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Anonymisierte Hinweise. So wie die App konzipiert ist, kann sie keine Daten an die Gesundheitsämter weitergeben.

© Imago/Sven Simon

Von Akzeptanz bis Datenschutz: Wenn die Corona-App wirklich helfen soll, braucht es diese Updates

Die Corona-Warn-App hat die Erwartungen bislang nicht erfüllt. Wie sie verändert werden muss, um wirklich einen dritten Lockdown verhindern zu können.

Während des ersten Lockdowns war sie noch ein Hoffnungsträger. Die Corona-Warn-App sollte helfen, Infektionsketten nachzuvollziehen und massive Kontaktbeschränkungen überflüssig machen. Mit Beginn des zweiten Lockdowns wird die Frage laut, ob die App versagt – und wie sie weiter verbessert werden kann.

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder hatte sie beispielsweise als „zahnlosen Tiger“ bezeichnet und ein „digitales Update“ gefordert. Doch auch grundsätzliche Befürworter der App fordern Verbesserungen. „Über den Sommer scheint der Elan verloren gegangen zu sein“, sagt Henning Tillmann, der Vorsitzende des Vereins D64. Für das Geld, was Telekom und SAP für Entwicklung und Betrieb kassierten, sei das Ergebnis „zu schwach“.

Doch wie kann die App verbessert werden? Ein Problem ist die Zahl der Nutzer: 20 Millionen Menschen in Deutschland haben die App heruntergeladen. Aktiv genutzt wird sie von etwa 16 Millionen Menschen. Im europaweiten Vergleich ist das eine hohe Quote.

Dass sie nicht noch höher ist, kann an der mangelnden Akzeptanz, der fehlenden Attraktivität oder Bekanntheit der App im Rest der Bevölkerung liegen. Hinzu kommt, dass nur schätzungsweise 85 Prozent aller Handys in Deutschland die nötigen technischen Voraussetzungen besitzen.

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Zu wenige melden ihre Infektion in der App

Ihre Warnfunktion kann die App zudem nur erfüllen, wenn die Nutzer ein positives Testergebnis auch in der App freigeben, um andere zu warnen. Seit Veröffentlichung haben das 32.224 Personen getan. Das sind allerdings nur 60 Prozent der Nutzer, die über die App ein positives Testergebnis erhalten.

Die Freigabe wird erleichtert, wenn die Nutzer ihre Testergebnisse direkt in der App erhalten. Doch noch immer sind nicht alle Labore angebunden, vor allem bei den Krankenhauslaboren gibt es noch Probleme. Laut Gesundheitsministerium sind bislang 16 solcher klinischen Labore angeschlossen. Man bemühe sich auch in diesem Bereich um eine Anbindung weiterer Labore.

Ein weiteres Problem der App ist ihre mangelnde Genauigkeit: Viele Nutzer sind irritiert, wenn sie vor „Begegnungen mit niedrigem Risiko“ gewarnt werden. Die App errechnet das Risiko aus der Dauer der Begegnung und der Entfernung. Ein niedriges Risiko liegt also vor, wenn sich eine infizierte Person entweder weiter entfernt oder nur kurz in der Nähe des Nutzers aufgehalten hat.

Zu viele Fragen bleiben offen

Das lässt viele Fragen offen. Fand die Begegnung draußen oder drinnen statt? Wurden Masken getragen oder nicht? Ist man im Park an einer infizierten Person vorbeigelaufen, dürfte das Risiko gering sein. Hat man ihr in der Bahn gegenüber gesessen, ist das Risiko eventuell höher. Besser einschätzen ließe sich das persönliche Risiko, wenn die Betroffenen wüssten, wann die fragliche Begegnung stattgefunden hat. Der Zeitpunkt wird aber nicht angezeigt. Das dient dem Schutz der Privatsphäre. Denn andernfalls wären Rückschlüsse auf die Identität der infizierten Person möglich.

Die App wird bereits in der Öffentlichkeit beworben. Aber längst nicht jeder traut ihr.
Die App wird bereits in der Öffentlichkeit beworben. Aber längst nicht jeder traut ihr.

