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Scholz und Kretschmer wollen Panzerfertigung feiern: Rüstungskonzern KNDS ersetzt Alstom in Görlitz
Zeitenwende auf einem historischen Industriestandort: Im ostsächsischen Görlitz werden künftig Militärfahrzeuge statt Eisenbahnen produziert.
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Bis zur Feierstunde in Görlitz hat es länger gedauert als gedacht. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) wollte ursprünglich im August und also vor den sächsischen Landtagswahlen gemeinsam mit Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU), dem Ministerpräsidenten des Bundeslandes, eine industriepolitische Zeitenwende verkünden: Auf einem traditionsreichen Standort aus dem 19. Jahrhundert wird die Produktion von Bahnen durch die Produktion von Panzern ersetzt.
Am 5. Februar ist es so weit: Politiker sowie die Chefs der Unternehmen KNDS und Alstom erläutern vor Ort die Pläne für Görlitz. Mit großem Interesse werden vor allem die 700 Beschäftigten, die noch für Alstom arbeiten und zum großen Teil zu KNDS wechseln dürften, zuhören.
Der Rüstungskonzern verspricht langfristig sichere Jobs, Alstom hat die Schließung des Werks angekündigt. Der Rohbau der Waggons geht nach Polen.
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KNDS, vor zehn Jahren durch die Fusion von Krauss-Maffei Wegmann (Deutschland) und Nexter (Frankreich) entstanden, produziert Radfahrzeuge für das Heer, Aufklärungs-, Flugabwehr- und Artilleriesysteme sowie Kampfpanzer (Leopard) und Schützenpanzer (Puma). Nach dem russischen Angriff auf die Ukraine baut KNDS Kapazitäten auf.
„Wir sind weltweit führend im Panzerbau“, sagte Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) am vergangenen Wochenende. In Mülheim an der Ruhr besuchte der Politiker eine Stahlguss-Firma, die KNDS vor gut zwei Jahren übernommen hatte. Die Friedrich Wilhelms-Hütte war in eine Krise gerutscht, der Einstieg von KNDS sicherte rund 300 Arbeitsplätze.
Der in Mülheim produzierte Stahl ist extrem hart und wird für Panzerwannen verwendet. Gut 6000 Mitarbeitende beschäftigt der Rüstungskonzern inzwischen in Deutschland, die größten Werke stehen in München und Kassel, wo jeweils rund 2000 Personen unter anderem Türme und Brücken für Panzer bauen. Eine Schweißfabrik befindet sich in Hamburg, weitere Schweißkompetenz kommt nun mit der Görlitzer Alstom-Belegschaft hinzu.
Alstom-Verlust in Deutschland
Die französische Alstom hatte 2021 die kanadische Bombardier Transportation mit einem Dutzend Standorte und gut 9000 Mitarbeitenden in Deutschland übernommen. Ein riskantes Manöver, denn Managementfehler, Qualitätsdefizite und Investitionsversäumnisse haben die Wettbewerbsfähigkeit der Bombardier-Standorte beschädigt. 2024 erwirtschaftete der weltweit zweitgrößte Schienenersteller (nach der chinesischen CRRC) in Deutschland einen dreistelligen Millionenverlust.
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Trotz eines sogenannten Zukunftstarifvertrags, den Alstom Anfang 2023 mit der IG Metall abgeschlossen hatte, und der den Verzicht auf Urlaubsgeld der Beschäftigten sowie im Gegenzug Investitionen und Arbeitsplatzsicherheit vorsieht, kündigte der Konzern im Herbst letzten Jahres die Schließung von Görlitz spätestens an.
Die gut 2000 Beschäftigten in Hennigsdorf im Norden Berlins sollen künftig keine neuen Fahrzeuge mehr bauen; laufende Projekte verlagert der Pariser Konzern nach Bautzen und Salzgitter. Hennigsdorf werde „zum Schlüsselstandort für die zentralen Wachstumsbereiche Digitalisierung und Service ausgebaut“, teilte Alstom mit.
In Görlitz werden seit 1848 Schienenfahrzeuge auf einem Industriegelände, das so groß wie 40 Fußballfelder ist, montiert. Es gibt also reichlich Platz für KNDS – und gut ausgebildete Arbeitnehmer. Das Durchschnittsalter der Görlitzer Alstom-Belegschaft liege um die 40 Jahre, heißt es im Betriebsrat. Von den derzeit 700 Mitarbeitern sollen 350 zu KNDS wechseln.
Höhe der Abfindung ist noch offen
Zur Abwicklung des Übergangs wird eine Transfergesellschaft (TG) eingerichtet, in der die Mitarbeiter geschult werden. Nicht in die TG wechseln einige Dutzend Beschäftigte, die Alstom ein Arbeitsplatzangebot für Bautzen bekommen. Wer ein Abfindungsangebot annimmt, kommt auch nicht für die TG in Betracht.
Über die Höhe der Abfindungen wird zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretern noch verhandelt. Wenn am Ende etwa 200 Beschäftigten eine Abfindung zu zahlen wäre, müsste Alstom einen zweistelligen Millionenbetrag aufwenden. Bis zum Besuch des Bundeskanzlers soll die genaue Höhe feststehen.
Der Großteil der Beschäftigten jedoch geht in die Transfergesellschaft und bekommt ein Angebot von KNDS. Dabei werden eine Wechsel- oder Antrittsprämie ausgelobt sowie ein mehrjähriger Kündigungsschutz zugesichert. Die Zeitenwende macht es möglich.
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