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Ostwand der Grabkammer des Amen-hotep. Links ist Nihe, der Vizekönig von Kusch zu sehen, wie er dem Goldwiegen zuschaut.

© Egyptian-German Mission QHN/S. Steiß, Ägyptisches Museum und Papyrussammlung Berlin

Der Mann mit der Goldwaage löst ein Rätsel: Sensationsfund bei Ausgrabung des Ägyptischen Museums Berlin entdeckt

Bei der jüngsten Grabung des Ägyptischen Museums in Berlin fanden Archäologen ein Grab, das Verbindungen zum Volk der Kusch im heutigen Sudan herstellt – und zu ihrer eigenen Sammlung.

Offensichtlich findet die hochgestellte Persönlichkeit auf dem Schemel Gefallen daran, wie der vor ihr stehende Priestervorsteher Amen-hotep eine große Menge Gold abwiegt.

Zu sehen ist diese Szene auf einem Wandrelief in dem Grab des Amen-hotep, das in der erst 2014 entdeckten unberührten Nekropole von Qubbet el-Hawa Nord, um 1100 vor unserer Zeit, bei Assuan im Süden Ägyptens liegt.

Hier graben ägyptische Archäologen aus Assuan zusammen mit Friederike Seyfried, Direktorin des Ägyptischen Museums und Papyrussammlung der Staatlichen Museen zu Berlin, und ihrem Team seit 2015 diese Nekropole aus.

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Leider wurde sie kurz nach der Entdeckung bereits von Grabräubern zum Teil mit schwerem Gerät ausgeraubt. Die Antikenverwaltung von Assuan hatte die Grabkammern zunächst mit Eisentüren gesichert, um dann in Zusammenarbeit mit Seyfrieds Team von Friederike nach und nach die einzelnen Grabkammern freizulegen.

Kleine Sensation: Wer ist der Mann bei der Goldwaage?

Das eigentlich Besondere dieser oben geschilderten Szene ist nicht zu sehen, sondern zu lesen: Die hochgestellte Persönlichkeit ist niemand anderes als Nehi, der Vize-König von Kusch im Norden des heutigen Sudan. Das Reich mit großen Goldvorkommen ist bei uns als „Nubien“ bekannt.

Darstellungen der Vizekönige von Kusch kennt man aus der Residenz Theben, aber dass eine solche Szene in einer Grabkammer in Qubbet el-Hawa Nord, 300 Kilometer südlich von Theben, vorkommt, gleicht einer kleinen Sensation.

In der kürzlich ausgegrabenen Kammer des Amen-hotep fanden die Archäolog:innen vier Kanopendeckel ohne Namen, was auf eine vorbestellte Produktion hindeutet. In solchen Gefäßen wurden die Eingeweide der mumifizierten Körper bestattet.

Die Nekropole von Qubbet el-Hawa Nord ist für die Wissenschaft besonders wertvoll, da hier die Beamtenelite des Neuen Reiches bestattet wurde, deren Namen man von anderen Inschriften kennt.

Ritualgefäße: Halb Krug, halb Frau

Auch Ritualgefäße in Form von Frauenkörpern fanden die Archäolog:innen: Augen, Zunge und Brüste sind aus Ton auf die Gefäße aufgesetzt.

Eine Frau hält ihre Brüste mit den Händen, eine andere hat eine Art Hut auf, eine scheint frech die Zunge herauszustrecken. Aufgrund kleiner Löcher in den Brüsten ist eine Vermutung, dass aus ihnen Milch ausgeschenkt wurde. Die drei vollständig erhaltenen Ritualgefäße sind rund 3000 Jahre alt.

Ein ungewöhnliches Kultgefäß aus der Grabkammer.
Ein ungewöhnliches Kultgefäß aus der Grabkammer.

© Friederike Seyfried/Ägyptisches Museum und Papyrussammlung

Ausstellung im Ägyptischen Museum im September geplant

Friederike Seyfried möchte angesichts der erfolgreichen Frühjahrskampagne im September zur Halbzeit des von der Deutschen Forschungsgemeinschaft finanzierten Projektes mit einer Ausstellung im Ägyptischen Museum erste Ergebnisse ihrer Arbeit zeigen.

Dazu gehören 1:1-Reproduktionen von zwei Wänden aus der Grabkammer des User, des Bürgermeisters von Elephantine, dessen ausgegrabene Kammer man nun nach Abschluss dieser Grabungskampagne „besenrein“ an die Ägypter übergeben habe, wie Seyfried sagt.

Diese Reproduktionen der Wandreliefs werde es in Zukunft auch vor Ort in einem noch eigens zu errichtenden Besucherzentrum an dem Grab zu sehen geben, da die eigentliche Kammer nur 1,70 Meter hoch und für eine touristische Nutzung viel zu eng sei.

