Im vergangenen Jahr warb der sächsische CDU-Ministerpräsident für die Wiederwahl des brandenburgischen SPD-Ministerpräsidenten. Dietmar Woidke wiederum, der die Brandenburg-Wahl gewann, freut sich über die neue Bundeswirtschaftsministerin von der CDU, Katharina Reiche.

„Wir sind pragmatisch und nicht verwöhnt, und wir haben erlebt, was es bedeutet, wenn Transformation schiefgeht.“

Dietmar Woidke, Ministerpräsident von Brandenburg, über die Ostdeutschen

„Wir sind in Ostdeutschland etwas anders“, sagte Woidke am Montag beim Ostdeutschen Wirtschaftsforum in Bad Saarow. „Wir sind pragmatisch und nicht verwöhnt, und wir haben erlebt, was es bedeutet, wenn Transformation schiefgeht.“

Das kann man wohl sagen. Die aus Brandenburg stammende Katherina Reiche erinnerte an die 1990er Jahre, als die Wirtschaftsleistung pro Kopf in den neuen Bundesländern bei 25 Prozent des westdeutschen Niveaus gelegen habe.

Inzwischen seien es 84 Prozent, die Arbeitslosenquote liege unter dem Durchschnitt im Westen, die Löhne stiegen stärker und „der Verdienstabstand zwischen Frauen und Männer ist geringer als in den alten Ländern“, wegen der besseren Kinderbetreuung, zählte Reiche auf.

„Es lohnt sich, in den neuen Ländern zu bleiben“, resümierte die Ministerin ihre Ausführungen und skizzierte die Pläne der neuen Regierung, um Wachstum zu generieren. Wachstum sei im dritten Rezessionsjahr „das Gebot der Stunde“, nachdem die Ampel-Regierung das Thema „verdrängt“ habe.

Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) trat auch auf in Bad Saarow.

© dpa/Patrick Pleul

„Bis Mitte Juli werden wir das erste Entlastungspaket vorlegen“, kündigte die Ministerin an. Damit werde die Stromsteuer auf europäisches Niveau gesenkt und der Arbeitsmarkt dereguliert. Konkret will die Merz-Regierung die tägliche Höchstarbeitszeit durch eine wöchentliche Obergrenze ersetzen.

Woidke wie auch dessen Parteikollegin Manuela Schwesig, die Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern, erwarten von der Bundesregierung eine Reduzierung der Energiepreise und den Abbau von Bürokratie. „Wir müssen der Wirtschaft ein Gefühl von Sicherheit, Planbarkeit und Stabilität geben“, meinte Woidke.

„Das geht so nicht“, wertete Schwesig ähnlich wie Reiche die Wachstumsschwäche, die „im Osten sensibler wahrgenommen wird“. Sie plädierte für eine engere Zusammenarbeit „mit dem demokratischen Ostseeraum“. Das deutsche Handelsvolumen mit den nicht-russischen Anrainern sei bereits höher als mit China und habe weiteres Potenzial.

Erneuerbare als Standortvorteil Ost

Auf dem „Davos des Ostens“, wie Schwesig das dreitägige und inzwischen zum 10. Mal stattfindende Wirtschaftsforum nannte, treffen Politiker auf Unternehmer. Den aktuell größten Handlungsbedarf sehen auch die Praktiker bei Energiekosten, Bürokratie und Genehmigungszeiten.

Bodo Rodestock, Vorstand beim Leipziger Gashändler VNG, betonte die Verfügbarkeit Erneuerbarer Energie als Standortvorteil Ostdeutschlands. Unternehmen, die grünen Strom verlangten, könnten damit angelockt werden. Zumal die bereits begonnene Deindustrialisierung den Osten besonders treffen könnte.

„Es gibt viele verlängerte Werkbänke“, beschrieb Rodestock die Industriestruktur. Und wenn Kapazitäten geschlossen oder verlagert würden, dann betreffe das zuerst diese Standorte.

Rodestock, aber auch Reiche plädierten für eine Überarbeitung der Energiepolitik. „Wenn wir zu viel, zu schnell und zu gut machen wollen, dann wird es kritisch“, meinte der VNG-Manager. Das Ziel der Dekarbonisierung von Wirtschaft und Gesellschaft „dürfen wir nicht grundsätzlich infrage stellen, aber zeitlich strecken und die Wirtschaftlichkeit in den Mittelpunkt stellen“, meinte Rodestock.

Die Wirtschaftsministerin wiederum möchte den Ausbau der Erneuerbaren Energien „so organisieren, dass der Netzausbau hinterherkommt“. Beim Aufbau der Wasserstoffwirtschaft, die für die ostdeutsche Wirtschaft besonders wichtig sei, kündigte sie eine Überprüfung der bisherigen Netzausbauplanung an.

Die neuen Länder zeichnen sich durch einen besonderen Pragmatismus und Kreativität aus.

Katherina Reiche, Bundeswirtschaftsministerin

Reichel lobte die Ampel-Regierung für die Beschleunigung der Genehmigungsverfahren beim Ausbau der Erneuerbaren Energien, das könne eine Blaupause sein für Genehmigungsverfahren überhaupt. Die Ministerin bekräftigte das Ziel der Regierung, in dieser Legislaturperiode den Verwaltungsaufwand für die Unternehmen um ein Viertel zu reduzieren.

„Die neuen Länder zeichnen sich durch einen besonderen Pragmatismus und Kreativität aus“, meinte Reiche und erinnerte wie auch Woidke an das Verkehrswegebeschleunigungsgesetz, mit dem in den 1990er Jahren die Infrastruktur neu geschaffen wurde. Der Aufbau Ost also als Muster für das rezessionsgeplagte Deutschland.

Allein Brandenburg erwartet vom 500 Milliarden Euro Sondervermögen des Bundes 250 Millionen Euro im Jahr, die für Infrastruktur vorgesehen sind. Dazu bedürfe es nun rasch der „Ausführungsgesetze“, damit die Länder mit dem Geld planen könnte. Brandenburg etwa habe vor allem Nachholbedarf im Schienenverkehr, sagte Woidke.

Geschwindigkeit tut offenbar Not, denn nur 38 Prozent von 1500 befragten Unternehmensvertretern im Osten trauen der neuen Bundesregierung wirksame Maßnahmen zur Belebung der Wirtschaft zu. Dieses ernüchternde Ergebnis geht indes auf eine Cifey-Umfrage aus dem April zurück, also vor Amtseinführung der Bundesregierung inklusive Reiche. Eine ähnliche Abstimmung unter den Teilnehmenden in Bad Saarow fiel am Montag deutlich positiver aus.

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