© Kay Nietfeld/dpa

Hinzu kommt: Die Informationen darüber, welche Handys zu welchem Zeitpunkt untereinander Signale ausgetauscht haben, werden anonymisiert und dezentral auf den Geräten der Nutzer gespeichert, nicht auf einem Server. Die Gesundheitsämter haben zu diesen Daten keinen Zugang. Sie erfahren weder die Namen der Kontaktpersonen der Infizierten, noch können sie irgendwelche Erkenntnisse über die Pandemie gewinnen.

Datenschutz als Knackpunkt?

Ist der Datenschutz der hauptsächliche Grund der mangelnden Wirkung der App? Fest steht: So, wie die App konzipiert ist, kann sie gar keine Daten an die Ämter weitergeben, schon technisch nicht. Erfasst wird ohnehin nur dass sich Personen begegnet sind, nicht aber wo.

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Die Bundesregierung hat sich im Frühling für die Variante einer anonymen, dezentralen Speicherung der Begegnungen entschieden. Dem ging eine leidenschaftliche Debatte über den Datenschutz voraus – das war aber nicht der einzige Grund. Apple und Google haben die Abstandsmessung über Bluetooth in ihre Betriebssysteme eingebaut. Und die Schnittstellen, die sie dafür zur Verfügung stellen, funktionieren ausschließlich mit der dezentralen Speichervariante.

Auch die dezentrale, datensparsamere Variante könnte effizienter sein als die existierende App. Etwa, indem die Genauigkeit erhöht wird: Nach Vorschlägen von Henning Tillmann von D64 und dem Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach (SPD) sollen sich App-Nutzer künftig freiwillig damit einverstanden erklären können, dass die App im Falle ihrer Infektion auch den Zeitpunkt ihrer Begegnungen mit anderen App-Nutzern speichern und angeben darf.

Apple und Google müssten mitziehen

Erhalten würden diese Informationen ausschließlich die betroffenen Personen. Diese könnten dann sowohl ihr persönliches Infektionsrisiko besser einschätzen, als auch aktiv weitere Personen warnen, die in der fraglichen Situation dabei waren, oder die sie nach der Risikobegegnung noch getroffen haben, und zwar auch solche, die die App selbst nicht nutzen. Eine solche Änderung, sagt Tillmann, könnten die App-Entwickler aber nicht selbst umsetzen – dafür müssten Apple und Google direkt in ihren Betriebssystemen entsprechende Updates vornehmen.

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Nach Lauterbach/Tillmann sollte die App Clustersituationen erfassen, wenn die eigene App also viele Schlüssel anderer Handys empfängt. Dann sollte die App ihre Nutzer daran erinnern, große Menschenansammlungen zu meiden, beziehungsweise regelmäßig zu lüften. Darüber hinaus, meint Tillmann, könnte die App in einer solchen Situation auch solche Nutzer warnen, die sich im selben Cluster befunden haben, aber aufgrund eines großen Abstands zu der infizierten Person normalerweise gar keine Warnung erhalten hätten.

Pilotprojekte zur erweiterten Nutzung

Lauterbach schlägt weiter vor, ein Kontakttagebuch in die App zu integrieren, ebenso die Option der Weitergabe positiver Tests in der App zum Standard zu machen, sodass Nutzer dem aktiv widersprechen müssten, wenn sie das nicht wollten.

Die Grünen fordern, die App zum Informationsportal auszubauen und dort leicht verständlich und grafisch anschaulich etwa über regional geltende Regeln oder die Entwicklung der Infektionszahlen zu informieren. „Die Integration von weiteren Informationen, zum Beispiel zum aktuellen Pandemiegeschehen, ist geplant und wird für eines der kommenden Releases geprüft“, so die Regierung.

Auch an der weiteren Verbreitung wird derzeit gearbeitet: Um die Nutzung auf Menschen auszudehnen, die kein passendes Mobiltelefon haben oder nutzen wollen, wird derzeit an alternativen Geräten gearbeitet. In Kiel und Sachsen werden dazu Armbänder oder Schlüsselanhänger entwickelt, die Bundesregierung unterstützt entsprechende Pilotprojekte mit Studien.

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