Durch eine Glasscheibe könne man dann einen Blick in die Grabkammer werfen, ohne die Wandmalerei zu gefährden. Den Ägyptern liege viel an dem Besucherzentrum, damit auch den nubischen Dorfbewohnern mit dem Tourismus eine Perspektive für die Zukunft geboten werde, sagt Seyfried.

Da für die geplante Ausstellung keine Originalobjekte von dieser Grabung in Berlin zu erwarten sind, durchforstete Robert Kuhn, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Museum, die Inventarbücher, um herauszufinden, ob es in der Berliner Sammlung passende Artefakte gebe.

Er stieß neben dem Sarkophag des Vizekönigs Nehi, der sich schon seit 2009 in der Dauerausstellung befindet, auf Fragmente des passenden Sargdeckels, die 1906 von Ludwig Borchardt in Ägypten gekauft und nach Berlin geschafft wurden. Die Sandsteinfragmente des 2,56 Meter langen Sarkophagdeckel blieben aber unbeachtet im Depot des Museums, da man sie nicht zuordnen konnte.

Zweite Sensation: Neuer Kontext für Depotstück

Das ist die zweite Sensation: In Vorbereitung der Ausstellung entdecke man anhand der Inschriften Verbindungen zwischen der aktuellen Grabung und den vergessenen Fragmenten im Depot.

Der schwere Sarkophag aus Stein wird von seinem Platz in der Dauerausstellung nicht wegbewegt, also nicht in Seyfrieds Sonderausstellung gezeigt. Der Deckel aber wird für diese restauriert und wandert nach der ersten Schau in die Dauerausstellung auf den Sarkophag.

Steinrestauratorin Katrin Haug stabilisiert Teile des Sargdeckels des Nehri im Archäologischen Zentrum der Staatlichen Museen zu Berlin.
Steinrestauratorin Katrin Haug stabilisiert Teile des Sargdeckels des Nehri im Archäologischen Zentrum der Staatlichen Museen zu Berlin.

© Rolf Brockschmidt

Bevor es aber soweit ist, steht Steinrestauratorin Katrin Haug vor der Herausforderung, aus den verschiedenen erhaltenen Fragmenten wieder ein Objekt herzustellen. Dabei muss sie große Fehlstellen ergänzen. Der Deckel bestand ursprünglich aus zwei Teilen.

In der hellen, geräumigen Werkstatt des Archäologischen Zentrums hat Haug die Steinfragmente in drei Gruppen senkrecht aufgebaut, um sie zu bearbeiten. Der Deckel mit einer Wandstärke von acht Zentimetern ist leicht gewölbt. Deutlich kann man an der Innenseite die über 3000 Jahre alten Spuren der Steinmeißel erkennen.

Die ganze Länge des Deckels ist mit einem Band mit eingravierten Hieroglyphen verziert, drei Bänder mit Hieroglyphen verlaufen wie Gurte quer zum Sarg. Von der einen Deckelhälfte ist gut ein Drittel erhalten, der Rest wurde um die Jahrhundertwende mit Gips ergänzt. Allein dieses Fragment wiegt ungefähr 200 Kilogramm.

Restauratoren stehen vor Herausforderung

Von der zweiten Deckelhälfte sind nur sieben Fragmente erhalten. Hier beginnt die Herausforderung: Es gibt kaum klare Bruchkanten und Berührungspunkte, was die Arbeit der Restauratorin sehr anspruchsvoll macht.

„Um eine statische Verbindung zwischen den Fragmenten herzustellen, muss zusätzlich ein Metallgestalter ein stabiles Untergestell mit einer Art Gitterstruktur herstellen, auf der dann die zusammengefügten Fragmente dauerhaft für die Präsentation und auch für den Transport montiert werden können“, sagt Haug.

Schließlich müsse die ganze Konstruktion so stabil sein, dass sie am Ende in einem Stück auf den Sarkophag gehoben werden kann. Die aufwändige Restaurierung wird vom Verein zur Förderung des Ägyptischen Museums finanziert.

Zunächst müssen die Teile gereinigt werden, denn der Staub hat im Depot der porösen Oberfläche in den letzten 100 Jahren zugesetzt. Damit die restlichen vorhandenen Farbspuren nicht gefährdet werden, komme nur eine Trockenreinigung mit einem Radierschwamm in Frage, sagt Haug und beginnt die vorsichtige Reinigung.

Bald färbt sich der dunkle Stein ockerfarben und der Schwamm schwarz. Mit verschiedenen Pinseln entfernt sie den Staub aus den Hieroglyphen. Warum der Sarkophag nie fertiggestellt wurde, bleibt ein Rätsel.  

So hat die aktuelle Grabung in Qubbet el-Hawa Nord nach über 100 Jahren an die Grabungstradition des Ägyptischen Museums angeschlossen und gleichzeitig eine Verbindung zu den alten Sammlungsbeständen gelegt.

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