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Aufschwung. Auf dem deutschen Arbeitsmarkt gibt es so viele freie Stellen wie nie zuvor.

© dapd

Arbeitsmarkt: So wenig Erwerbslose wie seit 20 Jahren nicht mehr

Viel Arbeit: 2011 sank die Arbeitslosenquote auf den tiefsten Stand seit 1991. Derzeit sind fast 500 000 Stellen unbesetzt. Ist das das Ergebnis richtiger Weichenstellungen?

Die niedrigste Arbeitslosenrate seit 20 Jahren ist am Dienstag von Bundesregierung und Arbeitgebern gefeiert worden; Opposition und Gewerkschaften verwiesen hingegen auf die wachsende Zahl von Billigjobs und Langzeitarbeitslosen sowie den anhaltenden Fachkräftemangel. Im vergangenen Jahr waren in Deutschland durchschnittlich 2,976 Millionen Menschen arbeitslos gemeldet, wie die Bundesagentur für Arbeit (BA) am Dienstag mitteilte. Weniger Arbeitslose wurden zuletzt 1991 registriert. BA-Chef Frank-Jürgen Weise sprach von einem „guten Jahr“ für den Arbeitsmarkt.

Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) bescheinigte dem deutschen Arbeitsmarkt eine „grundsolide Verfassung“. Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) sprach von dem „mit Abstand erfolgreichsten Jahr für die Erwerbstätigen im wiedervereinigten Deutschland“. Die Nachfrage nach Arbeitskräften bleibe ungeachtet der derzeitigen konjunkturellen Risiken weiterhin sehr hoch. „Insgesamt dürfte sich der Beschäftigungsaufschwung in den kommenden Monaten fortsetzen, wenn auch mit langsamerem Tempo“, sagte Rösler. Der Arbeitsmarkt bleibe damit ein wichtiger Eckpfeiler der Konjunktur.

Hartz IV-Empfänger tauchen nicht in der Statistik auf

Die Erfolge auf dem Arbeitsmarkt seien nur möglich gewesen „dank einer produktivitätsorientierten und differenzierten Tarifpolitik sowie wichtiger Reformen für mehr Flexibilität“, erklärte die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände. Gebe es keine „Rückschläge“ in der Staatsschuldenkrise, könne die Erholung 2012 weitergehen.

„Besser als erwartet, aber nicht zufrieden stellend“, nannte hingegen Claus Matecki, DGB-Vorstandsmitglied, die Arbeitsmarktdaten. Der Handlungsbedarf am Arbeitsmarkt sei größer, als die Zahlen es suggerierten. „Wenn allein mehr als 100 000 über 58-jährige Hartz-IV-Bezieher nicht mehr in der Statistik auftauchen, weil sie seit über einem Jahr kein Jobangebot mehr erhalten haben, ist die Statistik eine Farce“, sagte Matecki. Die Arbeitsmarktstatistik diene offenbar dazu, ein „positiv überzeichnetes Bild vom Arbeitsmarkt abzuliefern“. Auch unter den registrierten Arbeitslosen liege die Arbeitslosenquote der über 55-Jährigen mit 8,2 Prozent über dem Schnitt von 6,6 Prozent.

Opposition fordert weitere Anstrengungen

Die Opposition forderte die Bundesregierung ebenfalls zu weiteren Anstrengungen auf. Es gebe keinen Grund, „die rosarote Brille aufzusetzen und in Untätigkeit zu verharren“, erklärte SPD-Fraktionsvize Hubertus Heil. Zum einen kämen immer mehr Menschen mit ihrem Lohn nicht über die Runden. Zum anderen vertiefe sich die Spaltung des Arbeitsmarktes zwischen Unternehmern, die Fachkräfte suchten, und einem verfestigten Sockel von Langzeitarbeitslosen.

Die Nachfrage steigt in allen Branchen

Die Nachfrage nach Arbeitskräften befindet sich nach Angaben der Bundesagentur „auf hohem Niveau“. Im Dezember waren 467 000 Stellen gemeldet – 87 000 mehr als im Vorjahr. Die Nachfrage steige dabei in fast allen Branchen, erklärte die Arbeitsagentur. Besonders gesucht seien derzeit Fachleute in den Bereichen Mechatronik, Elektro, Energie, Metall, Logistik, Maschinenbau und Gesundheit.

Die Zahl der sozialabgabenpflichtigen Jobs legte im vergangenen Jahr insgesamt um mehr als 700 000 zu. Ausschlaggebend dafür war die gute konjunkturelle Entwicklung. Die Erwerbstätigenzahl stieg laut Statistikamt im November auf den Rekord von 41,61 Millionen. Auch für 2012 zeigte sich BA-Chef Weise verhalten optimistisch. Mit seiner Prognose von knapp unter drei Millionen Arbeitslosen im Jahresschnitt blieb er aber zurückhaltender als viele Forschungsinstitute. Im Januar dürfte die Arbeitslosenzahl wie üblich deutlich steigen. „Für Januar erwarten wir relativ sicher einen Anstieg auf über drei Millionen“, sagte Weise.

Auch finanziell beschließt die BA das Jahr positiv: Statt eines erwarteten Defizits von 5,4 Milliarden Euro zeichnet sich bei der BA ein geringer Überschuss von etwa 70 Millionen Euro ab. (mit rtr, AFP)

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