
© AFP/John Macdougall
Steuern neu geschätzt, Etatentwurf verschoben: Lindner betont: Es gibt keine Spielräume
Der Bundesfinanzminister überrascht selbst die Koalitionäre. Nun muss er im Haushaltsausschuss seinen neuen Zeitplan zur Etataufstellung erklären.
Stand:
Als Bundesfinanzminister überrascht Christian Lindner gerne mal. So auch am Donnerstag. Nachdem der FDP-Chef schon darauf verzichtet hat (zweifellos in Absprache mit dem Kanzler), die üblichen Eckwerte für den nächsten Etat vorzulegen, verschiebt er nun den Termin für die Kabinettsentscheidung zum Regierungsentwurf.
Nicht am 21. Juni sollen die Minister das Zahlenwerk absegnen, wie bisher vom Finanzministerium genannt, sondern laut FDP-Fraktionsvize Christoph Meyer erst am 5. Juli. Der Haushaltsausschuss im Bundestag hat den Minister daher eingeladen, den Abgeordneten in zwei Wochen den neuen Zeitplan zu erläutern.
Auch Ampel-Politiker waren von der Verschiebung „überrascht“, allen voran der SPD-Chefhaushälter Dennis Rohde. „Für uns ist klar: Der Regierungsentwurf muss vor der Sommerpause vorliegen, damit ein geordnetes parlamentarisches Verfahren gewährleistet ist“, sagte er.
Technische Gründe?
Der Grünen-Haushaltspolitiker Sven-Christian Kindler erwartet, dass Lindner „einen im Kabinett einigungsfähigen Entwurf“ vorlegt. Der Finanzminister selbst nannte „technische Gründe“ als Anlass für die Verschiebung.
Unions-Fraktionsvize Mathias Middelberg dagegen hat Zweifel an der Handlungsfähigkeit der Koalition. Mit Blick auf die ebenfalls am Donnerstag veröffentlichte Steuerschätzung sagte er dem Tagesspiegel, trotz der für Staat auskömmlichen Situation schaffe es die Regierung seit Monaten nicht, ihren Streit um den Haushalt aufzulösen. „Im Koalitionsvertrag wurde angekündigt, die Ausgaben auf den Prüfstand zu stellen. Dazu ist bislang effektiv nichts passiert.“ Die Ampel müsste die Zeitenwende im Haushalt abbilden und dazu Ausgaben umschichten. Aber das finde nicht statt.
„Wir bräuchten dringend einen Strukturumbau bei den Sozialversicherungen, attraktivere Investitionsbedingungen für Industrie und Mittelstand bei Energie und Steuern, Personalabbau in der Verwaltung durch konsequente Digitalisierung und eine Migration, die stärker in Arbeit und weniger in die Sozialsysteme stattfindet“ zählte Middelberg auf. „Diese Kernherausforderungen aber geht diese Ampel nicht mal ansatzweise an.“
Ein Mehr an Ausgabewünschen ist nicht zu realisieren.
Christian Lindner, Bundesfinanzminister
Das zielt auch darauf, dass Lindner Schwierigkeiten hat, die Kabinettskollegen vor allem der SPD und der Grünen auf seinen Konsolidierungskurs zu verpflichten. Von einer Deckungslücke in Höhe von 20 Milliarden Euro ist die Rede, nicht wenig, aber eigentlich auch keine Unsumme.
FDP-Fraktionsvize Meyer reagierte verärgert. „Das künstliche Aufplustern der CDU ist lächerlich“, sagte er dem Tagesspiegel. „16 Jahre Merkel-Regierung waren geprägt durch zukunftshemmenden Wildwuchs und Beliebigkeit im Haushalt. Die Ampelkoalition muss immer noch die christdemokratischen Altlasten abwickeln.“ Lindner nehme sich „für den soliden und generationengerechten Haushaltsentwurf“ die nötige Zeit. „Die Verschiebung ist gerade mal eine Sitzungswoche und damit weit vor den parlamentarischen Haushaltsberatungen im Herbst.“
Korrigierte Steuerschätzung
Dass die Steuerschätzung am Donnerstag ein wenig schlechter ausfiel als die im Oktober – um etwa 30 Milliarden Euro für Bund, Länder und Kommunen – überraschte weder Koalitionäre noch Opposition. Das Minus hat vor allem mit dem Inflationsausgleichsgesetz zu tun, mit dem die Ampel (mit breiter Zustimmung in Bundestag und Bundesrat) den Einkommensteuertarif an die Preissteigerungen anpasste.
Das Gesetz war im Oktober noch nicht beschlossen und konnte damit nach den strengen Regeln der Steuerschätzung offiziell nicht berücksichtigt werden. In die Planungen floss es dennoch ein – ist also keine Ursache für die aktuellen Etatprobleme der Koalition.
Eine Billion Einnahmen ab 2025
Dass Lindner nun der Bundesfinanzminister sein wird, in dessen Amtszeit das Knacken der Marke von einer Billion Euro an Steuereinnahmen fällt, dürfte ihm gefallen. Für ihn ist die Zahl (sie wird nach der Schätzung jetzt 2025 erreicht) ein weiterer Beleg für seine Dauerthese, dass der Staat kein Einnahmenproblem habe.
Sein Appell an die Koalitionäre lautet daher, es gebe keine Handlungsspielräume, es sei auch nicht die Zeit für Steuererhöhungen – und dass er strikt an der Schuldenbremse festhalten will, weiß man ohnehin. Das Fazit, das er im Haushaltsausschuss wohl auch noch einmal ziehen wird: „Ein Mehr an Ausgabewünschen ist nicht zu realisieren.“
Kindler stellte die Auffassung dagegen, Haushaltspolitik sei „eine Politik des Ermöglichens“. Er sagte: „Wir werden darüber reden müssen, wie wir mehr Spielräume im Haushalt schaffen. Durch eine gerechte Steuerpolitik können und sollen starke Schultern mehr tragen. Einsparpotentiale können gehoben und umweltschädliche Subventionen abgebaut werden.“ Mit den Grünen zumindest werden das noch harte Gespräche werden.
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: