
© REUTERS/ANNEGRET HILSE
SPD wusste nichts von Habeck-Vorstoß : Lieferkettengesetz nicht aussetzen, aber „Gespräche mit der Wirtschaft führen“
Wirtschaftsminister Robert Habeck will das deutsche Lieferkettengesetz aussetzen, bis das europäische Gesetz greift. Wirtschaftsverbände begrüßen das – der Koalitionspartner nicht.
Stand:
Der Vorstoß kam überraschend und sorgte sowohl für Entrüstung als auch Hoffnung. Beim Tag des Familienunternehmens am Freitag in Berlin schlug Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) vor, das deutsche Lieferkettengesetz für rund zwei Jahre auszusetzen oder zumindest deutlich abzuschwächen, bis das europäische Gesetz greift. Man müsse pragmatisch vorgehen. „Der Schutz von Menschenrechten und Umweltstandards wird nur dann erfolgreich sein, wenn Vorgaben auch bei den Unternehmen Akzeptanz finden“, sagte Habeck.
In der FDP und bei Wirtschaftsverbänden, die seit Jahren gegen beide Gesetze Sturm laufen, rennt Habeck damit offene Türen ein. „Die Aussetzung des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes wäre ein hilfreicher Baustein zur Stärkung unserer Wirtschaft“, sagte Bundesjustizminister Marco Buschmann. Habecks Vorstoß nähre eine neue Hoffnung, dass die Aussetzung in der Regierung mehrheitsfähig werden könne. Beim sozialdemokratischen Koalitionspartner und Umweltverbänden bekam der Vizekanzler dagegen teilweise deutlichen Widerspruch.
Habeck-Vorstoß in der Koalition wohl nicht abgestimmt
„Die SPD-Fraktion wird sich nicht an einer pauschalen Aussetzung des deutschen Lieferkettengesetzes beteiligen“, so SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich in einer Erklärung auf X am Samstag. Habeck habe mit seinen Äußerungen „den langjährigen Bemühungen um eine an Menschenrechten und fairen Löhnen orientierte und gegen Ausbeutung gerichtete Wirtschaftspolitik einen Bärendienst erwiesen“. Es sei irritierend, dass ein Ressortchef glaube, eigenmächtig geltendes Recht außer Kraft setzen zu können.
Auch die Koordinatorin der „Initiative Lieferkettengesetz“ lehnt den Vorstoß Habecks ab und bezeichnete diesen als „grotesk“. Er führe genau bei den Unternehmen zu Verunsicherung, die das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) bereits umsetzen würden. „Ein Aussetzen des Lieferkettengesetzes steht nicht zur Debatte“, sagte Johanna Kusch und forderte Arbeitsminister Heil auf, sich gegen den Vorschlag Habecks zu stellen.
Denn federführend beim deutschen wie europäischen Lieferkettengesetz ist Heils Arbeitsministerium (BMAS). Klar gegen den Vorstoß Habecks positionierte man sich im BMAS am Samstag allerdings nicht. „Eine bürokratiearme Umsetzung ist immer im Fokus des Bundesarbeitsministeriums gewesen“, sagte ein Sprecher dem Tagesspiegel.
„Gemeinsam mit dem BMWK wird das BMAS in diesem Sinne Gespräche mit der Wirtschaft führen, um eine möglichst einfache sowie praxisnahe Umsetzung des LkSG und der EU-Lieferkettenrichtlinie zu gewährleisten und gleichzeitig wirksamen Menschenrechtsschutz zu sichern“, sagte er. Darüber hinausgehende Pläne seien dem Arbeitsministerium nicht bekannt. Heißt: Abgesprochen in der Bundesregierung war Habecks Vorstoß nicht.
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Auch bei den Grünen sieht man keine Notwendigkeit dafür, das deutsche Gesetz auszusetzen. „Den Übergang vom deutschen zum europäischen Lieferkettengesetz müssen wir gerade für kleine und mittelgroße Unternehmen so einfach wie möglich gestalten“, schrieb Anna Cavazzini, Grüne Verhandlerin im Handelsausschuss des EU-Parlaments am Samstag auf X. Das hieße aber nicht, dass das deutsche Lieferkettengesetz insgesamt pausiert würde.
Wirtschaftsverbände begrüßen Entlastung
Das deutsche Lieferkettengesetz ist bereits in Kraft und gilt für Unternehmen mit mindestens 1000 Beschäftigten. Die EU-Richtlinie wurde im April zwar auch final beschlossen, muss aber erst noch in nationales Recht übertragen werden. Die EU-Staaten haben dafür nun gut zwei Jahre Zeit. Die europäischen Regelungen müssen Firmen mit 1000 Beschäftigten und 450 Millionen Euro Umsatz erst nach einer Übergangsfrist von fünf Jahren einhalten. Davor gelten zunächst höhere Grenzwerte.
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Von Seiten einiger Wirtschaftsverbände erhielt Habeck für seinen Vorschlag daher Zuspruch. „Es ist überfällig, das deutsche Lieferkettengesetz jetzt aufzuheben und die europäische Richtlinie nur in schlanker Form umzusetzen“, sagte der Hauptgeschäftsführer der Arbeitgebervereinigung BDA am Samstag. „Mit der Aussetzung würden wir die dringend benötige Atempause für die deutsche Wirtschaft schaffen“, so Steffen Kampeter.
Auch der Verband der Chemischen Industrie zeigte sich erfreut. „Der Vorschlag von Wirtschaftsminister Habeck kommt zur rechten Zeit“, schrieb VCI-Hauptgeschäftsführer Wolfgang Große Entrup auf X. Man stehe zur Wahrung der Menschenrechte. „Aber der europäische Standard braucht keinen deutschen Übererfüllungswahn“, so Große Entrup.
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