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100 Tage vor Bundestagswahl. SPD-Spitzenkandidat Peer Steinbrück und SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles präsentierten am Willy-Brandt-Haus ein Plakat zur Bundestagswahl.

© dpa

Wahlkampf der Werber: Wie private Agenturen die Parteien beraten

Die Parteien werden in diesem Jahr rund 70 Millionen Euro für die Werbung rund um die Bundestagswahl ausgeben. Den größten Etat hat die SPD. Die Kampagne für die CDU kommt von einem, der früher für die SPD gearbeitet hat.

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Der Weg zum kreativen Kopf der CDU-Wahlkampagne führt durch ein mit Marmor ausgekleidetes Foyer Unter den Linden in einen goldschimmernden Fahrstuhl. Im fünften Stock wartet Lutz Meyer in seiner Agentur Blumberry. Meyer, 44, grüne Hose, blaues Polohemd ist noch relativ entspannt. „Die Leute haben schnell genug von Wahlkampf. Wir beginnen deshalb erst zwei Monate vor der Wahl“, sagt Meyer. Am Ende der weitläufigen Flure lässt ein Schild an einer Tür ahnen, was noch auf die Mitarbeiter zukommt: „Wahlkampf-Panicroom“ steht darauf. Etwa zwölf Mitarbeiter, sagt Meyer, sind hier nur mit der CDU befasst. Designer, Politikwissenschaftler, Texter. Die Tür fällt zu. Die Entwürfe sind noch geheim.

Annähernd 70 Millionen Euro kommen diesmal in den Wahlkampfetats aller Parteien zusammen, wie viel davon an die Agenturen fließt, verraten sie nicht. Bei Blumberry, die auch für Firmen wie Volkswagen oder EADS arbeiten, macht der Auftrag von der CDU rund 20 Prozent des Gesamtumsatzes aus. Und er bindet auch ein Fünftel des Arbeitspensums. „Wir machen alles vom TV-Spot bis zum Bleistift. Plakate, Website, Veranstaltungsoptik, Broschüren, Facebook“, sagt Meyer.

Der promovierte Politologe hat Erfahrung. Bereits 2002 organisierte er eine Bundestagswahlkampagne. Pikanterweise damals die von SPD-Kanzlerkandidat Gerhard Schröder. Meyer, Ex-SPD-Mitglied, musste sich oft fragen lassen, wie sich das vereinbaren lässt und antwortet routiniert, es müsse eine Grundübereinstimmung mit den politischen Zielen geben. „Ich würde heute nicht mehr für die SPD arbeiten. Die haben nach Schröder einen Linksschwenk gemacht, der mir nicht gefallen hat.“ Nun also Merkel.

Die FDP gibt weniger aus als die Linke

Koalitionspartner FDP gibt mit vier Millionen Euro vergleichsweise wenig für seinen Wahlkampf aus, selbst die Linke gönnt sich und ihrer Werbeagentur DiG zwei Millionen Euro mehr. „Angesichts des Budgets müssen wir unsere Aktionen pointiert setzen“, sagt der Wahlkampfkoordinator der Liberalen, Olaf Bentlage. Überhaupt konzentriere sich die Werbung auf die letzten drei Wochen vor der Wahl. Dann werden Spitzenkandidat Rainer Brüderle und Parteichef Philipp Rösler von Plakaten lächeln und zu Veranstaltungen tingeln. Fünf Millionen Postkarten sollen zudem in den Briefkästen FDP-affiner Wähler landen – ein eher konventioneller Wahlkampf. Die Union hingegen will neue Akzente setzen. „Social Media wird eine sehr viel größere Rolle spielen als vor vier Jahren“, sagt Meyer. Auch Youtube. „Aber wir werden uns nicht mit Witzigkeit verkämpfen, denn die Wahl wird nicht im Netz entschieden.“

Im Willy-Brandt-Haus, der Zentrale der SPD, sieht man das anders. Stefan Trabant, kreativer Geschäftsführer der Agentur Super J+K, befindet sich bereits voll im Wahlkampf. „Online ist die schnellste Waffe, ohne sie braucht man gar nicht anfangen“, sagt er. Bei der SPD, die mit einem Etat von 23 Millionen Euro drei Millionen mehr investiert als die Union, ist sogar eine zusätzliche Agentur, die D64 Media, nur für den Online-Wahlkampf zuständig. Deren Leiter Mathias Richel gibt sich kämpferisch. „Ohne zu viel zu verraten: Da wird online noch einiges kommen. Ich bin gespannt, was die Kollegen von Blumberry dem entgegenzusetzen haben.“

Die Agenturen nutzen den Wahlkampf mehr zum kreativen Kräftemessen als für ideologische Grabenkämpfe. Trabant etwa wurde erst SPD-Mitglied nachdem seine Agentur den Zuschlag erhalten hatte. Richel ist zwar seit 1998 in der Partei, arbeitete aber zuvor für die Agentur Zum goldenen Hirschen, die seit Jahren Kampagnen für die Grünen entwirft.

Dabei wird der politische Rahmen von der Partei vorgegeben, wie Alexander Brecht, Büroleiter von Andrea Nahles, versichert. Für die SPD heißt das, Aspekte des Wahlkampfs der Demokraten für US-Präsident Barack Obama auf Deutschland zu übertragen. Die Sozialdemokraten hatten extra Mitarbeiter in die USA geschickt, die amerikanische Wahlkämpfer beim Haustür-Wahlkampf begleiteten. Nun soll es das auch hier geben – mit deutlich weniger Mitteln. Denn die Etats deutscher Parteien sind weit von den Summen entfernt, die Republikanern und Demokraten in den USA zur Verfügung stehen. Dort kostete der Wahlkampf 2012 insgesamt sechs Milliarden Euro. Die SPD mobilisiert die Unterstützer deshalb online. 10 000 Freiwillige, die von Tür zu Tür gehen und für Steinbrück werben wollen, hätten sich bereits gemeldet, sagt Online-Chef Richel. Heute soll es losgehen.

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