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Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck.

© Foto: Imago/Emmanuele Contini

Update

Habeck reagiert „verwundert“ auf Brief von AKW-Betreiber: Wirtschaftsministerium verteidigt wirre Insolvenzaussage

Der EON-Konzern sieht viele Probleme in den Plänen des Bundeswirtschaftsministeriums für den AKW-Weiterbetrieb. Man bleibe im Austausch mit der Regierung.

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Der Betreiber des Kernkraftwerks Isar 2 hält die Pläne eines Weiterbetriebs von zwei AKWs in Deutschland zum Jahresende für nicht möglich. Das geht aus einem Brandbrief von Guido Knott, dem Chef von Preussen Elektra, an das Bundeswirtschaftsministeriums von Robert Habeck hervor, das dem „Spiegel“ vorliegt.

Demnach ist der AKW Weiterbetrieb „technisch nicht machbar und daher ungeeignet, um den Versorgungsbeitrag der Anlagen abzusichern“. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hatte am Montag erklärt, dass die beiden Kraftwerke Isar 2 und Neckarwestheim bis April 2023 am Netz bleiben sollen, um im Notfall die Stromversorgung in Deutschland abzusichern.

Dabei dienen die beiden AKWs lediglich als „Einsatzreserve“, sollen also nur hochgefahren werden, falls sich die europäische Versorgungslage im Winter nicht entspannt.

Habeck zeigte sich am Nachmittag irritiert über das Schreiben. „Ich habe den Brief mit einiger Verwunderung heute morgen zur Kenntnis genommen“, sagte der Grünen-Politiker am Mittwoch in Berlin.

Habeck kritisiert Missverständnis beim Konzept Kaltbetrieb

Die Betreiber des AKW Isar II hätten Habeck zufolge offenbar das Konzept der Einsatzreserve nicht verstanden. Dabei gehe es nicht um ein mehrfaches Hoch- und Runterfahren des Kraftwerkes, sondern um eine einmalige Entscheidung, ob die beiden dafür vorgesehenen AKW benötigt würden oder nicht.

Das könne beispielsweise im Dezember, Januar oder Februar geschehen. „Das ist offensichtlich an den Technikern von Preussen Elektra vorbeigegangen“, sagte Habeck.

Knott warnte in seinem Schreiben an Habeck etwa vor erheblichen Verzögerungen und Risiken bei einem potenziellen Streckbetrieb. In diesem Zustand sei etwa „ein flexibles Anheben oder Drosseln der Leistung nicht mehr möglich ist“, so zitiert der „Spiegel“ den Preussen Elektra Chef.

Vor allem aufgrund der Dringlichkeit der Versorgung in diesem Winter halte Knott den Streckbetrieb für zu riskant. „Das Austesten einer noch nie praktizierten Anfahrprozedur sollte nicht mit einem kritischen Zustand der Stromversorgung zusammenfallen“, erklärte er.

Preussen Elektra warnte offenbar vor „kurzfristigem Stillstand“

Laut Informationen des „Spiegels“ hatte der Konzern bereits vor der Ankündigung eines Kaltbetriebs durch Habeck am Montag auf die Risiken hingewiesen. Dem Wirtschaftsminister zufolge hatte Preussen Elektra in einem Brief im August geschrieben, im Falle eines sogenannten Streckbetriebs müsse das AKW in einen „kurzfristigen Stillstand“.

Ein vorübergehendes Ausschalten wäre demnach möglich, sagte Habeck. Es sei technisch nicht nachvollziehbar, warum dies nicht auch für die Einsatzreserve gelten solle. In einem Schreiben im August hätte man versichert dass man „für einen weiteren Betrieb bereitstehe“, so heißt es in einem Schreiben des Bundeswirtschaftsministeriums. Man gehe davon aus, dass das unabhängig davon gelte, ob es sich um einen Streckbetrieb oder einen Reserveeinsatz handle.

Der Energiekonzern E.ON, zu dem Preussen Elektra gehört, sprach in der Frage eines Weiterbetriebs seines Atomkraftwerks Isar 2 auf Konfrontationskurs zur Bundesregierung. „Sie können davon ausgehen, dass wir auch dazu im Austausch mit der Bundesregierung sind“, sagte ein Konzernsprecher am Mittwoch auf Anfrage der Nachrichtenagentur Reuters.

Weiterhin erfordere ein sogenannter Streckbetrieb „arbeitsintensive Vorbereitungen“, die man für eine einwandfreie Versorgung im Winter bis Oktober abschließen müsste, so Knott. Man bitte in einem Fachgespräch mit dem Wirtschaftsministerium daher nochmal um eine Klarstellung der Situation.

In einem Antwortschreiben, das dem Tagesspiegel vorliegt, erklärt das Bundeswirtschaftsministerium jedoch, dass dee „üblicherweise einmal pro Jahr stattfindende Revision im Oktober 2021 durchgeführt“ wurde und dementsprechend keine Revision nötig sein sollte.

Habeck verteidigt sich gegen Kritik an Insolvenz-Äußerung

Kritik am Wirtschaftsminister gab es auch nach dessen Auftritt in der ARD-Sendung „Maischerberger“. Habeck hatte auf die Frage, ob er mit einer Insolvenzwelle am Ende dieses Winters rechne, geantwortet: „Nein, das tue ich nicht. Ich kann mir vorstellen, dass bestimmte Branchen einfach erstmal aufhören zu produzieren.“

Als Beispiel nannte er Blumenläden, Bioläden und Bäckereien, weil diese Läden „darauf angewiesen sind, dass die Menschen Geld ausgeben“. Solche Betriebe hätten dann wirkliche Probleme, weil es eine Kaufzurückhaltung gebe. „Dann sind die nicht insolvent automatisch, aber sie hören vielleicht auf zu verkaufen“, sagte Habeck. Es gab heftige Kritik.

Genau der ist das Bundeswirtschaftsministerium nun vehement entgegengetreten. Der Minister habe lediglich „den wichtigen Unterschied“ zwischen Insolvenzen und Betriebsaufgaben deutlich machen wollen, erklärte eine Sprecherin am Mittwoch in einer schriftlichen Stellungnahme.

Die Ministeriumssprecherin erklärte, dass Habeck habe darlegen wollen, dass die Gefahr von „stillen Betriebsaufgaben“, also Betriebsaufgaben ohne Insolvenz-Anmeldung, ein Problem für eine Volkswirtschaft darstelle und die Regierung beides im Blick haben müsse. „Der Blick auf die Insolvenzen allein“ greife zu kurz. „Das Insolvenzverfahren dient dazu, das Unternehmen in einem strukturierten Verfahren möglichst zu erhalten.

Demgegenüber bedeuten Betriebsaufgaben, dass Betriebe aufgeben, ohne Insolvenz anzumelden, weil sie beispielsweise sehen, dass sich ihr Geschäft wegen hoher Energiekosten schlicht nicht mehr lohnt. Betriebsaufgabe ist nicht gleichbedeutend mit einer Insolvenz.“ Drohende Betriebsaufgaben aufgrund der hohen Energiekosten seien „gerade für kleine und mittlere Unternehmen ein ernstes Problem“, heißt es weiter. (TSP/Reuters)

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